II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1677

Liebelei
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er Tag Wien
2 2 FEB. 1933
Bühne und Kunst
Schnitzler=Abend in der Josefstadt
„Liebelei.“ — „Der tapfere Cassian.“
* Wie frisch ist die „Liebelei“ geblieben. Wie¬
viel echte Jugend ist in ihr, unbedroht vom
Altern. Wie wächst hier aus der Kleinbürgerlich¬
keit ein großes Schicksal herauf, über alle Zeiten
hinweg: Der Mensch, der liebt, der sich an seine
Liebe verschenkt, der von seiner Liebe verbrannt
wird, der richts als Liebe ist, der nicht versteht
und darum zugrunde gehen muß, daß den an¬
derne Menschen, die nur „beinahe lieben“
können, alle Gefühle nur Liebelei sind. Die
soziologischen Voraussetzungen dieser Klein¬
bürgerwelt haben sich, seitdem sie Schnitzler er¬
schaute und gestaltete, grundlegend geändert,
aber die Menschen dieser Dichtung leben und
werden noch lange weiterleben, weil das Herz
eines Dichters in ihnen schlägt.
„Der tapfere Cassian“ dieses Puppenspiel in
einem Akt, zeigt ähnliche Schnitzlersche Wirklich¬
keit, aber sie ist schon zu einem Spiel mit der
Literatur ironisiert: Abschiedssouper im Schat¬
ten des Todes, zwischen Würfeln und Aben¬
teuern, zwischen Geschmack der Vergangenheit
und Verlockungen der Zukunft, zwischen zwei
Frauen, einer, die da ist und liebt, und einer,
die unsichtbar bleibt und geliebt wird, zwischen
einem traurigen Pierrot der Liebe, einem
Frauenschmetterling und einem Brecher und
Fresser der Herzen. Viel Gescheitheit, viel Iro¬
nie, viel Wissen um uns, viel Farbigkeit — aber
das Ganze ist etwas blaß und brüchig geworden
wie seidengestickte Puppenkleider, die jahrelang
in einer Vitrine ruhten.
„Der tapfere Cassian“ wird in einem aparten
Bühnenbildchen Otto Niedermosers als
Marionettenstück zu den leitmotivischen Klängen
einer Spieldose gegeben. Die Inszenierung Paul
Kalbecks bringt mehr die spaßhafte Instru¬
mentation als die unheimlichen Untertöne des
Spiels. Hans Thimig als Pierrot bleibt ein
wenig außerhalb, gewissermaßen: er müßte eine
Violine sein und ist eine Mundharmonika. Friedl
Czeppa spielt den tapferen Cassian lustig ins
Bramarbasierende hinüber.
Die „Liebelei“ kommt in der Regie Paul
Kalbecks um einige Grade härter heraus, als
sie sich Schnitzler gedacht haben mag. Aber was
die drei Akte dadurch an wienerischer Weichheit,
die längst eine Sage geworden ist, verlieren, ge¬
winnen sie an dramatischer Unmittelbarkeit. So
nah, so geschlossen als eine menschliche und
dichterische Einheit, hat man die „Liebelei“ schon
lange nicht gesehen.
Hugo Thimig ist ein wundervoller, alter
Weyring. Das Glück und der Schmerz eines
Lebens sind in ihm. Daß er der Vater auch der
schauspielerischen Passionsfähigkeit der Helene
Gans
Thimeto :
gesnürt.
och nie so