II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1544

Liebelei
Meteler box 13/1
Dr. Max Goldschmidt
Soro für Zeitungsausrhnitte
BERLIN N 4
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus:
Konkaberger Hartungsche Zeitung
28 Nov. 197
Ein junger Mann, verstrickt in eine „dämonische" Liebe, will sich von
Die ausgezeichnete Wirtung
deren ewigen Aufregungen und Martern in einer oberflächlichen Lie¬
Lebensatmosphäre, die für unser
Neue Schaufpleihaue
belei erholen, will Zärtlichkeit ohne Pathos genießen und sein Glück
strich, sondern eigentliche Blutfar
Gastspiel in Schnitzlers „Liebelei“
nun dort suchen, wo es keine großen Szenen, keine Gefahren gibt, wo
geht. Sie macht auch nicht ein
In der Spielzeit 1916/17 hatte sich der damalige Direktor Leo¬
der Beginn keine besonderen Schwierigkeiten und das Ende keine
Mundart gerecht zu werden, so
Qualen hat. Nur solche Sachen nicht ernst nehmen, ist das ich¬
pold Jessner zu Weihnachten das Sensatiönchen aufgespart, als Hed¬
Norddeutsch, als wenn das süße
Dafür war die Toilettenfrage —
süchtige Gebot dieser Lebemannskreise. Leider gerät Fritz Lobheimer
wig Ekdal in der „Wildente“ eine funkelnagelneue Kraft zum ersten¬
gerade an eine, die es verteufelt ernst nimmt! Christine sagt sich wohl,
Christine mit Bluse, langem 9
##al herauszustellen. Die Besprechung unserer Zeitung hob pflicht¬
Zündhütchen von Strohhut, auft
daß „es nicht für immer ist“, kann es aber zugleich nicht fassen, daß
uldigst hervor, daß die Anfängerin, namentlich in ihren herzhaften
durch die Reihen — nicht zuletzt
es einmal anders kommen sollte. Er ist ihr Herrgott, ihre Seligkeit!
Gefühlsausbrüchen, eine nicht gewöhnliche Begabung verrate, die
einst mit Inbrunst mitgemacht h
Und sie — sie, die alles auf eine Karte setzt, die nicht den Unterschied
unter entsprechender Anleitung dem Schauspielhause manchen guten
Dienst leisten werde. Das wertvolle Nesthäkchen wurde zunächst recht
zwischen der verzehrenden Flamme der Liebe und dem Strohfeuer der
Zum ersten Male zeichnete
deren Obliegenheiten er sich gleic
Liebelei kennt, muß erfahren, daß er um einer anderen willen in den
schonsam behandelt, immerhin aber doch in so grundverschiedenen
Tod geht, daß sie ihm also nichts gewesen ist als ein Spielzeug, ein
allerdings wohl unter Mitfürso
Rollen erprobt, wie Goethes Pandora, Hauptmanns Hannele und
Leute“ — wie scharf ist bei al
Zeitvertreib. Ein kleines Mißverständnis, das den Dirnchen vom
Adelheid Wolff. Mit der zweiten Königsberger Spielzeit wuchsen
Schnitzlers! — wurden durch de
Schlage der Mizi Schlager gar nicht passieren kann, den Christinen
noch Beschäftigung und Aufgabe. Grenzfälle, wie Lulu und Rauten¬
aber das Leben kostet.
typ Rudolf Blaeß' und de
delein, halfen Weite und Umfang des unverkennbaren Talentes ab¬
stecken. — Diese junge, kaum flügge gewordene Schauspielerin hieß
Was Lueie Mannheim aus dieser Liebe Leidverlauf macht, ist[ Kurt Hoffmanns gestellt.
Lucie Mannheim, und als ihre Sondernote glaubte unsere kri¬
wahrhäft ergreifend. Und der Grund liegt darin, daß sie alles auf [Lili Sandreczki war ein
tische Nachprüfung einen „eingeborenen Zug von gesundem Realis¬
das Einfache, Natürlich, hinausspielt oder aus den Tiefen der Emp= und fügte ihren vielen Künsten n
sinn Weanerisch zu plauschen. E
mus“ herauszuspüren.
findung heraufholt, nater strenger Abkehr von allem Theatralischen.
