II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1433

Liebelei
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ESSLET
Volksstimme
Ma##tieburg
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Aus diesem Zwiespalt erklärt sich jene tiefe Melancholie, die wie hier die komplizierte Frau umrissen!
Kleines Feuilleton.
alte Musiker über seine Tochter und zu
ein Schleier über seinen Werken liegt.
vollkommen, um ihn ganz rund und
Seine Technik ist der des französischen Malers Degas
Liebelei.
feinem Geschmack wird aller naturalistif
verwandt, der alles, was er schuf, wie durch einen Schleier ge¬
sehen hat. So in seiner Erstlingsarbeit „Anatol“ so erst Milieuschilderung vermieden. Keine F
Artnx Schnitzler ist durch den „Reigen“=Prozeß zu
haben sie dankbare und bedeutende 9
recht in „Liebelei“, die schon über fünfundzwanzig Jahre alt
einer peinlichen Veruhmrheit gelangt. Mit einem Schlag ist er
wahrhaftig von wenig modernen Bühne
ist. Alles, was kraß realistisch im unangenehmen Sinne des
aktuell gewerden nachdem ihn die neuste literarische Mode be¬
Es wurde aber auch gespielt wi
Wortes ist, spielt hinter der Szene. Fritz, dem jungen Lebemann,
reits in den Hintergrund gedrängt hatte. Daß man wieder auf
Man scheut sich fast, einzelne zu nenne
der sich mit einem Ehebruchsabenteuer die Nerven zerrüttet, hat
ihn aufmerksam geworden, ist erfreulich, nur hätte man ge¬
Leistung in das Gesamtspiel ein. A
sein Freund Theodor ein Mädel aus dem Kleinbürgerstand zu¬
wünscht, daß es auf andre Art geschehen wäre als in der Form
gesetzt zu haben, reiche und warme M
geführt, „zum Ausruhen". Zwischen zwei Frauen, einer an¬
einer Sensation für Revolverblätter. Zu seiner Ehre sei es
Lothar Bühring unterstrich die ##
spruchsvollen, komplizierten, „unverstandenen", und der ganz
gesagt, daß er die Aufführung des „Reigens“ nicht gewünscht hat,
Fvitz stark, aber nicht aufdringlich,
schlichten, rührend hingebenden, ganz unberechnenden, pendelt
weil er nur zu gut wußte, wie leicht mit diesen ausgezeichneten
Bettelheim eine Gegenspielerin t
er unschlüssig. Ein ähnliches Thema also wie das von
sexualpsychologischen Studien, mit dieser künstlerisch und des¬
Einführungsvermögen. Sie versteht
„Gabriel Schillings Flucht". Aber bei Schnitzler be¬
wegen auch sittlich einwandfreien, ja wertvollen, Analyse des
Affektiertheit und billigen Kulissenmä
wegt sich die Tragik in festern, gesetzmäßigern Bahnen. Sie
Geschlechtslebens Mißbrauch getrieben würde. zumal jetzt in der
legen und zu steigern. Herzensnot sch
folgt einer sozialen Linie. Das Leben, das der liebenden kleinen
Nachkriegszeit, da alle Instinkte für die greöbsten, materiellsten
daß man im Theater saß; man wurde
Musikertochter gehören müßte, wirft er dem Ehrenkodex der vor¬
Genüsse geschärft und für alles Symbolische, Geistige abgestumpft
leben mit hineingerissen. Lilli Me
nehmen Gesellschaft hin. Das Faustrecht, das ihn dem beleidigten
gind. Denn nur eine Gesellschaft, die, unfähig die Idee eines
Daehn verkörperten die muntern Ge
Gatten ausliefert, verschlingt ihn wie ein Moloch. Dem kleinen
Kunstwerks aufzunehmen, sich an den Stoff anklammert, wird
wienerischen Leichtsinn, den sie üb
Mädel wird nicht allein das Duell verschwiegen, sondern auch der
verkennen, daß ihr selber vom Dichter der Spiegel vorgehalten,
wußten, selbst im Dialekt. Uebrigens i
Tag des Begräbnisses — der Freund, den man schließlich wider
daß gezeigt wird, wie das heiligste Band, das Menschen unter¬
ragend guter Sprecher. In den kleiner
seinen Willen hereinzerrt, hat ja soviel zu erledigen gehabt:
einander verknüpt, zu einer Quelle von Schmutz und Gemeinheit
den Rollen der Nachbarin und des be
die Eltern benachrichtigen, die Verwandten ..
