II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1460

Liebelei
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nentenen den enenenenenenenen
Berliner Börsen-Courler
Okt. 1920

zustand des Fritz Lobheimer ungemein düster.
Er darf und soll unruhig sein — auf der Grund¬
Weihnachtseinkäufe —
lage jugendlichen Leichtsinns. Er spielt bei
Fehling eine Schwermut, für welche die Doppel¬
Liebelei.
beziehung zu der verheirateten Dame und zu dem
Schillertheater.
Vorstadtmädchen ein Widerspruch ist. ... wegen
Als vor dreißig Jahren der junge, nur in gleichartiger Tiefe. Er gibt von vornherein einen
intimeren Literaturkreisen bekannte Arthur Todeskandidaten und trotzdem der Darsteller
Schnitzler ins Burgtheater einzeg, war es für Richard Duschinsky ien Wiener ist, ging ihm
den weiteren Umkreis der damale völlig unbe= diese für den Ton des Stückes willkommene
strittenen Vorrangbühne eine Ueberraschung. Die Eigenschaft verloren durch eine Melancholie, die
verallgemeinerte.
Burg war auf klassisches Repertoir und auf das
Eingeweiht in den Ausgang des Stückes auch
Salonstück abgestimmt, dem Naturalismus schloß
das Spiel der Lucie Mannheim. Sie hätte
man die Pforten. Nun öffnete sich die Tür dem
im ersten Akt vorwiegend unbekümmertes Vor¬
Jungwiener Erlebnis und dem Gefühlstumult
stadtmädel zu sein. Ihre Fragen, die außerdem
bedrängter Vorstadtherzen.
Auf geheiligter
unwienerisch scharf klingen, haben zu viel Schick¬
Stätte erschien in der Ladnerinbluse der lebens¬
salsangst. Die Bangigkeit beider bedrückt und
lustig ungenierte Typus einer Mizi Schlager und
verlängert. Um so erfreulicher war der Humor,
Adolf von Sonnenthal, den sich vorher niemand
die erfrischend bewegliche Lustigkeit des jungen
ohne Salonglanz oder klassische Patina denken
Heinrich Schnitzler und der Maria Paud¬
mochte, siedelte in ein Hinterstübchen und trug
ler. Besonders die Darstellerin der Mizi Schlager
den schäbigen Hausrock eines Vorstadtmusikus.
war ein Segen. Ihre Pointen blühten aus der
Das Burgtheater hatte mit der Förderung des
Situation auf. Es war wie eine Durchlüftung.
jungen Schnitzler am meisten sich selbst gedient.
Fehlings Regietendenzen triumphierten im
Es fand den Anknüpfungspunkt an eine neuere
Schlußakt. Das war tragisch leidenschaftliche Zu¬
Zeit durch ein Werk, das die Doppeleigenschaft
sammenfassung. Lucie Mannheim gab hier
hatte, in der Form nicht revolutionär, und in¬
Schmerztöne und Aufschreie, die mitßreißende Er¬
haltlich bloß ein Wechsel der Sphäre zu sein.
regung waren. Ein paar exaltierte Momente
Und auch da mit einer, Bedenken entlastenden,
könnten noch hinwegfallen. Man nahm sie mit.
wienerischen
Der Schmerz des alten Weiring (Jakob
In einem, die Wiederaufnahme des Werkes
Tiedtke) glühte in besonderer Gefühlsfarbe
begrundenden Vorwort des Theaterprogrammes
auf. Der Beifall der Zuschauer wurde stürmisch.
verspricht der Spielleiter Jürgen Fehling die
Vorher spielte man das bejahrte Schnitzler¬
Darstellung auf das dichterische Aroma des
feuilleton „Weihnachtseinkäufe“ mit Lina Lossen
Stückes, auf Gefühlspunkte, auf die Musik des
und Erwin Faber. Eine überflüssige Zugabe
Herzens zu konzentvieren. Nicht bloß bei altern¬
mit Schneegestöber. Die Flocken fielen noch im
den Zeitwerken, auch bei großen unvergänglichen
ersten Akt der „Liebelei“ herunter.
Dichtungen werden jeweils Elemente wichtiger,
Emil Faktor.)
die den Nerv der Gegenwart berühren. Fraglich
bleibt, ob sich auf einem so schmalen, die dramati¬
schen Vorgänge beinahe ängstlich aussparenden
Felde die Wirkungsmomente so sorgfältig und
ohne Verlust an Substanz auseinander halten
lassen. Es war vorteilhaft und wohltuend, wenn
Fehling den theatralischen Auftritt des Rechen¬
schaft fordernben Gatten durch Verkürzung auf
das Notwendigste vom Pathos befreite. Aber schon
vorher und erst recht nachher war der Gemüts¬