II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1467

Liebelei
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Berliner Morgenpost
4 6 Okt an01
Herr Oberregisseur Albert Patry sprechen wird.
trittskarten zur Festvorstellung in den übliches
Schnitzler-Abend
Stellen.

im Schiller-Theaker.
„Liebelei.“ — „Weihnachtseinkäufe.“
In dem Geleitwort, das der Regisseur Jürgen
Fehling seiner Neueinstudierung der „Liebe¬
lei“ im Programmheft mitgibt (Bilde, Künstler,
schreibe nicht!), steht der Sätz: „Der Wiener Ton¬
fall ist in dieser Dichtung eine Mundart des
Herzens, nicht nur der Zunge. Ach, nicht ein¬
mal die Zungen haben in seiner Inszenierung
den echten Schlag; wie soll da die Mundart zu
den Herzen dringen! Zwei, drei Darsteller, unter
ihnen des Dichters schauspielerisch beachtlicher
Sohn Heinrich Schnitzler, der den Freund
gibt, dann Mathilde Sussin, eine sehr echte,
dabei unaufdringliche Frau Binder, und Mavia
Paudler — die Mizzi, die aber schon a bissel
unweanevisch ungeniert ist — sprechen die Sprache
vom Donaustrand; alle anderen reden in frem¬
den Zungen. Sie sprechen Norddeutsch: sie könn¬
#ten ebensogut Malaiisch reden. Das Ohr nimmt
die Laute auf; doch die Herzen bleiben taub.
Halb und halb, wie die Dialektmischung,
auch das Kostüm. „Liebelei“, ist schier dreißig
Jahre alt, und wenn man's nicht wüßte, in
jeder Szene würde das Schauspiel verraten,
daß es einer früheren Generation, einer ver¬
sunkenen Welt angehört. Was ewig darin ist,
strahlt um so heller in seiner ursprünglichen
Gewandung, und so ist die Mode von 1895
durchaus am Platz. Aber warum dann Halb¬
heiten wie die halblangen Damenröcke, an
denen die Damen dauernd zupfen müssen, um
die Beine von 1925 zu verbergen? Anno 95
kehrten die Wienerinnen mit Besenborte den
Graben, trugen die Herren weitausgeschnittene
Westen mit gestickten Hemdeinsätzen, gab's in
Wiener Junggesellenbuden auch noch keine Klub¬
Kleinigkeiten? Gewiß. Aber hier werden
sie Merkmal einer Inszenierung, die dem Werk
mehr schuldig bleibt, als es missen kann. Vor
allem das süße Mädel, das an seiner unendlich
großen Liebe zerbricht. Lucie Mannheim
fehlt, wie der Zungenschlag, auch das leichte
Wiener Blut, das trotz der Echtheit ihrer Emp¬
findung in Christine Weirings Adern pulst.
Von Anfang an steht sie unter seelischem Druck,
und ihre Kraft entfaltet sich frei erst zum
Schluß, wenn der ungeheure Schmerz mit ele¬
mentarer Gewalt ihr die Brust zu sprengen
scheint. Ein unglückliches Weib, dem man alles,
den Geliebten, geraubt hat, schreit seinen Jam¬
mer in erschütternder Totenklage hinaus. Hier
rührt Lucie Mannheim an die Herzen, und ein
spontaner Sturm des Beifalls löst, da der Vor¬
hang sinkt, die Spannung.
Tiedtke, als alter, schwerfälliger, schon
etwas tapriger Vater von ganz schlichter, weiser
Herzensgüte; Richard Duschinsky ein farb¬
loser Fritz; aber Patry als=Herr knapp, scharf
und alles sagend mit seinen wenigen Worten.

Voran geht — ziemlich überflussig — die
Anatol = Szene „Weihnachtseinkäufe“.
Erwin Faber darin ohne Physiognomie; aber
Gabriele ist Lina Lossen, und das zarte
Vibrieren ihrer Stimme läßt eine Frauenseele
M. L.
ahnen.
Nachdem die Erstaufführung der neu einstudierten
„Afrikanerin“ in der Staatsoper abgesetzt
werden mußte, findet sie nunmehr als Anlaß der
Grundsteinlegung des Deutschen Sportforums Sonn¬
tag, 18. Oktober, abends 7 Uhr, statt. Die Vor¬
stellung wird durch einen Vorspruch eingeleitet, den