II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1545

5.
Liebelei
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nen enene den en eneneen an
Ein junger Mann, verstrickt in eine „dämonische“ Liebe, will sich von
deren ewigen Aufregungen und Martern in einer oberflächlichen Lie¬
belei erholen, will Zärtlichkeit ohne Pathos genießen und sein Glück
nun dort suchen, wo es keine großen Szenen, keine Gefahren gibt, wo
der Beginn keine besonderen Schwierigkeiten und das Ende keine
direktor Leo¬
Qualen hat. Nur solche Sachen nicht ernst nehmen, ist das ich¬
art, als Hed¬
süchtige Gebot dieser Lebemannskreise. Leider gerät Fritz Lobheimer
zum ersten¬
gerade an eine, die es verteufelt ernst nimmt! Christine sagt sich wohl,
hob pflicht¬
daß „es nicht für immer ist“, kann es aber zugleich nicht fassen, daß
in herzhaften
verrate, die es einmal anders kommen sollte. Er ist ihr Herrgott, ihre Seligkeit!
Unv sie — sie, die alles auf eine Karte setzt, die nicht den Unterschied
anchen guten
zwischen der verzehrenden Flamme der Liebe und dem Strohfeuer der
zunächst recht
Liebelei kennt, muß erfahren, daß er um einer anderen willen in den
zverschiedenen
Tod geht, daß sie ihm also nichts gewesen ist als ein Spielzeug, ein
Hannele und
Zeitvertreib. Ein kleines Mißverständnis, das den Dirnchen vom
Zzeit wuchsen
Schlage der Mizi Schlager gar nicht passieren kann, den Christinen
und Rauten¬
aber das Leben kostet.
Talentes ab¬
Was Lueie Mannheim aus dieser Liebe Leidverlauf macht, ist
spielerin hieß
je unsere kri¬
wahrhäft ergreifend. Und der Grund liegt darin, daß sie alles auf
adem Realis¬
das Einfache, Natürliche hinausspielt oder aus den Tiefen der Emp¬
findung heraufholt, unter strenger Abkehr von allem Theatralischen.
Es hat ihr dies nie gelegen — nun ist es völlig ausgemerzt. Sie be¬
r Kraft. Nur
weist, daß es einen erdnahen schauspielerischen Realismus gibt, der
ter sorgsamer
nichts Zeitgebundenes, eine Wirklichkeitskunst des Ewigmenschlichen,
n ersten Erd¬
die nichts mit Moden gemein hat. Sie ist schon eine kleine Meisterin
tstheater und
im Weinen mit trockenen Tränen: aber ich bilde mir ein, daß bei der
endlich gewon¬
Anlegung der Rolle auch manche nasse mituntergelaufen ist. Ihre
sen hat sich in
schönste Mitgift ist eine quellfrische Stimme, in der alle Hingabe,
as haben wir
alles Glück und aller Schmerz des Weibtums zittert. In der Stimme,
#vollkommene
die einfach kindlich klingen kann, liegt ihre Poesie, und sie ist es,
nschenalter er¬
die eine gewisse Nüchternheit und Herbheit ihres Wesens ausgleichen
so sieghaften
hilft.
