II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1406

Liebelei
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BERLIN SO 16. RUNGESTRASSE 22-24
Deutsche Zeitung
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Ausschnitt aus der Hummer vom:
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neugiervoll betrachten wir diese müden Menschen ohne Gefühl,
ohne Seele, diese von Selbstverhätschelung Angekränkelten und
Käthe Dorsch weint und lacht.
Verdorbenen, die das Leben so stolz zu meistern wähnen, wäh¬
rend das Leben sie wegwirft, beiseite stößt und zerbricht.
Schnitzlers „Liebelei" und Hartlebens
Wir können um diesen Zusammenbruch es unmöglich schade
„Lore.“
finden, weil nichts an ihnen war, was das Erhalten verdiente.
Der trauerumflorte letzte Akt mit dem Blick auf ein eben ver¬
Deutsches Künstlertheater.
schüttetes Grab und ein anderes vernichtetes, kaum reises
Es ist bezeichnend für den Mangel an echtem Können, an
Menschenleben dünkt uns allenfalls rührsam, keineswegs aber
Frucht wirkenden, wahrhaft schöpferischen Fähigkeiten der vor¬
vermag er uns als Tragik oder als Schicksal irgendwie näher
vergangenen Generation, daß die Werke der im Läufe des
anzugehen und zu ergreifen. Das alles erhebt uns nicht, und
Jahres laut geseierten Sechzigjährigen, ihrer einst führend ge¬
wir sind froh, als es endlich vorüber.
wesenen Vertreter, die vor rund einem Menschenalter das
Auch die von Emil Lind in Feinhelt zusammengestlmmte
Bühnendramagund sogar die Literaturgeschichte beherrschten, für
unser heutiges IEmpfinden überwiegend bereits — eine dicke
Aufführung kann den Versuch der Wiederbelebung nicht recht¬
fertigen. Alle geben sie sich die redlichste Mühe, aus dieser
Staubschicht asgesttzt#haben. Gewiß, auch äußere Verhältnisse,
Wenigkeit einen Inhalt zu schöpfen: Anton Edthofer und
Entwickelungch, wissie so einschneidend vordem kaum je ge¬
Ernst Pröckl, die beiden in Liebe flanierenden „jungen
wesen sein nchen, Hielen dabei eine wesentlich mitbestimmende
Leute“ vom Typ des Schnitzlerschen Nichtstuers Anatol, Emil
Rolle. Wenkrieg und Revolution trennen in hart eingreifender
Lind als das Recht auf „Erinnerung“ bejahender und so die
Prägung alle Vergangenheit, die noch vor wenigen Jahren
Techter in ihr Verderben enklaufen lassender Vater Weiring
unser eigenes Erleben war, von den ganz anders gewordenen
und Adrianne Gessner als frechnasig fesche Modistin. Sie
Wirklichkeiten der von uns jetzt durchlittenen Epoche.
alle brachten nicht fertig, aus einem Stück, das Dichtung nicht
Dennoch — das allein kann den Eindruck der längst überwunde¬
und nie tiefere Wirklichkeit war, den Funken des Lebens zu
nen Vorgeschichtlichkeit nicht hervorrufen. Aus der Schaffens¬
schlagen. Und wäre nicht Käte Dorsch das süße Mädel ge¬
welt nicht nur der Klassiker oder auch eines uns zeitlich
wesen — der Abend hätte in Trockenheit einstauben müssen.
