Liebelei
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Klose &
Bureau für Zeitungsausschmte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplats 21
4
26
Zeitung:
Erfurz
Ort:
Datum: —
—TAH
(—5
st niemals hochtrabenden Dialog alle Steine des Anstoßes aus
Arthur Schnitzler: Liebelei.
dem Wege zu räumen versteht, braucht man es nicht. Liebelei
Neu eingeübt im Deutschen Nationaltheater.
Klang und Inhalt des Wortes sind die Prägung nicht nur für diese
drei Akte sondern für die Mehrzahl der Plauderstunden, die man mit
Neu eingeübt erscheint Arthur Schnitzler auf dem Spielplan! Arthur Schnitzler verbringen kann.
der Weimarer Nationalbühne. Das ist — auch im Weimarer Mi¬
lien — immerhin ein Wagnis angesichts des lebhaften Kanaken¬
Die Spielleitung Eugen Wilhelmis ließ das Wiener Milien
tanzes, den Rechts- und Staatsanwälte, Philo= und Antisemiten,
sprachlich nur ganz leicht anklingen. Das war bedauerlich, soll aber
Links= und Rechtspolitiker und andere Kunstverständige seit Wochen
gern entschuldigt werden, wenn eine stilgerechte Durchführung
um Schnitzlers „Reigen“ herum aufführen. Wenn die Weimarer
nicht möglich war. Im übrigen klangen alle Töne echt und waren
Intendanz damit feststellen will, daß der Dichter Schnitzler in
in Schnitzlerscher Tonart gut aufeinander abgestimmt. Für Käte
keiner Weise diskreditiert wurde — zu der Aufführung des
Radels ein wenig verschlossene Herbheit ist das „süße Mädel“ nicht
Reigen mag man stehen wie man will —, so sei diese ersteuliche
geschrieben. Um so anerkennenswerter daß sie im Rahmen
Intention gerne anerkannt.
blieb
und nur selten stärkere Akzente in das Spiel brachte, als
Wozu all die mehr oder weniger hitzigen Leitartikel, mehr oder
r.
Der Schmerz des letzten Aktes war jedenfalls sehr weibli
weniger spitzigen Feuilletons, Lokaltermine, Entrüstungsskandale —
erschütternd. Marlies Homann war eine sehr herzig
pour une omelette! Wobei zu bemerken ist, daß ein Omelette von
Freundin. Rudolf Rieth der junge Herr Fritz, wa¬
einem verständigen Koch heiß und schaumig gebacken, der delikate
weichen und symphatischen Organ und seinem an und f.
Schlußpunkt eines leckeren Mahls sein kann, daß sich aber bestimmt
österreichischen Habitus an der richtigen Stelle. Ih
ni nand daran den Magen verderben wird der dies nicht schon an
als skeptischer, von des Gedankens Blässe wenig angek
d#n voraufgegangenen robusteren fleischlichen Genüssen getan hat.
rater Herr Holtz, der sich Viktor Schwanneke mit Ers
Moral- oder Unterleibsangelegenheit swie eine große Berliner Zei¬
bild genommen zu haben scheint. Eine feine Charak
tung den Reigen geschmackvoll wertete)? Freilich, die Schnitzlersche
liebenswerter Einzelzüge bot Carl Schreiner als al¬
Moralität besitzt weder Wedekindschen Fegfeuerfanatismus noch die
und sorgender Vater. Eindrucksvoll war der kurze Au
purgatorische Lebensverschlossenheit einer Reihe von Auchdichtern.
Illigers als „Herr“ während die Szene der Frau Binde
Sie zieht mit anderthalb weinenden und einem halben lachenden
Erland), dieser spezifisch wienerischen Figur, sehr unter der fehlen¬
Auge fatalistisch das Fazit aus einem trotz allem sehr lebensechten
den Gesamteinstellung auf das (immerhin wesentliche) Motiv „Wien“
n und gibt nur leise und diskret den Rat: „Macht's besser!“
leiden mußte.
tzlers Gestalten sind Menschen keine europäischen, aber sehr
Der Beifall des Hanses klang, dem Stücke angepaßt, etwas!
ische Menschen; ihre dramatischen Impulse ersticken meist in
melancholisch.
cholischer Lebensbescheidung, ihr Liebesjubel ist gedämpft durch
F—.
ingsschwere Mollakkorde; was sie tun, tun sie hinter der
Szene. Aber trotzdem — und wohl gerade beshalb, stehen sie uns
nah. Sie ragen in das Leben hinein und zieben darüber hinaus,
Denn die höhere Weisheit braucht nicht unbedingt aus Heroismen
zu resultieren, unaufdringlicher und überzeugender kann sie am be¬
scheidenen. aber darum nicht geringer zu wertenben Treiben des
kleinen Menschels aufgezeigt werden.
