Liebelei
box 12/8
—
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschutte
Berlin NO. 45, Georgenkirchplats 21
Zeitüng
v. Seurier
Ort:
2•1 MN 19.5
Datum:
Shhnißzlers „Libesei“ im Resigenstheater.
ß man die Kerzen ines kleinen Festes(anzündst; Daß hav,
sich ih dem Zimmer eines kleinen Mädchens wohlfühlt; während“
man anderen Tagas sterbei wird. Und daß der, den man ganz
liebte, fortgehen kaur garz und gar forl, bis unter die Erde.
ohne ein Wort und für eine andere. Dies ist der Inhalt von
Schnitzlers Schauspiel.
Die Melancholie um ein Glück, an das man nur mehr
frielend rühren kann. Der Tod für ein Glück, das einen auch nur
flüchtig und wie von fern berührte. Ins Dunkel gehen ohne ein
Wort, einen Laut, eine letzte Innigkeit zu der einen noch zu der
anderen Frau. Dies ist der Teil des jungen Herrn Fritz. Ein
erstes und ganzes Erblühen der Liebeskraft, ein Nichtmehrweiter¬
wollen und ekönnen nach der ersten Enttäuschung. Das ist der
Teil der kleinen Christine.
Stimmung, Grazie, Feinheit, Dämpfung, Bindung, stille
Schönheit, Wiener Luft und Wärme ist alles. Und aues das,
was die gestrige Aufführung im Residenz=Theater nicht hatte.
Bald konversationsmäßig, bald, wo er Gefühl versuchte, von
dicker Sentimentalität der Fritz Ewald Schindlers.
Immer irgendwie zu platt und behaglich. Vielleicht wissend, was
hätte werden sollen, aber seine Natur nicht in solche Rolle um¬
zwingen könnend. Nicht glücklicher Charlotte Kolb als
Christine. Sie versuchte es von Gretchen aus. Blieb aber ein¬
tönig, schwerflüssig und brachte weder ein Wiener Mädel, noch
die letzte liebliche Schönheit dieses Schicksals und Fühlens
heraus.
Was half es, daß Nebengestalten mehr gaben. Käthe
Grote spielte sprachlich und charakterlich lebendig und sicher
eine vorzügliche Mizi. Paul Bohne gab als Christinens Vater
die Probe einer reifen, verinnerlichten Darstellungskunst. Karl
Haaß zeichnete in knappem, wirksamem Umriß die Situation
der von Friz Betrogenen. Auch Märtens Theodor hätte man
allenfalls gelten lassen.
Aber das Wiener Herz, das Herz war dem Schnitzlerschen
Spiel ausgebrochen und eine völlige Neuüberlegung des Spiel¬
leiters Direktor Schindler täte not. Sinn und Wert der gestrigen
Aufführung fanden wir nicht.
Sa.)
Kole & eiide.
Bureau für Zeitungsausichnitte
Berlin 110. 45, Gzorgenkirchpiatt 11“
Arreigen
Zeitung: —
Hannoye
0rt: —
1045
5
90
+
Reldenz-Beur.
Schnitzler „Liebelei“.
Neu äufgewärmt und ein bißchen umgarniert be¬
kamen wir wieder einmal die übersüßte Speise dieses
tragisch sein sollenden Schauspiels zu kosten. Je älter
es wird, um so mehr ähnelt es einer koketten Junge
fer, die durch laute Lllüren ersetzen will, was ihr an
innerer Feinheit fehlt.
Die sogenannte Tragik der „Liebelei“ ist Zufall.
Die Personen haben keine individuelle Prägung, der
Schluß übrezeugt nur dann leidlich, wenn eine Dar¬
stellerin von außergewöhnlichem Temperament die
Rolle der Christine führt. Charlotte Kolb ist
diese Christine trotz guter Anläufe nicht. Sie litt wie
alle andern unter dem regielichen Hauptfehler der
Aufführung: die Sentimentalität noch zu unter¬
streichen, enstatt sie mit einfachster Natürlichkeit zu
überdecken. Dies gelang nur Paul Bohne als
Weiring, der eine spröde, lebensferne Musikergeste in
sein Spiel flocht und so, ohne zu übertreiben am
stärksten von allen packte. Leider hatte ihn die Regie
in der Schlußszene so unglücklich gestellt, daß er wirk¬
lich nicht mehr wußte, was er noch mit sich anfangen
sollte. Direktor Ewald Schindler als Regisseur
und als Fritz Lobheimer gab in dieser Rolle einen
routinierten, aber gefühlsoligen Karl=Heinz. Käte
Grote gelang am Schluß ein schönes innerliches
Schweigen. Willy Märtens paßte zu seiner
Rolle wie ein Konzertflügel zu einem Heuschober. Er
ist ein guter Wedekindspieler, aber gestern war er
stets um eine Person zu viel auf der Bühne.
Das Stück wurde vom gutbesetzten Hause dankbar
aufgenommen.
