II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1762

NV K
Vollzeile Nr.1#
Wien,
Telafon R-23-0-60
IGEE AMESRIEFTETTUNA
8 MBZ. 1933
cc
„Tiebele
Titaniapalast und Atrium
Schnitzlers tragische Liebesgeschichte mit dem
spielerischen Titel und der wienerischen Luft macht im
Film, so eng er sich im allgemeinen an das Schauspiel
hält, einige bemerkenswerte Wandlungen durch. Es ist
selbstverstandlich und richtig, daß er Vorgeschichte und
breitere Umwelt farbig und handelnd mit einbezieht. Die
Frau, die der junge Offizier liebt, bei Schnitzler nur er¬
wähnt, erscheint als Baronin Eggersdorff (Olga Tsche¬
chowa) eindrucksvoll und schon bange Verwirrung
kündend. Dazu ihr Mann (Gustaf Gründgens), eifer¬
süchtig spürend; und seine Umgebung mit dem ge¬
fährlich
zündenden Klatsch
aus¬
(Paul Otto,
gezeichnet in der Nebenrolle des Bruders); und das Auf¬




S
S
„Liebelei“
Magda Schneider und Wolfgang Liebeneiner
in dem Film nach Schnitzler
finden der belastenden Liebesbriefe. Und weiter der
düstre Ablauf: Ehrengericht, Vorbereitung und Ausgang
des Duells —, der erste Schuß, der dem betrogenen Gatten
gehört, und das Warten, vergeblich, auf den Schuß des
anderen. Und endlich: der hinzuerfundene Selbstmord
des Mädchens.
Das alles gehört ohne Zweifel in eine gut aus¬
wertende Verfilmung des Schauspiels. Auch die Ueber¬
tragung in militärisches Milieu, wenn schon manchmal
ein wenig operettenhaft allzu=österreichisch, hat den Erfolg
der Kolorits für sich.
Was sich aber wesentlich dabei verändert, das ist das
Gewicht der Liebesgeschichte. Fritz und Christine (Wolf¬
gang Liebeneiner und Magda Schneider) sind es
auch hier. Während aber bei Schnitzler nur das Mädchen
der vergängnisvoll großen Liebe verfällt, und der junge
Mann die halb spielerisch, halb melancholisch bewußte
Distanz wahrt, stehen hier beide gleich im tragischen Ab¬
lauf. Damit geht ein Sinn des Schauspiels verloren:
daß es Menschen gibt, denen wesensmäßig auch die leichtest
gewollte „Liebelei“ zur Fesselung ins Schicksal werden
muß.
Im übrigen hat aber gewiß der Film das Recht, die
Geschichte in seiner Weise zu erzählen. Er führt sie durch¬
aus folgerichtig und in sich geschlossen durch, als eine
würdige und belebte und zum Teil sehr eindrucksvoll sicht¬
bar machende Nach= und Neuerzählung.
Um so unverständlicher ist bei der zweifellos fein¬
fühligen Arbeit des Regisseurs Max Ophüls eine ganz
unnötig hinzu gemachte, krasse, unmögliche und peinlich
lächerliche Szene: der als Sekundant ausersehene Ober¬
leutnant hält seinem Kommandeur eine vor Anteilnahme
fassungslose Ansprache über Menschlichkeit und Wahnsinn
des Zweikampfs, in einem Pathos, wie es selbst zwischen
Zivilisten nicht üblich. Diese Szene erinnert an die
Bühnendeklamationen von vor fünf Jahren, Einlagen für
Humanitäts=Applaus. Man schneide das unwahre Edel¬
Liebele
box 13/4
3. nnnn
gewächs heraus, damit es nicht am ganzen Stilgefühl des
Regisseurs irre mache.
Von den Darstellern ist nur Gutes zu sagen. Magda
Schneider ist von warmer, sänfter, gar nicht leinwand¬
üblicher Schönheit, wirklich gleichermaßen geborgen und
verloren in Liebe. Luise Ullrich, das „süße Mädel“,
sehr „lieb“, echt und ohne Uebertreibung. Wolfgang
Liebeneiner und Willi Eichberger, der Freund, an¬
genehm in Haltung und Zurückhaltung auch in den
tragischen Augenblicken. Paul Hörbiger bescheiden und
von selbstverständlicher Menschlichkeit.
Ein paar ganz vorzügliche, innerlich lebendige Bilder:
ein nächtlicher Weg des Paares durch alte Gassen; eine
Schlittenfahrt in Winterpracht des Waldes mit einem
wehmütigen Unterklang des in der Stadt nur für kurze
Stunden zurückgelassenen Schicksals. Einige solcher Film¬
bilder sind nicht Schnitzlerisch aber auch nicht weniger
dichterisch.
GWRVER
konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Vermania, Berli
18 UP

