II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1556

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sik durchwoben. (Außer Abonnement.)
Schnitzler=Gedächtnisfeier.
„Liebelei“, Schauspiel in drei Akten von Arthur
Schnitzler. Erstaufführung im Stadttheater am 3. De¬
zember.
Ein kleiner (aber gewählter) Kreischut sich Donners¬
tag zur Schnitzler=Gedächtnisfeier im Städttheater ein¬
gefunden. Es war still im Theater. — und dem war
gut so.
„Liebelei“ hat Schnitzler als junger Dichter geschtie¬
ben. Ein für sein Schaffen typisches Werk. In Wiener
Mundart werden unendlich viel liebe, kluge und ge¬
mütliche Sachen gesagt (Gisela Zidek spielte Mizi
Schlager mit wunderbar echtem, frohem, gesundem Wie¬
nertum), doch zwischen all dem schleicht der Dämon hin¬
durch; auch in Wienerdialekt (denn Schnitzler ist ein
Moderner trotz allem); der Dämon, der seine Opfer
nicht los läßt, auch wenn sie der beste Freund zu be¬
freien sucht (Hans Rathausky als Theodor, bis
auf die Schlußszene ganz auf der Höhe seiner Aufgabe):
auch das rettende Abenteuer wird zur Liebestragödie.
Fritz fällt im Duell, das bei Schnitzler so häufig wieder¬
kehrt. (Vasa Hochmann spielte den vom Dämon
Gezeichneten mit der ungekünstelten, natürlichen
Schwere, die in Schnitzlers Werken atmet, aber auch
mit Weichheit und Klang) und sein Mädchen, das keinen
andern mehr lieben zu können glaubt, entringt sich den
Armen ihres Vaters, um nie wieder zurückzukehren.
(Erika Zika, gut, in ihrer Hauptszene jedoch ein
wenig kalt.) Und der Vater (Fritz Bois, wunderbar
tief erfaßt) bricht zusammen, so wie der alte Schnitzler
zusammengebrochen ist nach dem Tod seiner vor der
Vermählung stehenden Tochter; Schnitzler hat „Lie¬
belei“ als ein Junger geschrieben!
Die Aufführung zeigte unser Ensemble auf der Höhe
seines Könnens. Johannes Steiner ließ uns das
Stück in der Zeit seines Entstehens schauen: (sie liegt
nun bald 40 Jahre zurück); und doch (das wird Schnitz¬
lers Werk unsterblich machen solang wahre Künstler
sich um dasselbe bemühen) wirkte es nah und ergrei¬
fend; denn das Duell, die Sprache und die Kleider, die
in unsere Zeit nicht mehr ganz hineinpassen, verschwin¬
den vor unserem Auge; es bleibt nur das Hin und
Her zwi##h Liebe und Leid — ewig und unvergäng¬
lich!
He. prof. Wiegand aus Zürich sprach einleitend
schöne Jorte über das alte Wien (denn Schnitzler ge¬
hört nicht unserm Wien, dem Wien der Nachkriegs¬
zeit an, obwohl er seine Menschen aus den Massen sich
herausgreift) und über den Dichter, Arzt und Men¬
schen Schnitzler und über sein so umfangreiches Werk.
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1as0:
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Arthur Schnitzlers Ehrung
in Baden.
Unser Kurtheater ist aus St. Gallen gekommen,
um Arthur Schnitzlers „Liebelei“ zu geben. Ein
schöner Gedanke von Direktor Schmid=Bloß, den
wir ja nun an das Zürcher Stadttheäter hinauf¬
verlieren: er läßt einen unserer besten, kraftvoll¬
sten, seelenfeinsten Dichter, Huga von Hoffmanns¬
thal in robuster Form, Carl Friedrich Wie¬
gand, Schnitzlers Gedächtnisrede halten. Wenn
sie so in Wien am Grabe des Dichters gesprochen
haben, dann hat dieser Dramatiker der unüber¬
troffenen Beobachtungsschärfe, dieser Meister der
konzentrierten Handlung, in der es ganz wie in
jenem seligen Wien der Jahrhundertwende weint!
und lacht, seine gutoerstandene Würdigung erhal¬
ten. Jene Jahre, die bis an den Krieg reichen
— der Schreibende amtete damals als Redakteur
in Wien — gaben alles, was an Gefühlsüber¬
schwang möglich war. Ein Stück war der Ju¬
gend von München gegeben worden: das war
eine Dosis Frank Wedekind. Aber der alle, gol¬
dene Schlendrian, das wundervoll Leichtsinnig¬
Schwermütige, das eben jenem alten Wien zu ei¬
gn war, das Resultat der Kreuzung von germa¬
nischem mit böhmischem Element, das schuf Ty¬
pen, wie sie Schnitzler, ein Arzt und Menschen¬
kenner, ein Satiriker mit blutendem Herzen, zu#
zeichnen verstand. So ist das Leben! könnte man
über seine „Liebelei“ schreiben, mehr als über
alle Schöpfungen Wedekinds fast. Und was sagte
der wortgewandte, wundersam sprachschöpfende
Dichter gestern abend: zwischen der Handel=Ma¬
zeni und der Ebner=Eschenbach drin liegt etwa
die Kunst Schnitzlers. So ist es. Wer sprach von
Frivolität? Wer versuchte den Dichter des Prof.
Bernhardi, weil er ein Jude war, in politisch¬
konfessionelles Nebengeleise zu schieben? Aber¬
wille und Unverstand allein nur konnte ihm sol¬
ches Unrecht antun. In der Darstellung Carl
Friedrich Wiegands, der in seinem inhaltlich und
formeil gleich packenden Vortrage den Dichter
aus allem Mißverstehen in die Höhe wahren und
verdienten Geltungslichtes hob, traten wir dem
wahren Schnitzler gegenüber, dem besten Zeich¬
ner einer Zeit, die erloschen ist.
Wie sollte die „Liebelei“ nicht verstanden wor¬
den sein, nachdem der Dichter in seinem inner¬
isten Fühlen lebendig vor uns hingestellt worden
war? Vier junge Leute: zwei golden=leichtsinnig,
inaive Kinder der hemmungslosen Lebensfreude,
seine Gestalt von einer melancholischen Art tiefer
schürfender Problematik und daneben das lichte,
reine wundervolle Kind der guten alten Zeit:
hausbacken, aber in seiner Seelengröße immer
bewundernswert, Superlativ aller Treubegriffe,