Liebele
I.
box 13/8
DIE VERBOTENE -WAREe.
501
Mädele ist, dürfen wir noch daran zweifeln? Oder sollte sich hinter
dieser ostentativen Betonung des Wienerischen gerade der gänzliche
Mangel an Wienerthum verbergen? Ah, dieses falsche Wienerische!
Dieses mühsäm gebraute Parfum von Erdgeruch!
Der Wahrheit die Ehre: Der Hintergrund der Wares ist ein
anderer als der der -Liebeleis. Diese Kupplermutter und -Gesellschaft
ist auch nicht den Dörmann’schen-Ledigen Leuteng entnommen. Die
Autoren versichern es, glauben wir ihnen! Aber trotzdem, wie wohl
bekannt ist uns dieses verlotterte Hinterhausmilieu. Vom „Vierten
Gebote her, von tausend Berliner Naturalistenstücken!
Eine
Menge dieser Hintergrunddetails mögen ja sogar eigener Anschauung,
eigener Erfindung entspringen. Aber sind es nur diese paar richtigen
Reporterbeobachtungen, welche uns die Autoren mitzutheilen haben?
Das ist alles?Dichter und Trachterle schrieb einmal Beethoven
an einen Schriftsteller zur Adresse! . . . Wonach haben diese Dichter
getrachtet? Tausend gleichgiltige Details hören wir geduldig an, um
schliesslich dazustehen, nicht um einen Gedanken reicher, ohne vom
Feuer einer inneren Absicht erwärmt zu werden, hier sogar — ohne
irgend einen neuen Menschenconflict kennen zu lernen. Nichts als eine
zweite veränderte Auflage der -Liebeleie? Der verdünnte Aufguss eines
schon seinerzeit nicht allzustarken Schauspiels?
Das alles wäre gewiss öffentlich constatiert worden, am Tage nach
der Aufführung. Denn es handelt sich ja hier nicht um ein Fabrikat
irgend eines bewährten dramatischen Kunstgewerbetreibenden. Dieses
Stück soll eine erste Visitkarte der jüngsten Generation sein. Aber wie
alt ist dieses Drama! Wie wenig Zukunft liegt in diesem Stück und
wie viel Mathematik des Alters!.. Dichter und Trachter? Nein!
Sagen wir: Dichter und Streber!
Sie, Herr Statthalter, hätten diese Aufführung nicht verbieten
sollen, denn Sie haben dadurch eine sehr falsche Legende um dieses
Drama bilden lassen. Es wird nicht so leicht sein, diese Legende zu
zerstören. Was mich betrifft, so hätten Sie eine unerquickliche Arbeit
an einem hellen Sonntagnachmittag ersparen können
Ihrem ergebenen
Stefan Grossmann.
I.
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DIE VERBOTENE -WAREe.
501
Mädele ist, dürfen wir noch daran zweifeln? Oder sollte sich hinter
dieser ostentativen Betonung des Wienerischen gerade der gänzliche
Mangel an Wienerthum verbergen? Ah, dieses falsche Wienerische!
Dieses mühsäm gebraute Parfum von Erdgeruch!
Der Wahrheit die Ehre: Der Hintergrund der Wares ist ein
anderer als der der -Liebeleis. Diese Kupplermutter und -Gesellschaft
ist auch nicht den Dörmann’schen-Ledigen Leuteng entnommen. Die
Autoren versichern es, glauben wir ihnen! Aber trotzdem, wie wohl
bekannt ist uns dieses verlotterte Hinterhausmilieu. Vom „Vierten
Gebote her, von tausend Berliner Naturalistenstücken!
Eine
Menge dieser Hintergrunddetails mögen ja sogar eigener Anschauung,
eigener Erfindung entspringen. Aber sind es nur diese paar richtigen
Reporterbeobachtungen, welche uns die Autoren mitzutheilen haben?
Das ist alles?Dichter und Trachterle schrieb einmal Beethoven
an einen Schriftsteller zur Adresse! . . . Wonach haben diese Dichter
getrachtet? Tausend gleichgiltige Details hören wir geduldig an, um
schliesslich dazustehen, nicht um einen Gedanken reicher, ohne vom
Feuer einer inneren Absicht erwärmt zu werden, hier sogar — ohne
irgend einen neuen Menschenconflict kennen zu lernen. Nichts als eine
zweite veränderte Auflage der -Liebeleie? Der verdünnte Aufguss eines
schon seinerzeit nicht allzustarken Schauspiels?
Das alles wäre gewiss öffentlich constatiert worden, am Tage nach
der Aufführung. Denn es handelt sich ja hier nicht um ein Fabrikat
irgend eines bewährten dramatischen Kunstgewerbetreibenden. Dieses
Stück soll eine erste Visitkarte der jüngsten Generation sein. Aber wie
alt ist dieses Drama! Wie wenig Zukunft liegt in diesem Stück und
wie viel Mathematik des Alters!.. Dichter und Trachter? Nein!
Sagen wir: Dichter und Streber!
Sie, Herr Statthalter, hätten diese Aufführung nicht verbieten
sollen, denn Sie haben dadurch eine sehr falsche Legende um dieses
Drama bilden lassen. Es wird nicht so leicht sein, diese Legende zu
zerstören. Was mich betrifft, so hätten Sie eine unerquickliche Arbeit
an einem hellen Sonntagnachmittag ersparen können
Ihrem ergebenen
Stefan Grossmann.