II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1458

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Liebelei
den den enee enen
8. Berlis,
1 5. Okt. 1925
Komödie der Liebe.
Schnitzlerabend im Staatl. Schillertheater.
Fritz hätte nicht mit der Christine liebeln sollen. So etwas
jehört sich nicht. Einem Menschen bricht man kein Herz wie
eine Feldblume, die dem Vergnügen der Sonntagsausflügler
gewidmet ist. Als Christine ihn kennen lernte, dalberte Fritz
noch mit einer verheirateten Frau umher. Das ist auch nicht
einwandfrei, vor allen Dingen gefährlich, mitunter tödlich, wie
hier. Der eingesetzte Ehemann verlangte Recht und Nache von
dem Draufgänger=Studiosus. Fritz klappte die Hacken zusammen
und wollte dem Recht genügen, indem er sich dem beuntreuten
Ehemann zur Verfügung stellte. Der Nache unterlag der gute
Junge im Duell. Natürlich löste sich daraufhin Christine in
Schmerz und Trauer auf, weil ihr die Sache mit Fritz kein
Spaß, kein Zeitvertreib, keine Liebelei gewesen war, sondern erste
Liebe. Was macht Christine? Sie wird ihm vom Diesseits zum
Jenseits folgen, da ihr sein Tod sehr, vielleicht ein bißchen zu
nahe geht.
Jürgen Fehling, der große Stimmungsakustiker, insze¬
nierte Schnitzlers süßliche Empfindlichkeit des Wienertums
„Liebelei“ mit leichten Späßen auf die damalige Zeit und
ihr Kostüm. Das Spiel zeigte jene durchgearbeitete Pflege und
Kultiviertheit, die wir bei Fehling als die Grundlage der Be¬
gabung zu erkennen vermögen.
Lucie Mannheim: Christine. Erwecktes Mädchentum
mit kleinbürgerlichen Träumereien, dabei rein und tief in offe¬
ner Liebe zu dem Mann ihrer Sehnsucht. Aus stiller Zurück¬
gezogenheit braust in der Qual bitterer Erkenntnis eine Leiden¬
schaft, die ganz Besitz nimmt von dem jungen Leben. Lucie
Mannheim stützte die Rolle mit der Stärke ihrer Begabung,
Temperament und Lieblichkeit in der Harmonie des Ausdrucks
zu vereinigen und die künstlerische Sammlung auf innere Ent¬
ladungen zu halten. Der Schluß mit den unaufhörlichen Er¬
güssen von aufgepeitschter Sinnlichkeit und der Ekstase des
Augenblickes wurde (bei dem anstrengenden Charakter der
Rolle hoch einzuschätzen) zu einem herzzerreißenden Anblick. Die
Künstlerin sollte einmal in der Größe ihrer Begabung erprobt
werden, etwa als Puck im Sommernachtstraum, den sie sicher mit
der schelmischen Grazie und spukhaften Laune überaus treffend
geben würde. Man darf solch eine ursprüngliche, künstlerisch
vornehme und ausgeglichene Schauspielerin nicht immer nur mit
den Zufällen des Tages belassen,
Maria Paudler:
Cristines Freundin, ein fesches,
süßes Wiener Mädel. Modell mit Besatz von Flirt und kindlich
berechnender Sorglosigkeit. Ein Rhythmus, eine Stimmung,
eine Grazie und Weichheit lag in der Person, daß einem das
Herz vor Freude am schönen Menschen hüpfte. Maria Paudler,
hervorragend bekannt geworden als Natalie in der denkwür=
digen Prinz=von=Homburg=Inszenierung des Staatstheaters.
spielte mit jener gewandten Sicherheit, die nur dem Instiekt
einer Künstlerin entwachsen kann.=
Mathilde Sussin: eine Wiener Spießerin ohne Er¬
innerungen, nur mit Gegenwartsgefühlen für ihren jungen Ver¬
wandten, der schon fest angestellt ist und daher Berechtigung auf
Einheirat und Familienleben haben soll. Eine Episode voll
Komik und Wirkung.
Vier gediegene Mannsleute: Jakob Tiedtke, Christines
senkrechter Vater, Richard Duschinsky, Fritz, der Tölpel
der Liebe, Heinrich Schnitzler, Arthurs talentierter
Theatersohn, als Fritzens Freund und Albert Patry, der
#er der verlorenen Ehre seiner Ehe.
Als Vorkost bot man eine einaktige Skizze „Weihnachts¬
einkäufe“, auch aus der Zeit des jungen Arthur Schnitzler,
die besser nicht dramatisiert geblieben wäre. Soziale Fragen
schmückt Liebe. Die Zurückhaltung einer „mondänen“ Frau wird
bloßgestellt vor dem Mut eines kleinen Vorstadtmädchens, das
liebt, ohne zu wissen, welches Glück sie bewirtet.
Ein leichter Dialog am Weihnachtsabend in Wien. Schnee
fällt.
Lichter entzünden sich. Der Weihnachtsmarkt schließt.
Dos Fest stcht vor der Tür. Eine kurze Passage zwischen der
Frau und dem Mann, der „Mondänen“ und dem philosophischen
Weltmann der Liebe. Die Frau bekennt mangelnden Mut, der
ihr allerdings auch schwer fallen muß, da sie bereits verhei¬
ratet ist.
Jehling führte auch hier ein feines, stimmungsvolles Spiel.
Lina Lossen: Die Frau ohne den Wagemut eines Aben¬
teuers, viel weniger eines echten, unerlaubten Gefühls. Sehr
ansprechend, charakteristisch, bezwingend. Erwin Faber: der
Herr mit Erfahrungen in Liebe und Vorstadt. Ein Narr des
Lebens, da ihm das Nein einer Frau entgegentrat, wo er ein
Ja sich verstecken sah. Faber unterlegte Melancholie mit der
Hoffnung auf Besserung in den Armen seiner lieben kleinen
Freundin aus der Vorstadt.
Dem Publikum gefiel manche Stimmung und mißfiel man¬
ches reichliche Gefühlsgewäsch über Dinge, die uns ja ach! so
fern und nichtig erscheinen. Komödie der Liebe — Tragikomödie
der Zeit und des Schriftstellers Arthur Schnitzler.
Alfred Mil—