unmittelbar näher stehenden Hebbel — sondern auch uns
Sie allein holt mit lieber Stimme und lieber Gebärde aus dem
den immer noch Einklang wirkenden Offenbarungen
Wiener Kind, das dem ersten Schicksal zum Opfer fällt Mensch¬
anderer, die mit ihnen gleichzeitig waren, die für uns demnach
lichkeit vor, zumal im letzten Aufzug mit einem erschütternden
in gleich gefühlter Weise überwunden sein müßten, eines Ibsen
Schreien wilder, gänzlich fassungsloser Verzweiflung, das in ein
oder auch Strindberg, eines Tolstoi und Gorki selbst vermag uns
leiser und leiler werdendes hilfloses Weinen perebbt. Bis
Wärme entgegenzuschlagen während ein Hauptmann etta oder
dahin die Ausdrucksmittel klug zurückhaltend, wird sie in dieser
nun gar der gestrige Schnitzler uns kalt entläßt. Richtet das nicht
Schlußszene vollendete Künstlerin und unerreicht groß. Ge¬
vielleicht doch die Leistungskraft der vom dekadenten Geschmäck¬
dämpftes Saitenspiel, jäh aufkreischend und zerreißend in der
lertum heruntergezerrten Jahrhundertwende, die geringe Geistig¬
Grelle der vom Leben her in alle Traumschönheit erbarmungs¬
keit ihrer so rasch vergänglichen Werte?
los hineinfahrenden Dissonanzen. So täuscht sie über die Leere
Was hat uns denn diese mit ihren süßen Mädeln und jun¬
des Werks, daß man fast vermeint, Tragik in ihm zu ver¬
gen Leuten, deren Beruf ein die Stunden möglichst genußreich
nehmen.
verbringendes Nichtstun ist, Zustandsschilderung eines fremd ge¬
Gleichwohl ist sie uns in des Otto Erich nachfolgender
wordenen Stimmungsumkreises schaffende „Liebelei“ Er¬
burlesker Komödie „Die Lore“, dieser lust'aen Geschichte vom
fahrenswertes zu sagen, was schwingt darin an Gefühl, das uns¬
abgerissenen, ein Liebeserleben zu jäher Vergänglichkelt ent¬
inniger zu berühren vermüchte, was daran sollte als bittere Tra¬
cheldenden Knopf, ungleich willkemmener gewesen. Diese gäne¬
gik die Herzen ergreifen? Wir spüren nur, daß hier etwas Gewele¬
lich unerzogene, aus der Rolle der Dame immer wieder ent¬
nes, etwas — Verwesenes ist, das eigentlich niemals rechte Jugend
gleisende leckere Range, die immer erm#denden Mundwe#ks
besaß und die Verwesung schon in sich trug, da es — nicht etwa
ihre Geschichten, die ihr doch keiner glarbt nur so herunter¬
im Herzen, sondern vielmehr im Verstand seines Schöpfers Ge¬
flunkert und im Erzählen, hingerissen von ihrem Temperament,
stalt nahin und wurde. Diese sich selbst so angenehm
vom Sofasitz sich höher und höher versteigt, bis auf die geschweifte
in Schwermut ge¬
bespiegelnde Leichtsertigkeit einer
Lehne, die ihre fertige Erfahrung in die unbestreitbare Lebens¬
fälligen „Hypochondrie der Liebe“, dieses Plätschern in
weishelt zusammenfaßt, daß ein abgerissener Knopf an der eigenen
Untiefen, dieses hohlköpfige und gemütsarme Schwär¬
men von Lust in Genuß — was geht das alles uns an, da die Bluse noch immer it weniger schlimm, als eine im Hirn des
Wirklichkeit so ganz anders stählern geworden. Ein wenig] Nächsten locker gewordene Schraube — das ist doch etwas Hand¬
festes wenigstens, woran man 3
sich dann von dem einstigen Lic
bloß verdorben“ mit einem hold
den minnigen Kuß, sodann von d
„Gegenwart“ mit ausgestreckter
verabschieden tut, um mit dem F
in Arm sich der neuen Liebe entgeg
tigt von so viel selbstverständl
Wandlungen doch niemals vom
keit dieses süßen Krötchens. U
Feuer zu lichterlohem Brande e
In
lächelnd erhabene Fleg
Erichs mit ganz besondere
bild, und Walther S
Vetter mit der aufgebürsteten
heit: das ergab für den flüchtig
Quarteit, dessen lustigen Kapri
ungemeines Vergnügen bereiten
„Gretchen“ des Lessing=Theaters
füllung mit so viel entzückender
lichkeit würdiger entsprächen.