Liebelei
box 12/8
B.-Z. am Mittag, Berlin
1 5.Okt. 1925
„Liebelei“ im Schiller-Theater
Dieser Rezleinstudierung von Schnitzlers Werk
ist für Berlin zuletzt die mit der Dorsch voran¬
gegangen. Letzter Beweis, wie starkund
veraltet es blieb. Dennoch hat Fehling es
historisch gesehen. Er läßt die Schauspieler
und Schauspielerinnen Moden von damals, von
1895 tragen. Das ist etwa damit zu rechtfertigen,
daß Fritz Lobheimer und Theodor Kaiser sich in
ihrem jungen Lebemannstum anders benehmen,
als wenn sie von heute wären. Kein Auto wartet
in den Straßen von Währing oder Nußdorf auf
den Herrn Lodheimer, indeß er vor dem Duell
die Tini Weiring besucht. Vor dem Duell. Je¬
doch das sind ja nur kleine Zufälligkeiten im
Sozialen, im Milieubild. Und wie Fritz wohnt,
welchen Hut, welches Kostüm die Schlagermizzi
hat: was hat das (so nett auch Fehling die
Aenderung durchführt), mit dem Schrei des
Herzens zu tun, der hier laut wird, und mit der
Grazie und Wahrheit dieser melancholisch-heite¬
ren, in aller ihrer Zartheit erschütternden
Szenen?
Das Entscheidende ist der Gesamtton. Feh¬
lings Regie nähetr sich ihm. Weil er einen
neuen Liebhaber präsentieren kann, Herrn Du¬
schinsky, der in der Wiener Inszenierung
der „Sechs Personen“ der junge Mensch war.
Einen Darsteller, auf den man achten muß. Der
für den Fritz die österreichische Note hat, und
eine verhaltene oder wild ausbrechende nervöse
Unruhe (hierzu ein interessantes Hamlet=Profil).
Weil diese Note ebenso der Theodor des jungen
Heinrich Schnitzler bringt, amüsant in
seiner Degagiertheit, sicher im Dialog, von
strahlender, innerer Liebenswürdigkeit (ein
Lockenf mit einem Mustle###
dunksen, kecken Augen). Und weil die echte
resolute, wienerische Mizzi von Fräulein
Paudler da ist. Dann die klatschende
Binder von Frau Sussin. Die anderen fügen
sich in diesen Gesamtton ein. Die Christine
von Fräulein Mannheim, etwas dünn im
Sprachlichen, etwas schwach, aber voll sympathi¬
scher Innerlichkeit, auch in der Dämpfung des
Schlusses. Der Weiring Tiedkes, der um
sein Berlinertum sich langes Geigerhaar gehängt
hat und für den Vaterschmerz ein stilles, schluch¬
zendes Pianissimo findet. Zu alt und zu schwer
als der fremde Herr ist Patry.
Vorher, ähnlich wie im Lessing=Theater, die
Anatolplauderei „Weihnachtseinkäufe“,
mit Fräulein Lossen, Dame in Moll, und
dem kräftig=eleganten Anatol des Herrn Fa¬
ber.
P. W.
box 12/8
B.-Z. am Mittag, Berlin
1 5.Okt. 1925
„Liebelei“ im Schiller-Theater
Dieser Rezleinstudierung von Schnitzlers Werk
ist für Berlin zuletzt die mit der Dorsch voran¬
gegangen. Letzter Beweis, wie starkund
veraltet es blieb. Dennoch hat Fehling es
historisch gesehen. Er läßt die Schauspieler
und Schauspielerinnen Moden von damals, von
1895 tragen. Das ist etwa damit zu rechtfertigen,
daß Fritz Lobheimer und Theodor Kaiser sich in
ihrem jungen Lebemannstum anders benehmen,
als wenn sie von heute wären. Kein Auto wartet
in den Straßen von Währing oder Nußdorf auf
den Herrn Lodheimer, indeß er vor dem Duell
die Tini Weiring besucht. Vor dem Duell. Je¬
doch das sind ja nur kleine Zufälligkeiten im
Sozialen, im Milieubild. Und wie Fritz wohnt,
welchen Hut, welches Kostüm die Schlagermizzi
hat: was hat das (so nett auch Fehling die
Aenderung durchführt), mit dem Schrei des
Herzens zu tun, der hier laut wird, und mit der
Grazie und Wahrheit dieser melancholisch-heite¬
ren, in aller ihrer Zartheit erschütternden
Szenen?
Das Entscheidende ist der Gesamtton. Feh¬
lings Regie nähetr sich ihm. Weil er einen
neuen Liebhaber präsentieren kann, Herrn Du¬
schinsky, der in der Wiener Inszenierung
der „Sechs Personen“ der junge Mensch war.
Einen Darsteller, auf den man achten muß. Der
für den Fritz die österreichische Note hat, und
eine verhaltene oder wild ausbrechende nervöse
Unruhe (hierzu ein interessantes Hamlet=Profil).
Weil diese Note ebenso der Theodor des jungen
Heinrich Schnitzler bringt, amüsant in
seiner Degagiertheit, sicher im Dialog, von
strahlender, innerer Liebenswürdigkeit (ein
Lockenf mit einem Mustle###
dunksen, kecken Augen). Und weil die echte
resolute, wienerische Mizzi von Fräulein
Paudler da ist. Dann die klatschende
Binder von Frau Sussin. Die anderen fügen
sich in diesen Gesamtton ein. Die Christine
von Fräulein Mannheim, etwas dünn im
Sprachlichen, etwas schwach, aber voll sympathi¬
scher Innerlichkeit, auch in der Dämpfung des
Schlusses. Der Weiring Tiedkes, der um
sein Berlinertum sich langes Geigerhaar gehängt
hat und für den Vaterschmerz ein stilles, schluch¬
zendes Pianissimo findet. Zu alt und zu schwer
als der fremde Herr ist Patry.
Vorher, ähnlich wie im Lessing=Theater, die
Anatolplauderei „Weihnachtseinkäufe“,
mit Fräulein Lossen, Dame in Moll, und
dem kräftig=eleganten Anatol des Herrn Fa¬
ber.
P. W.