Liebelei
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EHVER‘
ellzeile Nr. 11
1e11,
Telafon R-23-0-43
„Machlatt Wien
26
Neues Wiener I-Osth un
„Aiebelei.“
Es ist bestimmt nicht leicht, Arthur Schnitzler zu ver¬
filmen. Der Tonfilm will das Bild, die Handlung. Wohl
bringt er auch Worte, aber nur selten, was hinter den
Worten liegt. Schnitzler brauchte das Theater. Besonders
schwer aber hat es ein Tonfilm „Liebelei“ da das Theaker¬
stück „Liebelei“ in einer Musteraufführung bei Reinhardt
jetzt gespielt wird. Der nfilm „Liebelei“ ist nicht ganz
Schnitzlers Kind. Immerhin hat man filmische Bearbeitungen
Schnitzlerscher Stücke gesehen, als der Film noch stumm war,
die viel weniger dem Geiste des Dichters entsprachen. Dem
Regisseur Max Ophüls ist es gelungen, im Film ein¬
zufangen, was der Dichter Schnitzler brauchte, was die Basis
seines Schaffens war: das Wien der Vorkriegstage, die Sorg¬
losigkeit, die sich ihre Sorgen suchte, weil sie zu schwermütig
war, um auf sie verzichten zu können. Das Wien der süßen
Mädels, der strahlenden Offiziere, die einer Opernpremiere
erst den richtigen Hinkergrund schafften. Wien spielt mit in
diesem Film, nicht bloß Wiener Künstler, die eigentlich
spärlich gesät sind gerade in diesem wienerischen Werk, aber
Wiener Bauten und Wiener Luft. Schnitzlersche Philosophie
konnte der Tonfilm nicht bringen, denn er ist gezwungen, mit
Worten zu sparen. Unter den wenigen Worten aber ist
manches gar nicht von Schnitzler, sondern von den Autoren
des Drehbuches Hans Wilhelm und Kurt Alexander.
Es sind treffende Bemerkungen, wie sie der Tonfilm braucht.
Der Dichter kann sie beruhigk verzeihen. Er hätte ja wahr¬
scheinlich nie eine Liebelei mit dem Tonfilm begonnen. Dafür
war seine große Liebe zum Theater zu stark.
Sehr schwer hat es auch Magda Schneider, die
Darstellerin der Christine, da man sie allabendlich mit Paula
Wessely vergleichen kann. Sie ist keine Wienerin, aber in
hrem Herzen blüht, wenn schon nicht der Walzer selbst, so
doch die Sehnsucht nach dem Walzer. Lang hat sie in ihren
rüheren Filmen nur das süße Mädel gespielt. Aber sie ist
virklich eines. Nur Zufall ist es, daß sie nicht in Wien ge¬
boren wurde. Und sie gibt eine ganz überraschend gute
Leistung, wenn man bedenkt, daß sie bis jetzt immer nur ein
happy end erleben durfte. Ergreifend ist ihre Schlußszene.
Uebrigens merkt man ihr direkt die Freude an der Rolle an.
Es tut so wohl, einmal unglücklich sein zu dürfen, da doch ihr
Rollenfach sie bisher immer zum Glücklichsein verdammte.
Sie ist nicht bloß eine entzückende Operettensängerin, sondern
eine Künstlerin. Luise Ullrich spielt die Schlager=Mizzi.
Sie bringt bestes Theater auf die Leinwand. Schade, daß wir
diese Schauspielerin schon lange nicht mehr in Wien haben.
WWas Magda Schneider noch erarbeiten muß, fliegt ihr von
elbst zu. Denn sie hat der Wiener Himmel selbst gesegnet.
Sehr nett ist Willy Eichberger, der wieder einmal einen
„Oberleutnant spielt. Olge Tschechowa leiht ihr großes
Können einer kleinen Rolle. Paul Hörbiger ist vielleicht
ein bißchen zu deutsch für seinen alten Weyring. Da schluchzt
„1e Nr. 11
Wien,
Telsfon R-23-0-43
Der Tag Wiet
933
26 F
„Liebelei“
Als Max=Ophüls=Film mit Magda Schneider.
i Arthur Schnitzlers „Liebelei“ ist nicht
mur als Zeitbild zu werten. Unverzänglich ist
der Sinn der Dichtung. Und aktuell sind wie am
fersten Tage auch ihr Problem und ihre Tendenz.
