II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1400

Liebelei
box 12/8
ee e e e e ene
„Liebelei“ und „Loce“
Deutsches. Künstler=Theater.
Und wieder Käthe Dorsch! Sie war das
A und O, oder eigentlich das I und O des Abends:
Zuerst als Christine, dann als Lore. Dort in
Schnitzlers von unbeschreiblich leiser Schwer¬
mut durchwehter Tragödie war sie ganz das liebe
süße Mädel — wie der Dichter es verstanden hat,
mit scheinbar einfachsten Mitteln ein in seiner Art
großes Kunstwerk zu gestalten, mit äußerlich
loser und kaum sichtbarer Handlung eine
ef menschliche Tragödig zu schaffen, so war
Käthe Dorsch ihm ebenbürtig. Denn auch ihre
Wirkungen scheinen völlig ungesucht und natür¬
lich, so daß man nicht im Theater zu sitzen glaubte,
daß man alles wahrhaft mit erlebte. Welch'
eine große Kunst, so scheinbar ohne Kunst zu
spielen! Es erschütterte Käthe Dorsch hier
unser Herz.
So.
in
Hartlebens
„Lore“ unser Zwerchfell. Sie sprühte und spru¬
delte, dieses quecksilberne, kleine Luderchen von
Uebermut Lebenslust. Hier wie dort ein Schöpfen
aus dem frischen Born einer kerngesunden unge¬
wöhnlichen Natur. Der Erfolg war groß, was mehr
ist, er war tief und ohne jede Nachhilfe. Noch als
wir das Haus verließen, brausten im Hörraum
die Beifallsstürme.
Nicht, daß es der Käthe Dorsch Verdienst allein
gewesen wäre. Beide Stücke, „Liebelei“ von Emil
Lind, „Lore“ von Hubert Heinich geleitet, her¬
vorragend gespielt, so gut, daß man über dem
Ganzen fast die Einzelleistung vergaß. Die Damen
Geszner und Hartmann, die Herren Edthofer,
Pröckl, Steinbeck, Klein=Rogge und Bettac boten
ein Zusammenspiel, daß eine wahre Erquickung
war in dieser ensemblelosen, so schrecklichen Zeit.
Zeit.
4. Str.

V42
94. 12
„Liedelei mit Kate Vorsch.
Deutsches Künstlertheater.
Sie mußte es einmal spielen, Arthur Schnitzlers süßes
Mädel. Denn die Vorstadt im deutschen Süden ist für Käte
Dorschs Kunst Heimatland, und ihre Frauen fühlen sich nun ein¬
mal unterm Umschlagtuch am wohlsten. So hat sie niemand ent¬
täuscht, der von starker Kunst einen Hauch verspüren wollte.
Aber sie hat auch, offenherzig zu reden, niemand überrascht.
Diese liebenden Seelen sichern sich nun schon die Bürgschaft ihres
Erfolges, wenn Käte Dorsch sich ihrer annimmt. Kind und
Mutter zugleich sein zu können, ist ihr Geheimnis. Der große
Aufschrei im Schlußakt gehört freilich nicht zu ihrer Ausstattung.
Wenn die Welt über ihr zusammenbricht, dann findet sie stillere
Mittel, ihre Wunden zu zeigen. Niemals aber bezwingt si
stärker, als wenn sie den Herzensmann da vor ihr mit den Blicken
gleichsam ausschöpft. Ahnung und geheimes Wissen, so strömt es
aus diesen Blicken, und Schnitzlers Christine ist, in ihrer Gestalt,
schon im Uebermut des ersten Aktes eine Gezeichnete.
Doch die Bühne da draußen, die nun kein Adalberttheater
mehr, sondern ein Dorschtheater ist, sollte ihr andere Aufgaben
stellen. Kein Wort gegen die „Liebelei". Sie behält, auch wenn
das Pariser Thesenstück sich deutlicher als früher abzeichnet, ihre
Qualitäten als ein Stück Theater, von feinen Händen dargereicht.
Indessen, Käte Dorschs Weg führt nur über die süßen Mädel hin¬
aus zu Shakespeare und Anzengruber, zu Rose Bernd und Hanne
Schäl. Sie steige, bevor sie stehen bleibt!
Es kann getrost auch ein Aufstieg zur Höhe der Posse sein.
Denn gestern hat sie wieder, als Hartlebens „Lore“ gezeigt,
zum allgemeinen Entzücken gezeigt, wie das Derbste diesseits der
Grenze des Gewöhnlichen bleiben kann. Käte Dorsch, ins Ber¬
linische vermummt, mag getrost ein Sopha in die Höhe klettern
oder beim Abschied Mephistos Wappen zeigen — sie bleibt immer
eine Bürgerin der Vorstadt, aus einem blitzsauberen Zimmer. Ihr
Lachen hält sogar für ein paar Minuten Hartlebens Einakter frisch,
der am Ende freilich nach abgestandenem Flaschenbier schmeckt,
trotz seiner Herkunft aus zwei klassischen Novellen.
Unter den Wiener Studenten fand sie wirksamere Partner als
unter den Berliner Commilitonen. Denn Edthofer, als Schnitz¬
lers Fritz, hatte in seiner Sprödigkeit einen glücklichen Abend: er
entdeckte die Hilflosigkeit der taumelnden Jugend in seinem Viel¬
geliebten. Pröckels sicherer Humor fand in einem jungen Fräu¬
lein Adrienne Geßner eine frische Kameradin und Emil
Linds Vater Musikus tat im Segnen und Ausgleichen, was ein
guter Regisseur tun muß.
A4
MAA AL
22. 22
sm „Christine“ und „Tore“.
Künstlertheater.
Was die Dorsch als ein süßes Mädel von Schnitzler und als ein
herberes Mädel von Hartleben gibt, soll noch im einzelnen gesagt
werden. Sie hat Menschen wiederum erschüttert. Sie dankten ihr
K r.
stürmisch.