war der gütige alte Musikant, d
Es hat ihr dies nie gelegen — nun ist es völlig ausgemerzt. Sie be¬
Ich vermute, hier liegen noch heute die Wurzeln ihrer Kraft. Nur
weist, daß es einen erdnahen schauspielerischen Realismus gibt, der an der Bahre seiner Schwester er
daß sich die Wunderblume ihres realistischen Spiels unter sorgsamer
lich macht, und sich allmählich
nichts Zeitgebundenes, eine Wirklichkeitskunst des Ewigmenschlichen,
Gärtnershand noch viel schöner entfaltet hat, als ihr im ersten Erd¬
kämpft hat:
die nichts mit Moden gemein hat. Sie ist schon eine kleine Meisterin
reich zuzutrauen war. Lucie Mannheim hat am Staatstheater und
O, die gepflückte R
im Weinen mit trockenen Tränen; aber ich bilde mir ein, daß bei der
an seiner volkstümlichen Zweiganstalt an Innigkeit unendlich gewon¬
Als die am unberü
Anlegung der Rolle auch manche nasse mituntergelaufen ist. Ihre
nen; ihre Mittel sind geschmeidiger geworden, ihr Tasten hat sich in
Wächst, lebt und sti
schönste Mitgift ist eine quellfrische Stimme, in der alle Hingabe,
Sicherheit, ihr Trieb in Bewußtheit gewandelt. Was haben wir
Der Gatte der Dame im schy
alles Glück und aller Schmerz des Weibtums zittert. In der Stimme,
alles für Kunststile durchgemacht! Und doch hätte der vollkommene
die lustige Schmauserei in de
die einfach kindlich klingen kann, liegt ihre Poesie, und sie ist es,
Erfolg dieses Abends fast ebenso gut vor einem Menschenalter er¬
die eine gewisse Nüchternheit und Herbheit ihres Wesens ausgleichen
wurde, wie bei Wolf Bene
rungen werden können. Was hat denn gestern einen so sieghaften
hilft.
sachlich, beherrscht und elegant g
Eindruck gemacht? Ich denke, die einfache Menschlichkeit eines Dich¬
die Episode der erinnerungsr
#ters und die ebenso schlichte Natürlichkeit seiner Darstelmin. Es war
Allein diese Herbheit und Nüchternheit bewahrt ihre Darstellung
Strumpfwirkerin [Annette d
schon vernünftig, zum Gastspiel in der Heimat erster Triumphe
auch vor jedem Ueberschwang. Denn Lucie Mannheim ist rührend,
Man spielt Schnitzler jetzt a
Schnitzlers „Liebelei“ zu wählen, die im Grunde nur einen
aber nicht rührselig, weich, aber nicht weichlich, gemütvoll, aber nicht
sollte ihn fleißiger spielen. Und
Ton anschlägt, dafür aber einen wundervoll gefühlsechten und einen,
wehleidig. So kommt sie selbst über die gefährlichste Klippe des
der neun Jahre warten lassen.
den die Künstlerin völlig beherrscht. Der Dichter selbst, der sie in
Stücks hinweg, jene wortreiche Auseinandersetzung am Schluß, in der
dieser Rolle sah, hat sie mit herzlicher Ueberraschung anerkannt, ja
Christine weniger unbewußtes Eigengeschöpf als Schöpfung des
nicht gezögert, sie mit der lingst entschwundenen Agnes Sorma zu
reflektierenden Dichters ist. Wie sie hier aus letzter Aufgewühltheit
vergleichen und sogar auf eine Stufe zu stellen. Man kann dieses immer zum Alltagston, aus seelischer Erschütterung zum körperlichen
schmeichelhafte Werturteil verstehen, wenn man mit einigem empfäng= Kraftauswand und aus dem Außersichsein zum Gewohnten zurück¬
lichen Sachverständnis ihre seltsam fesselnde Leistung in sich auf= findet, das ist schon sehenswert und eine Freude für den sachlichen
nimmt — wofern sich bei einem solchem Natur=Nacherleben noch von
Betrachter. Ich mußte an eine Stelle bei Ludwig Tieck denken, dis
einer „Leistung“ sprechen läßt. Was Lucie Mannheim hier gibt, ist
die Macht des großen Schröder zum Teil darauf zurückführt, das
eine Entwicklung; ist die Entwicklung eines zarten Frauenwesens vom
„im Schmerz plötzlich ein hingeworfener, wegfallender, wie verschwit
ersten Augenaufschlag des Mädchenherzens bis zur Raserei eines
dender Laut die Größe der Verzweiflung und zugleich die rührendst
namenlos leidenden, weil namenlos enttäuschten Weibes.
Ermüdung der Seele ausdrückte“. Der Durchschnitt der Schauspiele
Es ist schon eine reihte Tragödie, die sich an dieser Christine Wei= wenigstens der handwerklichen, macht es anders: hat er einmal dis
ring vollzieht, wohl im dichterischen, kaum aber im menschlichen Gehalt Taste Verzweiflung angeschlagen, so hält er sie auch fest und läßt sie)
sehr verschieden von der Tragödie der Gretchen, Clärchen und Heros. bis zur Unerträglichkeit weiterklingen.