„Liebelei“, das Wort kennzeichnete den Begriff
der leichtfertigen Auffassung von Wert und Be¬
stand jener Gefühle, die, spielerisch wachgerufen,
sich verdichten, im Herzen verankern und zu
heiligsten werden können. Die Sohne aus gutem
Haus haben kein Bedenken, dem Usus ihrer
Gesellschaftsklasse zu folgen und „süße Mädels“
für ihren Zeitvertreib zu akquirieren. Im beson¬
deren Fall ist die Schuld der Einleitung solch
bedenklicher Liebeständelei verschärft, weil Theo¬
dor seinen Freund Fritz von einer peinlichen!
Weibergeschichte abzulenken versucht, indem er
ihm Christine als Freundin zuführt. Der Mi߬
brauch mit echten und tiefen Empfindungen ver¬
ursacht die Tragödie der Christine. Und wenn
dies zartbesairete, sensible, mit der Leidenschaft
eben erst erwachter Neigung liebende Geschöpf
angesichts der Katastrophe kein Verständnis
dafur aufbringen kann, daß der Mann, der für
sie alles bedeutete, hingehen und sich für eine
andere Frau totschießen lassen konnte, während
er für Christine nichts als einen Gruß übrig
hatle, so ist damit die ungeheure Tragik eines
Mädchenschicksals gezeichnet.
Die Filmbearbeiter haben — ob wissentlich
oder unwissentlich, läßt sich nicht erraten — die
Schnitzlersche Grundtendenz unberücksichtigt ge¬
lassen. Das „Liebelei“=Drama bogen sie in ein
einfaches Liebesdrama um. Da geht es nicht mehr
um das bedenkenlose Spiel mit Mädchenherzen,
sondern um den effektiven Bestand von Liebes¬
beziehungen, die stark und ernst sind (Fritz läßt
sich von Christine ewige Liebe schwören!), und die
nur ihr unglückliches Ende finden, weil Fritz
das Opfer der Übersteigerung des Ehrbegriffs
innerhalb seiner Gesellschaftsschicht wird und im
Duell fällt, gegen das Theodor (Offizier gleich
seinem Freund) so flammende Anklage erhebt,
daß er quittieren muß. Auf dem Weg vom Buch,
vom Bühnenstück zum Filmmanuskript, ist also
die Schnitzlersche Problemstellung in Verlust ge¬
raten, ist die Tendenz veränderi worden Trotz¬
dem kam da ein (von Wilhelm und Alexander
unter Max Ophüls und Jarossys Mitarbeit
verfaßtes) Drehbuch zustande, das Kuliur und
dichterische Linie hat und dem Regisseur eine
Menge dankbarer Aufgaben bietet, deren Lösung
Max Ophüls, dem genialen jungen Spiel¬
leiter, größtenteils bis zur Vollendung geglückt
ist. Es sind in wunderbare Stimmung getauchte
Szenen sonder Zahl vorhanden. Und wie Opbuls
das Filmbild und die Menschen darin sieht das
bezeugt sein Wissen um das Wesen und die Kunst
des tönenden Films und seine bedeutende Ge¬
staltungsgabe.