Gestorben ist
herabgewürdigt wird.
Frieda Helm und Pichon Gutes, un
er für eine andre, hinterlassen hat er ihr keine Zeile. Sie war
mit Fritz Schmith als Musiker zufrie
Schnitzler ist also ebensogut Gesellschaftskritiker wie Ibsen,
nur Episode, Zeitertreib, Liebelei für ihn — er für sie Lebens¬
seine Rolle nur ein klein wenig besser
inhalt.
Strindberg, Hauptmann. Er ist nur stiller und feiner. Das
hemmte ihn die Unsicherheit und zwang
lutherisch=germanische Dreinschlagen mit der Faust ist ebenso¬
Das ist eine Katastrophe, die nicht vieler Worte bedarf, um
Kasten zu einer Solorolle. Schade!
wenig seine Sache wie das Brennen mit der Aetznadel der Ironie,
zu überzeugen. Wir wissen alle viel zu gut, wie tief ihre
diesmal zu gut gemeint und die Musike
Wedekinds Verfahren. Er hat es einmal mit einem der üblichen
Wurzeln in den Unkrautboden unsrer sozial zerrütteten Gegen¬
blitzneuen Biedermeiermöbeln aussta
polternden Tendenzdramen versucht, um die klerikale Verfol¬
wart hinabreichen. Da wird kein neurafthenischer Einzelfall ge¬
bespannung des ersten Aktes war nich
gungswut gegen das Judentum zu geißeln. Es gelang ihm
zeigt wie neulich von Hauptmann, sondern eine Pestbeule am
aber durfte man mit dieser Vorstell
nicht: sein „Professor Bernhardi“ ist lahm, künstlich, gestelzt.
Körper der Gesellschaft. Nur ein unendlich feinnerviger Künstler
Wir könnten mit den gegenwärtigen
Er kennt wie kaum einer die Welt des Müßiggangs, in der man
konnte das so zartfühlend tun, wie es hier geschehen ist. Es
leisten, wern uns der Spielplan nicht i
lieber die größte Niederträchtigkeit begeht, um die Langeweile zu
kommt kein häßlicher Mensch und kein schlechtes Wort in diesem
verbannen, als dies auf die einzig moralische Art zu tun, näm¬
Stücke vor, das doch nichts verhäßlicht oder beschönigt. Welch er¬

lich durch Arbeit. Das eigentümlich Schillernde seines Stiles
staunliche Knappheit! Schnitzler ist auch im Weglassen groß. Die
besteht darin, daß er, ohne die bestrickenden Reize einer unter¬
vornehme Frau, die die Katastrophe verschuldet, tritt überhaupt
nicht auf, ihr Gatte nur für eine Minute, aber was er sagt und
gehenden Kukturschicht preiszugeben, doch ihre Fäulnis brand¬
tut, ist in der plastischen Gedrängtheit musterhaft — eine Szene,
markt. Er ist, ähnlich wie Oskar Wilde, einer von jenen seltenen
wie wir in der ganzen modernen Bühnenliteratur nur wenige
Richtern, die eine Träne zerdrücken, wenn sie ein Todesurteil
haben. Hier und am Schluß, als der Freund die Nachricht von
fällen müssen. Er möchte Anwalt sein, der für mildernde Umstände
plädiert, indem er alle Vorzüge des Wienertums zu bedenken
Versenteder sah erisen, der die Tuagsbie des sihzen Mäbeis
gibt, wie jener athenische Fürsprecher von seiner Angeklagten den
Mantel herunterzieht, um den blendenden Leib der Pheyne an¬
so liebevoll einhüllt. Wie wenige Worte genügen, um einen
Menschen zu charakterisieren! Was wird alles über die Frauen
statt seiner Worte in die Wagschale zu werfen. Aber die Wahr¬
haftigkeit, die höchste Dichtertugend, zwinat ihn zum Richteramt.ldes Gabriel Schilling geredet, mit welch svärlichen Andeutungen!