II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1560

5.
Liebelei
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von Ausländern beginnen. Gerade, wer gut national fühlt, soll sich vor der
verderblichen Selbsttäuschung bewahren, die Talente unserer Literatur der
Gegenwart hielten mit den großen Ausländern gleichen Schritt: wir bessern
nichts durch solches Vogel=Strauß=Wesen, das statt unsre Kräfte zum Wett¬
kampf aufzurufen, uns in selbstgefälliger Faulheit bestärkt.
Ja, wenn wir unsere moderne Dichtung von 1840 abrechnen, dann kommen
wir mit, aber schwerlich, wenn wir mit 1880 anfangen. Die drei großen
Russen habe ich genannt, auch die beiden Norweger ersten Ranges, aber neben
Ibsen und Björnson sind da im Norden noch Leute wie Arne Garborg
und Knut Hamsun, wie der Däne Jakobsen und der Schwede Strind¬
berg, alles „müde Seelen“ aber von jenem „intimen Reiz“, der das Ziel
und — das Geheimnis moderner Kunst ist. Holland liefert seinen Maarten
Maartens, Belgien seinen Maeterlinck dazu, Frankreich hat neben den
Großen, Flaubert, Zola, Daudet, Maupassant auch noch die
dekadenten Lyriker, wie Verlaine und Romanciers wie Bourget,
Fahre, Prévost, Pierre Loti u. s. w., die, mögen sie nun groß oder
klein sein, doch fast alle von Einfluß auf unsere deutsche Literatur gewesen
sind. Und dann noch die italienischen, ja, die spanischen Veristen, überhaupt
die ungeheure Entwicklung der realistischen Lebensdarstellung bei allen Kultur¬
völkern, die überall wenigstens zu besser lesbaren Werken geführt hat, als bei
uns. Aber ich fühle keine Veranlassung, das Register der Engelhornschen
Romanbibliothek und ähnlicher Unternehmungen auszuschreiben. Wenden wir
uns zur deutschen Dichtung!
Also zunächst zu Gerhart Hauptmann. Daß man sich nach e
hundert Jahren seine gesammelten Werke zu Weihnachten schenken wird, be¬
zweifle ich, offen sei's gestanden, aber daß der moderne Deutsche seine Haupt¬
wezle kennen muß, bestreite ich keinen Augenblick. Es sind das meiner An¬
Fsicht nach „Die Weber“ „Kollege Crampton“, „Der Biberpelz“ — „Einsame
Menschen“ mag der Merkwürdigkeit, nicht seiner inneren Bedeutung nach, auch
noch dazukommen. Das „Hannele" und „Die Versunkene Glocke“ würde ich
unter die Werke für Liebhaber einordnen, dagegen die beiden novellistischen
Skizzen „Der Apostel“ und „Bahnwärter Thiel“ wieder von allen Literatur¬
freunden gelesen wünschen. — Um Max Halbe kennen zu lernen, nach
Hauptmann das bedeutendste dichterische Talent, das heute auf dem Gebiet
des Dramas thätig ist, genügt wohl seine „Jugend“. Dazu nehme man von
modernen Dramen dann etwa noch Schnitzlers „Liebelei", Philipp
Langmanns „Bartel Turaser“, und JosephRuederers „Fahnenweihe",
alle drei vor allem auch wegen der in ihnen zur Anschauung gebrachten Atmo¬
ohäre. Sapienti sat! Und Ernst von Wildenbruch? Nun, von dem kann man
ein älteres Stück, etwa den „Marlow“ schon schenken. Und Hermann Su¬
dermann und Ludwig Fulda? Ja, deren Stücke habe ich zunächst
meist von der Bühne herab kennen gelernt und niemals Verlangen verspürt,
sie still für mich zu genießen — las ich sie dann, so that ich's, weil ich's mußte.
Ich bin aufgefordert worden, heut einfach mein eigenes Fühlen gegenüber
der Literatur herauszusagen, und das ist nun einmal so. Wer's aber seiner
Bildung schuldig zu sein glaubt, der mag „Sodoms Ende“, den „Johannes“ und
den „Talisman“ als die hauptsächlich in Betracht kommenden Werke vornehmen
— den Rest kann er sich sicher schenken. Anders steht es mit Sudermanns erstem
Roman, der „Frau Sorge“, der ist sogar ein Weihnachtsgeschenkbuch in
bestem Sinne und gehört zu den wenigen modernen deutschen Romanen, in
Kunstwart
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