NEUEFILNE
Liebelei

Atrium und Titania=Palast.
Hans Wilhelm und Kurt Alexander lassen dieses
erfolgreichste aller Schnitzlerschen Schauspiele in Militärkreisen
des Vorkriegsösterreich spielen, vielleicht um das Duell Eggers¬
dorf—Lobheimer glaubhafter zu machen. Recht gut kommt die
Tragödie des jungen Dragoneroffoziers und der Musikerstochte
Mizzi heraus, die Auseinandersetzung zwischen dem Oberleut¬
nant und seinem Vorgesetzten wirkt bombastisch und gesucht.
Max Ophüls' geschickte Regie trifft ausgezeichnet Milien und
Ton, er erliegt auch nicht der Gefahr, das Ganze in Sentimen¬
talität versacken zu lassen, die Stimmungsübergänge z. B. vo
Ausgelassenen ins Tragische gelingen ihm sehr wohl, er vermag
sogar Magda Schneider ihrer bisherigen Niedlichkeit zue
reißen. Ihre besten Momente hat sie als schüchternes
Mädel für die letzten Szenen — bei allem ehrlichen Wi
reicht sie nicht aus. Für die lebenslustige und lebenskluge
ist Luise Ulrich wie geschaffen, in der Rolle der Bart
Eggersdorf fällt Olga Tschechowa angenehm auf. Wil
Eichberger und Wolfgang Liebeneiner als die beiden
so verschieden gearteten Freunde, beides gleichgute Leistungen
in der sicheren Verkörperung des besonderen Typs. Als gütiger,
verstehender Vater sei Paul Hörbiger genannt, als unerbitt¬
licher Major Paul Otto, Gustaf Gründgens als Baron
Eggersdorff erstarrt fast zur Maske. Sehr schöne Aufnahmen
von Heinz Landsmann, Theo Mackebens Musik nie
vordringlich, untermalt das Geschehen. Verdienter Beifall, der
auch für das voraufgehende ausgewählte Bühnenprogramm:
Edith Lorand mit ihrem Kammer=Orchester und
Märzel Wittrisch von der Staatsoper, gilt.
Die Kamera zeigte zum Gedenken an Lupu Pieks
zweiten Todestag den ersten und letzten Tonfilm dieses aus¬
gezeichneten Schauspielers und Regisseurs. Der Film
Gassenhauer“ ist von künstlerischer Eigenart und betont
Bezirke, die weitab von dem Herkömmlichen des Films liegen.
Es ist etwas Gefühlsbetontes in ihm, das sich nicht durch eine
rührselige Fabel äußert, sondern mehr durch Kleinigkeiten und
Nebendinge.
Eine handfeste Kriminalgeschichte wird mit
eiger Liebesgeschichte verwoben. Aber es ergibt sich alles so
nebenher, daß man niemals die Absicht spürt. Das Leben
dichtet sich selbst. — Und was noch das Vorzüglichste an diesem
Film, das ist die Verlebendigung des Milieus: das Mietshaus
mit den heimeligen Ecken seiner Armut und den muffigen
Plüschmöbeln des verderbten Bürgers. Es ist die Kunst des
Regisseurs Lupu Piek!