Dr. Th—ss.
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Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschutte
Berlin NO. 45, Georgenkirchplats 21
Zeitüng
v. Seurier
Ort:
2•1 MN 19.5
Datum:
Shhnißzlers „Libesei“ im Resigenstheater.
ß man die Kerzen ines kleinen Festes(anzündst; Daß hav,
sich ih dem Zimmer eines kleinen Mädchens wohlfühlt; während“
man anderen Tagas sterbei wird. Und daß der, den man ganz
liebte, fortgehen kaur garz und gar forl, bis unter die Erde.
ohne ein Wort und für eine andere. Dies ist der Inhalt von
Schnitzlers Schauspiel.
Die Melancholie um ein Glück, an das man nur mehr
frielend rühren kann. Der Tod für ein Glück, das einen auch nur
flüchtig und wie von fern berührte. Ins Dunkel gehen ohne ein
Wort, einen Laut, eine letzte Innigkeit zu der einen noch zu der
anderen Frau. Dies ist der Teil des jungen Herrn Fritz. Ein
erstes und ganzes Erblühen der Liebeskraft, ein Nichtmehrweiter¬
wollen und ekönnen nach der ersten Enttäuschung. Das ist der
Teil der kleinen Christine.
Stimmung, Grazie, Feinheit, Dämpfung, Bindung, stille
Schönheit, Wiener Luft und Wärme ist alles. Und aues das,
was die gestrige Aufführung im Residenz=Theater nicht hatte.
Bald konversationsmäßig, bald, wo er Gefühl versuchte, von
dicker Sentimentalität der Fritz Ewald Schindlers.
Immer irgendwie zu platt und behaglich. Vielleicht wissend, was
hätte werden sollen, aber seine Natur nicht in solche Rolle um¬
zwingen könnend. Nicht glücklicher Charlotte Kolb als
Christine. Sie versuchte es von Gretchen aus. Blieb aber ein¬
tönig, schwerflüssig und brachte weder ein Wiener Mädel, noch
die letzte liebliche Schönheit dieses Schicksals und Fühlens
heraus.
Was half es, daß Nebengestalten mehr gaben. Käthe
Grote spielte sprachlich und charakterlich lebendig und sicher
eine vorzügliche Mizi. Paul Bohne gab als Christinens Vater
die Probe einer reifen, verinnerlichten Darstellungskunst. Karl
Haaß zeichnete in knappem, wirksamem Umriß die Situation
der von Friz Betrogenen. Auch Märtens Theodor hätte man
allenfalls gelten lassen.
Aber das Wiener Herz, das Herz war dem Schnitzlerschen
Spiel ausgebrochen und eine völlige Neuüberlegung des Spiel¬
leiters Direktor Schindler täte not. Sinn und Wert der gestrigen
Aufführung fanden wir nicht.
Sa.)
Kole & eiide.
Bureau für Zeitungsausichnitte
Berlin 110. 45, Gzorgenkirchpiatt 11“
Arreigen
Zeitung: —
Hannoye
0rt: —
1045
5
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Reldenz-Beur.
Schnitzler „Liebelei“.
Neu äufgewärmt und ein bißchen umgarniert be¬
kamen wir wieder einmal die übersüßte Speise dieses
tragisch sein sollenden Schauspiels zu kosten. Je älter
es wird, um so mehr ähnelt es einer koketten Junge
fer, die durch laute Lllüren ersetzen will, was ihr an
innerer Feinheit fehlt.
Die sogenannte Tragik der „Liebelei“ ist Zufall.
Die Personen haben keine individuelle Prägung, der
Schluß übrezeugt nur dann leidlich, wenn eine Dar¬
stellerin von außergewöhnlichem Temperament die
Rolle der Christine führt. Charlotte Kolb ist
diese Christine trotz guter Anläufe nicht. Sie litt wie
alle andern unter dem regielichen Hauptfehler der
Aufführung: die Sentimentalität noch zu unter¬
streichen, enstatt sie mit einfachster Natürlichkeit zu
überdecken. Dies gelang nur Paul Bohne als
Weiring, der eine spröde, lebensferne Musikergeste in
sein Spiel flocht und so, ohne zu übertreiben am
stärksten von allen packte. Leider hatte ihn die Regie
in der Schlußszene so unglücklich gestellt, daß er wirk¬
lich nicht mehr wußte, was er noch mit sich anfangen
sollte. Direktor Ewald Schindler als Regisseur
und als Fritz Lobheimer gab in dieser Rolle einen
routinierten, aber gefühlsoligen Karl=Heinz. Käte
Grote gelang am Schluß ein schönes innerliches
Schweigen. Willy Märtens paßte zu seiner
Rolle wie ein Konzertflügel zu einem Heuschober. Er
ist ein guter Wedekindspieler, aber gestern war er
stets um eine Person zu viel auf der Bühne.
Das Stück wurde vom gutbesetzten Hause dankbar
aufgenommen.
Dr. Th—ss.