II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1486

5
Liebelei
Lassssas box 12/8
nervig aufklingen. Immer spürt man den Hauc
einer träumerischen Welt.
n
Diese feinen Tone konnte die Aufführung nich
ganz herausbringen. Manchmal nur klangs wun
derbar auf. Aber die Schwerfälligkeit der Kulisse
und Kostümerie erstickte alle Grazie. Aus
Szenen voll vibrierender Sensibilität wurde ein
naturalistisches Schauspiel. Insbesondere war
Elisaheth Bertram als Christine viel zu
tragisch und viel zu wenig das reizende, süße
Mädel, das nicht aus hysterischer Dramatik, son¬
dern aus hilfloser Verlorenheit an dieser Liebelei,
die ihr Schicksal ist, zerbricht.
Da war Liselotte Tawell als lebenspru¬
delnde, unbekümmerte Mizzi viel glücklicher in der
Darstellung. Mit nie übertriebener Lebhaftigkeit
brachte sie manchmal Stimmungen von entzücken¬
der Drolligkeit. Otto Ernst Lundt hat den Stil
Schnitzlers ganz ausgezeichnet getroffen. Als
Theodor Kaiser, der seinen Freund immer wieder
aus der Träumerei in die Welt zurückreißt, brachte
er mit besonderem Geschick und Takt dieses Ueber¬
gleiten von der träumerischen Tragik in fein ab¬
gestimmte Scherzhaftigkeit heraus. Walter Fel¬
senstein war der hin= und hertaumelnde Lieb¬
haber, der weich träumerische Fritz Lobheimer
und versank mitunter in einer gewissen Mono¬
tonie der Stimmung. Die Lyrik, die in seiner
Rolle in besonderem Maße liegt blieb meist ge¬
fesselt. Als Violinspieler brachte Friedrich Gnaf
ganz diesen gütigen alten Menschen, den Schnitz¬
ler hier mit vieler Liebe gezeichnet hat. Lotte
Fuhst war als Katharina Binder prachtvoll.
Im ganzen war die Aufführung zu dramatisch
Am besten gelungen war der erste Akt, der einig
Höhepunkte in Darstellungskunst und Stim¬
mungskolorit brachte.
Hartlebens Komödie „Angele“ durfte au
Veranlassung des Polizeipräsidiums anläßlich des
Bußtages nicht aufgeführt werden. Ob die Kunst
selbst in komödischem Gewande, einen ernsten Ta¬
entweihen kann, das ist eine Angelegenheit, die be
F. A.
uns die Polizei entscheidet.
, vonfzeräde diese Tatsache ist
Etappe zu Etappe funrend, scheint der richtigere zu sein. Im Shaw's dichterischer Persö
8
1
deutsche Protestant Thoma
Arthur Schnitzler.
Schnitzler. ich meine wo
und nach der notwendige
(Gelegentlich einer Aufführung von Liebelei.)
schöner sich- vollenden.
Schultzler’s Liebelei, im gleichen Jahre wie Puccini's
analytiker, schrieb ein
Bohème cntstanden, ist jetzt 30 Jahre alt. Auf beiden Werken
Psycholog, das er Profess
ruht also gleichsam schon die Patina der Klassizität. Würde
wohl also doch hinter Sch
ein unbefangener Theaterbesucher, unbelastet von Bildungs¬
ergründiges stecken, we
plunder, dieses Alter für möglich halten? Spürt man auch nur.
Autorität sich wissenschaft
die leiseste Spur von Staub, ist der Schmelz der beflügelten
Es hätte allerdings keiner
Dichtung antirgend einer Stelle verletzt? Gibt es Längen, stellt
Wissenschaft bedurft, de
sich Müdigkeit ein? Klingt irgend eine Stelle, wenn man daran.
heterogene Dinge. Aber
klopft, hohl, sicht man einen Sprung oder Knick, und ist eine
Schnitzler's ist der Dich
Gestalt blutarm geworden? Man nennt Schnitzler gern, wofern
gewesen, und die Bezir
man überhaupt geruht, ihn „ernst zu nehmen“, den-Dichter der
mann Freud wissens
Wiener Frauen, der süßen Mädels, des wiegenden Dreiviertel¬
künst -rische Intuitio
taktes, spricht von Charme und Esprit, läßt seinen gepflegten
Stil gelten und findet ihn liebenswürdig, aber im Grunde sagt er
Strindberg, und der
angeblich doch immer dasselbe. Eigentlich soll sein Horizont
Strindbergisc
nicht eben weit gespannt'sein.
am Schreibtis
ich kenne keinen Dichter, der mir mehr gegeben hätte, als
blasser Aeste
Arthur Schnitzler. Im Jahre 1914 sah ich im Kleigen Theater zu
Schni
Berlin als Sckundaner seine Liebelei. Von diesem Tage an
Als Junge
fühiltc ich mich Schnitzler's Wesen verhaftet. seinem Schaffen
buch: De
verbunden, und ich verschlang in wentgen Wochen die sieben
elegante
Bände, die sein Gesamtwerk damals umfaßte. Man ist älter
mehr sei
geworden, hat Weltkrieg und Weltrevolution erlebt und ver¬
Vor Jahresfrist
schiedene literarische Moden mitgemacht.
mann's ze#
schrieb ich an dieser Stelle gelegentlich einer Betrachtung
Schn
Klaus Mann's:
Wir, die bei Kriegsausbruch 15- und 16 jährig. in den Kampf sic
Traditionen Thomas Mann's aufgewachsen waren. uns wieder-] hatte mi
fanden in den Buddenbrook's. Tonio Kröger-und dem Tod in
strengung
Venedig, denen Steian George’s Dichtung Sinurdes Seins be¬
keit, die
deutete, waren durch Krieg und Revolution, dem letzten
spielerisch
Stückchen Erde, worin wir hafteten, entwurzelt worden. Die
Der Bildum
Brücken nach rückwärts waren äbgebrochen. Die 50- und
Gelegentlic
60 jährigen, Thomas Mann und Schnitzler., empfanden wohl selbst
einmal, daß
die Unmöglichkeit über das, was in den letzten’ 10 Jahren sich
Liebe und 7
ereignet hatte, hinwegzuschreiben, aber als edelste Ausläufer
einer alten Kultur konnten sie den neuen Ton nicht finden.j gehen bilde.
Darum schlossen ihre letzten, gegenwärtig beendeten Werke, 1 daß Schnitzle
nicht, was es de
Thomas Mann's Zauberberg und Schnitzler’s Komödie der Ver¬
kreist zwischen diese
führung, mit dem Ereignis des Kriegsausbruchs, im Grunde
regungen sind nur Au
tragisches Bekenntnis ihrer eigenen Unzulänglichkeit gegenüber
Liebelei ist mit das
der Zeit. Mit liebevollem Respekt nehmen wir diese Dokumente
ler's, das seinen Ruhm b
entgegen und grüßen verchrungsvoll die Ahnen. mit denen der
sprechlich Duft und Atn
Zusammenhang unterbrochen ist, zu denen wir indes wieder¬
klingt wie ein Liebeslic
kehren.“
auch wie ein Walzer von
Wenn wir Rückschau halten, dann bleiben uns von der
ender der Form, die mir
Gencration der Väter drei Dichter, grundverschieden in ihrem.
ich den ersten Akt von
Wesen, der Tradition und der Landschaft, der sie entstammen,
aber denhoch Grund, auf dem man bauen kann, Repräsentanten
Lied der Liebe von Mimi
alter Kultur: Der rheinische Katholik Stefan George. der nord-I schaft mit Anni und Fritz
Ka
Uin 24
9