it eines Dich¬
kerin. Es war
Allein diese Herbheit und Nüchternheit bewahrt ihre Darstellung
#ter Triumphe
auch vor jedem Ueberschwang. Denn Lucie Mannheim ist rührend,
#de nur einen
aber nicht rührselig, weich, aber nicht weichlich, gemütvoll, aber nicht
gen und einen,
wehleidig. So kommt sie selbst über die gefährlichste Klippe des
Stücks hinweg, jene wortreiche Auseinandersetzung am Schluß, in der
bst, der sie in
Christine weniger unbewußtes Eigengeschöpf als Schöpfung des
anerkannt, ja
reflektierenden Dichters ist. Wie sie hier aus letzter Aufgewühltheit
zes Sorma zu
immer zum Alltagston, aus seelischer Erschütterung zum körperlichen
In kann dieses
Kraftauswand und aus dem Außersichsein zum Gewohnten zurück¬
iigem empfäng¬
findet, das ist schon sehenswert und eine Freude für den sachlichen
g in sich auf¬
leben noch von
Betrachter. Ich mußte an eine Stelle bei Ludwig Tieck denken, die
die Macht des großen Schröder zum Teil darauf zurückführt, das
hier gibt, ist
„im Schmerz plötzlich ein hingeworfener, wegfallender, wie verschwitz¬
nenwesens vom
dender Laut die Größe der Verzweiflung und zugleich die rührendste
Raserei eines
Ermüdung der Seele ausdrückte“. Der Durchschnitt der Schauspieletz
Christine Wei- wenigstens der handwerklichen, macht es anders: hat er einmal dis
chlichen Gehalt Taste Verzweiflung angeschlagen, so hält er sie auch fest und läßt sie
en und Heros. bis zur Unerträglichkeit weiterklingen.
Die ausgezeichnete Wirtung ist um so beachtlicher, als die Wiener.
Lebensatmosphäre, die für unsere Dichtung ja keineswegs bloß An¬
strich, sondern eigentliche Blutfarbe ist, bei Lucie Mannheim leer aus¬
geht. Sie macht auch nicht einmal den Versuch, der österreichischen
Mundart gerecht zu werden, sondern paradiert so stolz mit ihrem
Norddeutsch, als wenn das süße Mädel in Wien nur zu Gaste wäre.
Dafür war die Toilettenfrage — historisch gelöst, und als Mizi und
Christine mit Bluse, langem Rock und langem Haar, darauf das
Zündhütchen von Strohhut, auftraten, ging verständnisinniges Lachen¬
durch die Reihen — nicht zuletzt wohl bei den Damen, die diese Mode
einst mit Inbrunst mitgemacht haben.
Zum ersten Male zeichnete Max Weber für die Regie, in
deren Obliegenheiten er sich gleich mit Feuereifer hineingestürzt hatte,
allerdings wohl unter Mitfürsorge des Gastes. Die „zwei jungen
Leute“ — wie scharf ist bei aller Allgemeinheit diese Bezeichnung
Schnitzlers! — wurden durch den melancholisch beklommenen Anatol¬
typ Rudolf Blaeß' und den flotten, humorigen Schwadroneur.
Kurt Hoizmanns gestellt. Die künstlerisch zusehends wachse
Lili Sandreczki war ein reizendes Widerspiel zur Christine
und fügte ihren vielen Künsten noch die hinzu, mit Gemüt und Leichi¬
sinn Weanerisch zu plauschen. Eine hübsche Studie Paul Lewitts¬
war der gütige alte Musikant, dieser verstehende Lebensphilosoph, der
an der Bahre seiner Schwester erkannte, daß Tugend allein nicht glück¬
lich macht, und sich allmählich zu Shakespeares Weisheit durchge¬
kämpft hat:
O, die gepflückte Ros ist irdischer beglückt,
Als die am unberührten Dornbusch welkend
Wächst, leht und stirbt in heil'ger Einsamkeit.
Der Gatie der Dame im schwarzen Samt, der wie ein Todesangel
die lustige Schmauserei in der Junggesellenwohnung unterbricht
wurde, wie bei Wolf Beneckendorf##selbstverständlich, kühl,
sachlich, beherrscht und elegant gegeben. Nett, wenn auch überflüssig,
die Episode der erinnerungsreichen, jetzt aber so ehrpusseligen
Strumpfwirkerin (Annette de Vries).
Man spielt Schnitzler jetzt auffallend wenig in Deutschland. Man
sollte ihn fleißiger spielen. Und Lucie Mannheim soll uns nicht wie¬
der neun Jahre warten lassen.
Ludwig Goldstein.