II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1450

Liebelei
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dem allgemeinen Maßstab einschätzen, wenn man sich ein Gegengewicht gegen
das feiner organisierte Empfinden schaffen will. Es ist das Milieu der leichtlebigen
und leichtsinnigen Wiener Welt, in das Schnitzler uns führt, als dessen besondere
Erscheinung er den Typus des „lieben süßen Mädels“ schildert, dem man in manchen
seiner dramatischen und novellistischen Arbeiten begegnet. Aber diese ganze etwas
wurmstichige Leichtlebigkeit dient hier nur als Folie für Christine und ihren Vater,
die beide in der Innigkeit ihres Empfindens unberührt sind von dem demoralisierenden
Leichtsinn des L.ebensgenusses, beide, in ihrer Entsagungsfähigkeit und Liebes¬
leidenschaft, zu schwach zum Leben. Von besonders feiner Kunst zeugt es, wie
der Dichter verstanden hat, den tragischen Unterton in dic Fröhlichkeit des ersten
Aktes hineinklingen zu lassen und ihn als Grundnote des Schauspiels festzuhalten:
wie über die Realistik der alltäglichen Vorgänge, wo mehr verschleiernd angedeutel
als brutal enthüllt wird, der zarte Duft und Hauch einer elegischen Melodie,
die schwermütige Grazie einer resignierenden Weltanschauung gebreitet ist. Eine
milde gütige Weisheit des Verstehens und Verzeihens überstrahlt versöhnlich
diese kleine erschütternde Tragödie des Alltags.
Arthur Schnitzler (geb. zu Wien am 15. Mai 1862) gab noch vor seinem
dreißigsten Jahre den ärtzlichen Beruf auf, um sich ganz seinem dichterischen
Schaffen zu widmen. Als Schilderer des Wiener Lebens wurzelt er zunächst im
Wienerischen. In feinen psychologischen Impressionen geht er den zartesten
scelischen Regungen nach und weiß Umwelt und Innenwelt durch die verborgenen
Reize der Stimmung in intimste Beziehung zu setzen, wobei er meist die stärkeren,
gewaltsamen Akzente vermeidet. Geistreiche Reflexion und überlegene ironie
geben vielen seiner Werke ihre charakteristisch pointierte Note; seine weiche, leise,
nachdenklich träumerische Art zeichnet die Regungen des Menschenherzens mit
diskreten Farben. Uber Ironie und Reflexion. Frivoles und intime Seelenschilderung
breitet die taktvolle Anmut seiner Poesie ihren vergoldenden Schimmer, und eine
schwermütige Grazie liegt auch über der Lebensanschauung, die aus vielen seiner,
um den Sinn des Daseins sich bewegenden Schöpfungen herausklingt: freudige
Daseinslust nicht minder als eine elegisch müde, lächelnde Resignation voll sanft
lächelnder Weisheit. Vornehm und elegant, voll lyrisch nachdenklicher Melancholie
des Herzens ist die Kunst Schnitzlers, in der, wie Alfred Kerr treffend sagt
„Innigkeit und Eleganz, Weichheit und Ironie. Weltstädtisches und Abseitiges, Lyrik
und Föjetonismus, Lebensraffinement und volksmäßige Schlichtheit, Österreicher¬
tum und Halbfranzésisches, Schmerz und Spiel, Lächeln und Sterben durch¬
W. F.
einanderfluten“.
(SRLSS

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