Es spricht sicherlich nicht gegen Schnitzler, daß seine nun auch
schon Dezennien alten Stücke heute noch packen (Verzeihung, nein:
h
einen sanften Herzensstoß geven), während man bei Werken anderer
etwa gleichzeitiger Autoren, auch solcher, die mehr Raum in den
Literaturgeschichten beanspruchen, oftmals das Gefühl hat, nach
einem Staubtuch greifen zu müssen.
Die „Liebelei“ die in Weimar neu einstudiert wurde, ist
eins der frühesten Schnitzlerschen Bühnenwerke, könnté aber mit ganz
geringen, rein äußerlichen Abänderungen auch noch auf das Jahr
1920 Bezug nehmen. Der junge Herr von Welt mit der etwas
blasierten Melancholie, der sich nach den stilleren, aber ungetrübten
Genüssen sehnt, die ihm das „süße Mädel“ zu bieten hat, für die
„Andere“ aber sich totschießen läßt
— das „süße Mädel“ mit der
großen Liebe und der Sehnsucht nach dem Glück im Herzen, als
Gegenstück der abgekochtere Freund und die leichtere Freundin mit
sehr rationaler Lebensauffassung, das sind Typen, denen man De¬
kadenz, Rührseligkeit, Leichtfertigkeit und alles andere nachsagen
mag, aber nichts weswegen man sie nicht doch gern haben dürfte.
Einem anderen Autor würde man die Rührseligkeit zum Vorwurf
machen müssen, dem Schnitzler, der mit seinem seingesponnenen und
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Zeitung:
Erfurz
Ort:
Datum: —
—TAH
(—5
st niemals hochtrabenden Dialog alle Steine des Anstoßes aus
Arthur Schnitzler: Liebelei.
dem Wege zu räumen versteht, braucht man es nicht. Liebelei
Neu eingeübt im Deutschen Nationaltheater.
Klang und Inhalt des Wortes sind die Prägung nicht nur für diese
drei Akte sondern für die Mehrzahl der Plauderstunden, die man mit
Neu eingeübt erscheint Arthur Schnitzler auf dem Spielplan! Arthur Schnitzler verbringen kann.
der Weimarer Nationalbühne. Das ist — auch im Weimarer Mi¬
lien — immerhin ein Wagnis angesichts des lebhaften Kanaken¬
Die Spielleitung Eugen Wilhelmis ließ das Wiener Milien
tanzes, den Rechts- und Staatsanwälte, Philo= und Antisemiten,
sprachlich nur ganz leicht anklingen. Das war bedauerlich, soll aber
Links= und Rechtspolitiker und andere Kunstverständige seit Wochen
gern entschuldigt werden, wenn eine stilgerechte Durchführung
um Schnitzlers „Reigen“ herum aufführen. Wenn die Weimarer
nicht möglich war. Im übrigen klangen alle Töne echt und waren
Intendanz damit feststellen will, daß der Dichter Schnitzler in
in Schnitzlerscher Tonart gut aufeinander abgestimmt. Für Käte
keiner Weise diskreditiert wurde — zu der Aufführung des
Radels ein wenig verschlossene Herbheit ist das „süße Mädel“ nicht
Reigen mag man stehen wie man will —, so sei diese ersteuliche
geschrieben. Um so anerkennenswerter daß sie im Rahmen
Intention gerne anerkannt.
blieb
und nur selten stärkere Akzente in das Spiel brachte, als
Wozu all die mehr oder weniger hitzigen Leitartikel, mehr oder
r.
