II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1870

5.
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Liebeler
„OBSERVER'
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WIEN, I., WOLLZEILE 11
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Ausschnitt aus:
Nenes Wiener Journal, Wien
31. JAl 1933
Juni=Fesspiele des Grazer
Siadstheuters.
„Der Tor und der Tod“ von Hofmannsthal und „Liebelei“
von Schnitzler. (Gastspiel des Burgtheaters.)
Aus Graz wird uns geschrieben: Montag eröffnete die
Arbeitsgemeinschaft des Grazer Stadttheaters die Juni¬
Festspiele mit einem „Oesterreichischen Abend“. Zur Aufführung
gelangten „Der Tor und der Tod“ von Hugo v. Hof¬
mannsthal und „Liebelei“ von Artur Schnitzler. Durch
die Mitwirkung von Mitgliedern des Burgtheaters und des
Deutschen Volkstheaters wurde der Abend zu einem hoch¬
wertigen künstlevischen Ereignis. Dominierte Raoul Aslan
in „Der Tor und der Tod“ durch sinnvollste Gestaltung des
Edelmannes Claudio, so muß man auch Reinhold Siegert
nennen, der dem Tod eindruckvollstes Spiel gab. Maria
Emmerich Reimers, Maria Gutmann
Mayen,
ergänzten vollendet die Aufführung.
In der hierauf folgenden Vorstellung der „Liebelei“ muß
man vor allem Maria Mayen nennen, die als Christine im
letzten Akt das Haus aufs tiefste bewegte. Daß Alma Seidler
als Mitzi ein prächtig natürliches Wiener Mädel war, bedarf
kaum besonderer Feststellung. Ausgezeichnet auch Kurt Lessen
als Weiring. Mit wenigen Strichen gab Aslan dem Herrn
einprägsamste Gestaltung. Emmerich Reimers als Fritz
und Walter Huber als Theodor rundeten die Aufführung,
die stärksten Eindruck hinterließ, sorgfältig ab. J. O. L.
Ausschnitt aus:
srazer Tagur
31. MAI 1933
vom:
Burgtheatergastspiel
Hofmapüsthal: „Der Tor und der Tod.“ — Schnitzler:
„Liebelei.“
Wenn von Burgtheatermitgliedern ein als Festvor¬
stellung angekündigter österreichischer Abend veranstaltet
wird, dann ist anzunehmen, daß die zur Aufführung ge¬
langenden Dichter Repräsentanten des lautersten, tief¬
sten und echtesten Österreichertums sind. Das ist weder
bei Schnitzler noch bei Hofmannsthal der Fall, die einer
ganz bestimmten intellektuellen Großstadtschicht angehören,
durch deren Mund niemals ein wahrhaft volksverbunde¬
ner Mensch sprach, deren Werke überdies einer zeitlich
bloß knapp umrissenen Epoche Wiens angehören. Mit
ihnen ist ein „Österreichertum“ zu Grabe gegangen, das
vom internationalen Wien als maßgebend und bezeich¬
nend in der ganzen Welt propagiert wurde, weil es im
Grunde vielleicht gerade das vermissen ließ, was für den
deutschen Volkscharakter unserer Alpenländer wirklich
bluthaft und ideell den Ausschlag gibt. Das sind Tat¬
sachen, die heute, wo das Schlagwort vom „österreichi¬
schen Menschen“ überall hingetragen wird, jenseits aller
politischen Auswertung auf dem Gebiete der Kunst un¬
beirrt festgestellt werden müssen. Denn hier liegt eine
der Wurzeln des Irrtums, der nicht von außen, von
anderen Völkern und Ländern, sondern nur von innen,
von uns selbst, festgestellt und auch richtiggestellt werden
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muß.
Halbheit, seelische Dämmerzustände, Zwiespältigkeit
der Gefühle, erotische Exaltationen, spielerische Todes¬
mystik, krankhaft gesteigerte Empfindungsfeligkeit, all
das, wofür die Namen Schnitzlers wie Hofmannsthals
bezeichnend wurden, sind nicht wesentliche Züge des
Österreichers, dessen urwüchsige Erdverbundenheit, dessen
tatkräftigen Idealismus, dessen lebensaktive Antriebe
man so gerne vergessen oder noch lieber totschweigen
möchte. Sie sind vielmehr der Ausdruck des impressioni¬
stischen Wiens, für das noch Korngolds „Tote Stadt“
musikalisch genau so bezeichnend ist, wie es Schnitzlers
„Anatol“ literarisch war. Hofmannsthal greift mit
größerer dichterischer Kraft tiefer in die Probleme: doch
auch er bleibt ein Ringender, dem über allem artistischen
Können die feelische Erfüllung versagt ist.
Gespielt wurde unter Hans Sonnenthals Lei¬
tung selbstverständlich ausgezeichnet und nur so waren
beide Stücke möglich. Raoul Aslans Tor wäre ein¬
facher und weniger „gekonnt“ noch eindringlicher ge¬
wesen, Reinhold Siegerts Tod bezwang allein schon
„Liebelei“ bot eine
durch den Edelklang des Organs.
Fülle prächtiger Einzelleistungen, voran die beiden
typenverschiedenen Wiener Mädels von Maria Mayen
und Alma Seidler. Christine war herzensschlicht, er¬
schütternd in ihrer großen, reinen, einfältigen Leiden¬
schaft, Mizzi temperamentvoll oberflächlich, erheiternd
naiv und vorstadtecht. Kurt Lessen zeichnete Künstler¬
natur und Vater mit gleich starken Strichen. Die bei¬
den jungen Wiener Herren wurden von Emmerich Rei¬
mers und Walter Huber nach Gefühlstiefe und
bloßer Unterhaltungssucht scharf kontrastiert. Maria
Guttmann war eine waschechte Frau von der Peri¬
pherie Wiens.
Das Publikum ehrte die Darsteller durch lebhaften
Dr. N. L.
und nachhaltigen Beifall.