Die Schauspieler sind von Ophüls vortrefflich
beraten. Mit Magda Schneider ist jenen eine
angenehme Überraschung bereitet die für diese
vielseitig talentierte junge Schauspielerin bereits
das Klischee der Rollen gelten ließen, in denen
man sie bisher gesehen. Magda Schneider ist eine
beseelte, süße (nicht süßliche!), eine strahlend=reine
Christine und eine Darstellerin, die einer der
schwersten Rollenpflichten die ihr je geworden,
nicht mit überl, blichkeit, sondern sichtlich mit
dem ehrfurchtvollen Willen, ihr vollauf gerecht
zu werden, gewidmet, hingegeben ist! Luise
Ullrich, eine darstellerisch gewiß ausreichende
und in der Charakterisierung wohlgetroffene,
ausgezeichnete Schlager=Mizzi hätte noch etwas
mehr Humor aus der Rolle holen müssen Wolf¬
gang Liebeneiner für den Fritz ist, bis auf
den Rest preußischen Akzeuts, der seiner Sprache
anhaftet, ebenso geeignete Besetzung, wie Willy
[Eichberger für den Theodor, Olga Tsche¬
chowa für die hysterisch=liebeshungrige Boronin
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ellzeile Nr. 11
1e11,
Telafon R-23-0-43
„Machlatt Wien
26
Neues Wiener I-Osth un
„Aiebelei.“
Es ist bestimmt nicht leicht, Arthur Schnitzler zu ver¬
filmen. Der Tonfilm will das Bild, die Handlung. Wohl
bringt er auch Worte, aber nur selten, was hinter den
Worten liegt. Schnitzler brauchte das Theater. Besonders
schwer aber hat es ein Tonfilm „Liebelei“ da das Theaker¬
stück „Liebelei“ in einer Musteraufführung bei Reinhardt
jetzt gespielt wird. Der nfilm „Liebelei“ ist nicht ganz
Schnitzlers Kind. Immerhin hat man filmische Bearbeitungen
Schnitzlerscher Stücke gesehen, als der Film noch stumm war,
die viel weniger dem Geiste des Dichters entsprachen. Dem
Regisseur Max Ophüls ist es gelungen, im Film ein¬
zufangen, was der Dichter Schnitzler brauchte, was die Basis
seines Schaffens war: das Wien der Vorkriegstage, die Sorg¬
losigkeit, die sich ihre Sorgen suchte, weil sie zu schwermütig
war, um auf sie verzichten zu können. Das Wien der süßen
Mädels, der strahlenden Offiziere, die einer Opernpremiere
erst den richtigen Hinkergrund schafften. Wien spielt mit in
diesem Film, nicht bloß Wiener Künstler, die eigentlich
spärlich gesät sind gerade in diesem wienerischen Werk, aber
Wiener Bauten und Wiener Luft. Schnitzlersche Philosophie
konnte der Tonfilm nicht bringen, denn er ist gezwungen, mit
Worten zu sparen. Unter den wenigen Worten aber ist
manches gar nicht von Schnitzler, sondern von den Autoren
des Drehbuches Hans Wilhelm und Kurt Alexander.
Es sind treffende Bemerkungen, wie sie der Tonfilm braucht.
Der Dichter kann sie beruhigk verzeihen. Er hätte ja wahr¬
scheinlich nie eine Liebelei mit dem Tonfilm begonnen. Dafür
war seine große Liebe zum Theater zu stark.
Sehr schwer hat es auch Magda Schneider, die
Darstellerin der Christine, da man sie allabendlich mit Paula
Wessely vergleichen kann. Sie ist keine Wienerin, aber in
hrem Herzen blüht, wenn schon nicht der Walzer selbst, so
doch die Sehnsucht nach dem Walzer. Lang hat sie in ihren
rüheren Filmen nur das süße Mädel gespielt. Aber sie ist
virklich eines. Nur Zufall ist es, daß sie nicht in Wien ge¬
boren wurde. Und sie gibt eine ganz überraschend gute
Leistung, wenn man bedenkt, daß sie bis jetzt immer nur ein
happy end erleben durfte. Ergreifend ist ihre Schlußszene.
Uebrigens merkt man ihr direkt die Freude an der Rolle an.
Es tut so wohl, einmal unglücklich sein zu dürfen, da doch ihr
Rollenfach sie bisher immer zum Glücklichsein verdammte.
Sie ist nicht bloß eine entzückende Operettensängerin, sondern
eine Künstlerin. Luise Ullrich spielt die Schlager=Mizzi.
Sie bringt bestes Theater auf die Leinwand. Schade, daß wir
diese Schauspielerin schon lange nicht mehr in Wien haben.
WWas Magda Schneider noch erarbeiten muß, fliegt ihr von
elbst zu. Denn sie hat der Wiener Himmel selbst gesegnet.
Sehr nett ist Willy Eichberger, der wieder einmal einen
„Oberleutnant spielt. Olge Tschechowa leiht ihr großes
Können einer kleinen Rolle. Paul Hörbiger ist vielleicht
ein bißchen zu deutsch für seinen alten Weyring. Da schluchzt
„1e Nr. 11
Wien,
Telsfon R-23-0-43
Der Tag Wiet
933
26 F
„Liebelei“
Als Max=Ophüls=Film mit Magda Schneider.
i Arthur Schnitzlers „Liebelei“ ist nicht
mur als Zeitbild zu werten. Unverzänglich ist
der Sinn der Dichtung. Und aktuell sind wie am
fersten Tage auch ihr Problem und ihre Tendenz.