Der Schmerz des letzten Aktes war jedenfalls sehr weibli
weniger spitzigen Feuilletons, Lokaltermine, Entrüstungsskandale —
erschütternd. Marlies Homann war eine sehr herzig
pour une omelette! Wobei zu bemerken ist, daß ein Omelette von
Freundin. Rudolf Rieth der junge Herr Fritz, wa¬
einem verständigen Koch heiß und schaumig gebacken, der delikate
weichen und symphatischen Organ und seinem an und f.
Schlußpunkt eines leckeren Mahls sein kann, daß sich aber bestimmt
österreichischen Habitus an der richtigen Stelle. Ih
ni nand daran den Magen verderben wird der dies nicht schon an
als skeptischer, von des Gedankens Blässe wenig angek
d#n voraufgegangenen robusteren fleischlichen Genüssen getan hat.
rater Herr Holtz, der sich Viktor Schwanneke mit Ers
Moral- oder Unterleibsangelegenheit swie eine große Berliner Zei¬
bild genommen zu haben scheint. Eine feine Charak
tung den Reigen geschmackvoll wertete)? Freilich, die Schnitzlersche
liebenswerter Einzelzüge bot Carl Schreiner als al¬
Moralität besitzt weder Wedekindschen Fegfeuerfanatismus noch die
und sorgender Vater. Eindrucksvoll war der kurze Au
purgatorische Lebensverschlossenheit einer Reihe von Auchdichtern.
Illigers als „Herr“ während die Szene der Frau Binde
Sie zieht mit anderthalb weinenden und einem halben lachenden
Erland), dieser spezifisch wienerischen Figur, sehr unter der fehlen¬
Auge fatalistisch das Fazit aus einem trotz allem sehr lebensechten
den Gesamteinstellung auf das (immerhin wesentliche) Motiv „Wien“
n und gibt nur leise und diskret den Rat: „Macht's besser!“
leiden mußte.
tzlers Gestalten sind Menschen keine europäischen, aber sehr
Der Beifall des Hanses klang, dem Stücke angepaßt, etwas!
ische Menschen; ihre dramatischen Impulse ersticken meist in
melancholisch.
cholischer Lebensbescheidung, ihr Liebesjubel ist gedämpft durch
F—.
ingsschwere Mollakkorde; was sie tun, tun sie hinter der
Szene. Aber trotzdem — und wohl gerade beshalb, stehen sie uns
nah. Sie ragen in das Leben hinein und zieben darüber hinaus,
Denn die höhere Weisheit braucht nicht unbedingt aus Heroismen
zu resultieren, unaufdringlicher und überzeugender kann sie am be¬
scheidenen. aber darum nicht geringer zu wertenben Treiben des
kleinen Menschels aufgezeigt werden.
Es spricht sicherlich nicht gegen Schnitzler, daß seine nun auch
schon Dezennien alten Stücke heute noch packen (Verzeihung, nein:
h
einen sanften Herzensstoß geven), während man bei Werken anderer
etwa gleichzeitiger Autoren, auch solcher, die mehr Raum in den
Literaturgeschichten beanspruchen, oftmals das Gefühl hat, nach
einem Staubtuch greifen zu müssen.
Die „Liebelei“ die in Weimar neu einstudiert wurde, ist
eins der frühesten Schnitzlerschen Bühnenwerke, könnté aber mit ganz
geringen, rein äußerlichen Abänderungen auch noch auf das Jahr
1920 Bezug nehmen. Der junge Herr von Welt mit der etwas
blasierten Melancholie, der sich nach den stilleren, aber ungetrübten
Genüssen sehnt, die ihm das „süße Mädel“ zu bieten hat, für die
„Andere“ aber sich totschießen läßt
— das „süße Mädel“ mit der
großen Liebe und der Sehnsucht nach dem Glück im Herzen, als
Gegenstück der abgekochtere Freund und die leichtere Freundin mit
sehr rationaler Lebensauffassung, das sind Typen, denen man De¬
kadenz, Rührseligkeit, Leichtfertigkeit und alles andere nachsagen
mag, aber nichts weswegen man sie nicht doch gern haben dürfte.
Einem anderen Autor würde man die Rührseligkeit zum Vorwurf
machen müssen, dem Schnitzler, der mit seinem seingesponnenen und