II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1418

Liebelei
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den ennennennenenennn.
Klose & Seidel
Bureau für Zeitingsausschnitte
Berlin N0. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
Seitung
Ort:
Oppeln 112-
Datum:
8 J4 1000
Stadttheater.
„Liebelei“
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler. Regie:
H. B. Benedirt.
Schnitzlers Werk „Liebelei“ ging gest##n vor ausver¬
kauftem Hause erstmalig in Szene. Seit einem halben
Jahre ist der Name des Wiener Bühnenschriftstellers un¬
unterbrochen in der Oeffentlichkeit. Allerdings nicht wegen
großer Bühnenerfolge, sondern wegen seinem berühmt¬
berüchtigten „Reigen“. Aber sollten vielleicht gestern Be¬
sucher der Premiere „Liebelei“ so etwas ähnliches wie
„Reigen“ erwartet haben, so ist ihnen eine angenehme Ent¬
täuschung widerfahren.
„Liebelei“ ist ein für die Bühne direkt geschaffenes
Werk. O' wohl das Theme das der Dichter behandelt schon
sehr abgebraucht ist, so wirkt es, dank der Gegenüberstellung
der Extreme, stark, wenngleich nicht durchschlagend. Schnitzler
stellt zwei verschiedene Lebensanschauungen auf die Bühne,
Menschen, die das Leber von der leichten Seite und
Menschen, die das Leben von der schweren Seite nehmen.
Theodor Kaiser ist ein Mensch, der das Leben, aber
vor allem die Liebe, sehr leicht nimmt. Diese Rolle spielte
Herr H. B. Benedikt. Er machte seine Sache gut. Er
fand sich in der schweren Rolle gut zurecht, spielte den
blasierten Menschen vorzüglich. Dus Gegenstück Kaisers
war Fritz Lobheimer. Diese Rolle wurde von Herrn Ernst
Lüttwann getragen. Ernst Lüttmann konnte den An¬
forderungen, die der Dichter stellte, nicht voll gerecht werden.
Er verriet in seinem Spiele Unsicherheit, er wußte mit dem
komplizierten Menschen Lobheimer nicht viel anzufangen.
Dasjenige, das jedoch im Rahmen seines Könnens lag,
brachte er vorzüglich. Vera Gehring spielte die Christine
Weiring. Christine ist ein Weib, durchdrungen von Liebe.
Christine liebt den Fritz mit der Kraft ihrer ganzen Seele,
mit der grenzenlosen Hingabe der Persönlichkeit. Christine
fordert von der Darstellerin viel, fast allzuviel. Es war
gewagt diese Rolle Frl. Vera Gehring zu übergeben, aber
die junge Künstlerin hat nicht versagt, wenn sie auch der
Rolle nicht zum durchschlagenden Erfolge verholfen hatte.
Die Hauptaufgabe für die Künstlerin lag in dem letzten
Akte. Dort hat sie ein Weib mit dem ganzen unfaßbaren,
zur Verzweiflung treibenden Schmerze darzustellen. Diese
Stellen fordern umfassendes Können und die Beherrschung
der dramatischen Darstellungskunst. In mimischer Beziehung
siegte Vera Gehrings Geist über die Materie. Aber mit der
Mimik untrennbar verbunden ist die Sprache. Und an
manchen Stellen erwiesen sich die Stimmittel der Künstlerin
zu schwach. Wollen wir hoffen, daß auch dieser Fehler,
der den letzten Schliff verhindert, bald verschwindet. Frl.
Edith Schirmer als Mizzi Schlager war sehr gut. Sie
spielte rasch, temperamentvoll, erfaßte die ihr zustehende
Rolle ganz, trug manchmal (insbesondere im ersten Akt)
viel zu stark auf. Betty Werner als Binder errang
sich einen großen Erfoig, wie auch Martin Ederer als
Hans Weiring.
Einige Wocte noch. Das Stück „Liebelei“ ist von einem
Wiener Schriftsteller, es verkörpert das Wiener Leben, es
spielt in Wien, warum bemühten sich die Darsteller nicht,
den Wiener Ton, der für das Stück ausschlaggebend ist, zu,
—0—
finden?
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschults
Berlin H. 47, Geuigenhirchgtatn #
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1922


eeneen eeneene
( Schnihlers „Liebelei“ als Oper.
Es gab einmals eine Zeit, in###'sich um die tragische
Geschichte der Christine Weixing arnsthafte literarische
Kämpfe entspannen. Das war vamals, als der „Na¬
turalismus“ (mit dem Schaitzler im Erunde nur recht
wenig zu tun hatte) und das Milleubramg erst ihr
Recht auf der Bühne erkämpfen mußlen. Leute, nach
25 Jahren, gehört das schon beinahe der Literatur¬
geschichte an und wir finden es ganz in der Ordnung.
wenn das jiede, rührsamo alte Stückchen plötlich seine
Kufersiehung als Oper feiern soll. Ob ihm freilich in
der neuen Gestalt ein ewiges Leben beschieden sain
wird, muß dahingestellt bleiben; dazu mag sich der
Musikreserent äußern, dem hier nicht vorgegriffen
werden soll.
Es ist begreiflich, daß der Stoff einen Komponisten
reizen konnte. Die Mimi und Musette aus der Pariser
Bohème haben glänzend eingeschlagen, warum sollte es
mit den Wienerinnon Christin' und Mizzi Schla#er nicht
ebensogut glücken? Ein bißchen Gewaltsamkeit gehört
ja dazu, diese Wiener Junggesellengeschichte aus dem
letzten Jahrzehnt des verflossenen Jahrhunderts plötz¬
lich in die Biedermeierzeit zu verlegen; auch dabei
wirkte wohl die Erinnerung an das zugkräftige Var¬
bild ein wenig zu stark. Und der Eindruck, daß die
Kleinigkeiten des Alltags, ausgedrückt noch dazu in der
Sprache des Alltags, ohne Rhythmus, ohne dichterische
Verklärung, in der Musik erst recht trivial wirken,
wird durch die historischen Kostüme nicht gebannt.
Für heute soll hier nur der äußere Eindruck fest¬
gesiellt werden. Dos Publikum wurde von Akt zu Aht
sichtber wärmer. Nach dem zweiten Akt konnte Reina
Backhaus, die der Christine eine zarte Lieblichkeit
verliehen hatte, die erste Blumenspende in Empfang
nehmen und sich mit ihrem Partner Fredy Busch wie¬
derholt dankend verneigen; am Schluß aber rief anhal¬
tender und starker Beifall mit den übrigen Darstellern,
Richard Ludewigs als Vater Meiring, Elly Gla¬
[ditsch als Mizzi Schlager. Ernst Claus als Theodor,
Margareie Neff als Nachbarin und Franz Hahn als
dem namenlosen Nächer seiner Ehre, auch den Kapell¬
meister Otto Selberg und den Oberregisseur Julius
Prischke vielmals auf die Bühne. Es war unzweifel¬
haft ein flärker äußerer Erfolg.