„Liebelei“, das Wort kennzeichnete den Begriff
der leichtfertigen Auffassung von Wert und Be¬
stand jener Gefühle, die, spielerisch wachgerufen,
sich verdichten, im Herzen verankern und zu
heiligsten werden können. Die Sohne aus gutem
Haus haben kein Bedenken, dem Usus ihrer
Gesellschaftsklasse zu folgen und „süße Mädels“
für ihren Zeitvertreib zu akquirieren. Im beson¬
deren Fall ist die Schuld der Einleitung solch
bedenklicher Liebeständelei verschärft, weil Theo¬
dor seinen Freund Fritz von einer peinlichen!
Weibergeschichte abzulenken versucht, indem er
ihm Christine als Freundin zuführt. Der Mi߬
brauch mit echten und tiefen Empfindungen ver¬
ursacht die Tragödie der Christine. Und wenn
dies zartbesairete, sensible, mit der Leidenschaft
eben erst erwachter Neigung liebende Geschöpf
angesichts der Katastrophe kein Verständnis
dafur aufbringen kann, daß der Mann, der für
sie alles bedeutete, hingehen und sich für eine
andere Frau totschießen lassen konnte, während
er für Christine nichts als einen Gruß übrig
hatle, so ist damit die ungeheure Tragik eines
Mädchenschicksals gezeichnet.
Die Filmbearbeiter haben — ob wissentlich
oder unwissentlich, läßt sich nicht erraten — die
Schnitzlersche Grundtendenz unberücksichtigt ge¬
lassen. Das „Liebelei“=Drama bogen sie in ein
einfaches Liebesdrama um. Da geht es nicht mehr
um das bedenkenlose Spiel mit Mädchenherzen,
sondern um den effektiven Bestand von Liebes¬
beziehungen, die stark und ernst sind (Fritz läßt
sich von Christine ewige Liebe schwören!), und die
nur ihr unglückliches Ende finden, weil Fritz
das Opfer der Übersteigerung des Ehrbegriffs
innerhalb seiner Gesellschaftsschicht wird und im
Duell fällt, gegen das Theodor (Offizier gleich
seinem Freund) so flammende Anklage erhebt,
daß er quittieren muß. Auf dem Weg vom Buch,
vom Bühnenstück zum Filmmanuskript, ist also
die Schnitzlersche Problemstellung in Verlust ge¬
raten, ist die Tendenz veränderi worden Trotz¬
dem kam da ein (von Wilhelm und Alexander
unter Max Ophüls und Jarossys Mitarbeit
verfaßtes) Drehbuch zustande, das Kuliur und
dichterische Linie hat und dem Regisseur eine
Menge dankbarer Aufgaben bietet, deren Lösung
Max Ophüls, dem genialen jungen Spiel¬
leiter, größtenteils bis zur Vollendung geglückt
ist. Es sind in wunderbare Stimmung getauchte
Szenen sonder Zahl vorhanden. Und wie Opbuls
das Filmbild und die Menschen darin sieht das
bezeugt sein Wissen um das Wesen und die Kunst
des tönenden Films und seine bedeutende Ge¬
staltungsgabe.
Die Schauspieler sind von Ophüls vortrefflich
beraten. Mit Magda Schneider ist jenen eine
angenehme Überraschung bereitet die für diese
vielseitig talentierte junge Schauspielerin bereits
das Klischee der Rollen gelten ließen, in denen
man sie bisher gesehen. Magda Schneider ist eine
beseelte, süße (nicht süßliche!), eine strahlend=reine
Christine und eine Darstellerin, die einer der
schwersten Rollenpflichten die ihr je geworden,
nicht mit überl, blichkeit, sondern sichtlich mit
dem ehrfurchtvollen Willen, ihr vollauf gerecht
zu werden, gewidmet, hingegeben ist! Luise
Ullrich, eine darstellerisch gewiß ausreichende
und in der Charakterisierung wohlgetroffene,
ausgezeichnete Schlager=Mizzi hätte noch etwas
mehr Humor aus der Rolle holen müssen Wolf¬
gang Liebeneiner für den Fritz ist, bis auf
den Rest preußischen Akzeuts, der seiner Sprache
anhaftet, ebenso geeignete Besetzung, wie Willy
[Eichberger für den Theodor, Olga Tsche¬
chowa für die hysterisch=liebeshungrige Boronin