II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1739

Liebele

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ODSERTT

Buro für Zoitungsnachrichten
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WIEN I, WOLLZEILE 11
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Jour m1,
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von 26.2. 1935.

zLiedeler Aenaissäuee.
[Ausmeinen Erinnerungen an Artur Schnitzler.
Von
Rudolph Lothar.
Das Theater in der Josefstadt bringt Schnitzlers
„Liebelei“ in einer wundervollen Aufführung heraus, vielleicht
der besten, die das Stück in Wien erlebt hat. Ein Großfilm
„Liebelei“ läuft in den Wiener Kinos. Und diese Renaissance des
Stückes ruft mir Zeit und Art seines Entstehens ins Erinnern
zurück.
Die „Liebelei“ war eigentlich in Schnitzlers Schaffen der
Abschluß seines Anatolismus, um ein Wort Julius Bauers zu
gebrauchen. Fritz Lobmeyer ist ebensosehr Anatol, wie sein
Freund Theodor Kaiser mit Max blutsverwandt ist. Und beide
wieder, Theodor und Max, sind das Spiegelbild eines der besten
Freunde, die Artur Schnitzler je gehabt hat, des Dr. Fritz
Kapper. Viele Gespräche zwischen Anatol und Max, zwischen
Fritz und Theodor sind wörtlich gleichlautend mit Gesprächen,
die Artur und Fritz miteinander geführt haben. Wenn aber
auch Max und Theodor fast vorträtgetreu gezeichnet sind,
Anatol hat viele Eigenschaften von Schnitzler, ohne mit ihm
identisch zu sein. Er nähert sich dem Selbstporträt am meisten
dann, wenn die Schwermut ihre Schatten über die Jugend wirft
und der Zwiespalt der Gefühle ihn an einen schicksallasten
Kreuzweg stellt. Ja, der Zwiespalt der Gefühle, das wer ein
Hauptthema unserer Unterhaltungen! Schnitzler wohnte damals
Burgring 1, im selben Hause wie seine Eltern, die eine herrliche
Wohnung mit Aussicht auf die Ringstraße hatten; Artur besaß
aber als Ordinationszimmer bloß ein Hofzimmer und in diesem
engen Zimmerchen debattierten wir alltäglich stundenlang über
Probleme des Lebens und der Liebe. Kann ein Mann gleichzeitig
zwei Frauen lieben? Ein Mann kann zwei Freunde haben und
beiden gleich ergeben und treu sein, er kann für Rotwein und
Weißwein schwärmen — warum also nicht auch gleichzeitig für
Blond und Schwarz? Der Mann zwischen zwei Frauen war ein
Lieblingsthema Schnitzlers. Er behandelte es im „Anatol“ in der
„Liebelei“, im „Ruf des Lebens“ wo Max zwischen Irene und
Marie steht und auch Marie erleben muß, daß der Geliebte für
eine andere stirbt. Bedeutet die gleichzeitige Liebe eines Mannes
zu zwei Frauen immer einen Betrug? Gibt es nicht eine
Simultanität der Gefühle, die ein Recht des Herzens und kein
Unrecht an der Geliebten ist? Wenn Treue nicht ein Gegen¬
geschenk ist, dann ist sie die törichtste aller Verschwendungen, sagt
Schnitzler. Und er neigte immer mehr dazu, die Gebankensünde
schwerer zu nehmen als den Leichtsinn des Fleisches. Das
Problem der Gedankensünden, sozusagen des bett verischen
Denkens, hat ihn Zeit seines Lebens beschäftigt. „Es bedeutet zu¬
weilen einen schlimmeren Betrug an der Geliebten, sie selbst als
eine andere in den Armen zu halten. Dieser späte Spruch aus
Schnitzlers Aphorismenweisheit deckt sich mit Verse aus einem
seiner frühesten Werke, dem kleinen Drama „Alkandis Lied“ das
1890 in der Zeitschrift „An der schönen blauen Donau“ erschien.
Da ruft König Assad seiner Frau zu:
„Nun weiß ich's doch, wer eurer Küsse Glut
Seit Monden mir zu rauben sich vermessen,
Ich fühlt es ja, ich fühlt es allzu gut,
In meinen Armen hast du mich vergessen.“
An jenem Winterabend, da Anatol Frau Gabriele be¬
gegnet, um mit ihr Weihnachtseinkäufe zu besorgen, erzählt er
ihr von seinem süßem Mädel, das die weiche Anmut eines
Frühlingsabends hat und den Geist eines Mädchens, das zu
lieben weiß, und die Weltdame Gabriele schickt der kleinen
Geliebten einen Blumenstrauß. Aus dieser kleinen Geliebten
wurde dann die Christine der „Liebelei“. Und Fritz steht ebenso
zwischen Christine und der Weltdame, für die er in den Tod
gehen muß, wie Anatol zwischen seiner Freundin aus der
großen und seiner Freundin aus der kleinen Welt.
Schnitzler dachte sich die „Liebelei“ zuerst als ein Volks¬
stück in acht Bildern. Das erste Bild spielte in einer Tanzschule
auf der Wieden, Herr Döselmeyer fenior ist der Besitzer, Herr
Döselmeyer junior der Tanzarrangeur, der streng darauf achtet,
daß nur „draußen auf der Stiegen“, nicht aber im Saal ge¬