Liebele
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Deutsches Theater
8
Schlußvorstellung des deutschen Theaters
Liebelei. — Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler
Vor 15 Tagen öffneten sich die Pforten des Theaters,
um die Wiener Künstlerschar freudig willkommen zu
heißen, und heute herrscht schon wieder lantlose Stille im
kleinen Theatersaale. Der Vorhang, der nach der gestrigen
Vorstellung fiel, wird erst nach langer Zeit wieder in die
Höhe gehen.
Zum Abschied wählte das deutsche Ensemble die
„Liebelei“, das erste erfolgreiche Stück des berühmten
Wiener Bühnendichters Arthur Schnitzler, das auf all¬
gemein menschlichen Erleben aufgebaut, auch heute, nach
31 Jahren, auf den Zuschauer tiefen Eindruck ausübt. Es
ist das Trauerspiel eines schlichten Bürgermädchens, das
ihr Herz ganz hingegeben hat und dafür ein ganzes Män¬
nerherz gewonnen zu haben glaubi, jedoch nach dem plötzli¬
chen Tode des Geliebten, der in einem Duell für eine an¬
dere Frau fiel, erfährt, daß die Beziehungen für ihm nur
eine Liebelei gewesen seien. Es ist der Zusammenstoß zweier
Weltanschauungen über die Liebe, die von einigen als ernste
Lebensfrage, von anderen als Zerstreuung, Erholung auf¬
gesaßt wird.
Die gestrige Vorstellung war eine der besten Auffüh¬
rungen, die wir vom Wiener Schauspielensemble während
des kurzen Gastspieles zu sehen bekamen. Die zweierlei
Menschentypen waren durch Frl. Schefranek und
Herrn Grünert, sowie durch Frl. Baumgartner
und Herrn Sima vertreten. Frl. Baumgartner war ein
reizendes, gemütliches, in der Liebe recht rasche Abwechs¬
lung liebendes („wer denkt im Mai an August") Wiener
Mädel, Herr Sima ein flott lebender Wiener Student, der
mit der Liebe ebenfalls nicht viel Aufsehens macht. Die
Rolle des ernst liebendes jungen Mannes spielte Herr
Grünert mit steigender Gestaltungskraft. Die Hauptheldin
des gestrigen Abends war aber entschieden Frl. Schefra¬
nek, nicht nur durch die vom Autor ihr zugedachte Rolle,
sondenn hauptsächlich durch ihre erstrangige künstlerische
Glanzleistung. Sie spielte nicht, sie überlebte die von Szene
zu Szene wachsende Liebe und die fürchterliche Enttäu¬
schung, welche sich im dritten Akte in schauerlichen Leiden¬
schaftsausbrüchen austobt. Wir bewunderten während der
Gastspielzeit stets das starke Talent dieser jungen Künstle¬
rin, aber niemals ahnten wir, daß ihr ungeröhnliches
Können auch in so tragische Höhen reiche. Der unwilltür
liche und unwiderstehliche Wiener Humor widerspiegelte sich
in der Kabinettfigur der Strumpfwirkersfrau, welche Frau¬
Prandau mit fein unterstrichenen Zügen unübertreff¬
lich charakterisierte. Ebenfalls eine Figur aus dem Lehen
stellte Herr Czell in der Rolle des verständnisvollen
Vaters dar, der durch das Unglück seines heißgeliobien
Töchterleins vollkommen zerknirscht wurde.
Seinen Schmerz, den er in den Schlußworten des
Stückes — „Sie kommt nicht wieder!“— ausspricht, ems¬
fand und teilte jeder Zuschauer; den Gefühlen des Publi¬
kums mengte sich aber noch das Leid um den Verlust zu,
die deutsche Gesellschaft wieder geraume Zeit entbeh¬
ren zu müssen. Nachdem der Vorhang fiel, wollte der Bei¬
fall kein Ende nehmen, und erreichte den Höhepunkt, als
Direktor Strial die Bühne betrat und inmitten seiner
Künstlerschar mit vielen Verbeugungen für die Gunst des
Temesvarer Publikums dankte. Und die armen, verlassenen
Temesvarer scheiden schweren Herzens von den vorzüg¬
lichen Wiener Künstlern, die wir lieb gewonnen und denen
wir eine Reihe unindlich schöner Abende zu verdanken
haben. Gleichzeitig dringen wir unbedingt darauf, daß die
Direktion Mittel finde, nach Absolvierung des jetzigen
Programmes wieder nach Temesvar zurückzukehren und
zwar nicht nur für so kurze Zeit, wie letzthin.
Mit Freude haben wir ihr Kommen begrüßt, mit den
besten Wünschen lassen wir sie scheiden. Und wir sind über¬
zeugt, daß auch Hatzfeld, Orawitza und Lugosch, wohin sie
ihr Künstlerweg nun führt, die Dankbarkeit für ihre Kul¬
turleistung ebenso warm im Ausdruck verfrüren werden,
wie es in Temesvar der Fall war.
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Deutsches Theater
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Schlußvorstellung des deutschen Theaters
Liebelei. — Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler
Vor 15 Tagen öffneten sich die Pforten des Theaters,
um die Wiener Künstlerschar freudig willkommen zu
heißen, und heute herrscht schon wieder lantlose Stille im
kleinen Theatersaale. Der Vorhang, der nach der gestrigen
Vorstellung fiel, wird erst nach langer Zeit wieder in die
Höhe gehen.
Zum Abschied wählte das deutsche Ensemble die
„Liebelei“, das erste erfolgreiche Stück des berühmten
Wiener Bühnendichters Arthur Schnitzler, das auf all¬
gemein menschlichen Erleben aufgebaut, auch heute, nach
31 Jahren, auf den Zuschauer tiefen Eindruck ausübt. Es
ist das Trauerspiel eines schlichten Bürgermädchens, das
ihr Herz ganz hingegeben hat und dafür ein ganzes Män¬
nerherz gewonnen zu haben glaubi, jedoch nach dem plötzli¬
chen Tode des Geliebten, der in einem Duell für eine an¬
dere Frau fiel, erfährt, daß die Beziehungen für ihm nur
eine Liebelei gewesen seien. Es ist der Zusammenstoß zweier
Weltanschauungen über die Liebe, die von einigen als ernste
Lebensfrage, von anderen als Zerstreuung, Erholung auf¬
gesaßt wird.
Die gestrige Vorstellung war eine der besten Auffüh¬
rungen, die wir vom Wiener Schauspielensemble während
des kurzen Gastspieles zu sehen bekamen. Die zweierlei
Menschentypen waren durch Frl. Schefranek und
Herrn Grünert, sowie durch Frl. Baumgartner
und Herrn Sima vertreten. Frl. Baumgartner war ein
reizendes, gemütliches, in der Liebe recht rasche Abwechs¬
lung liebendes („wer denkt im Mai an August") Wiener
Mädel, Herr Sima ein flott lebender Wiener Student, der
mit der Liebe ebenfalls nicht viel Aufsehens macht. Die
Rolle des ernst liebendes jungen Mannes spielte Herr
Grünert mit steigender Gestaltungskraft. Die Hauptheldin
des gestrigen Abends war aber entschieden Frl. Schefra¬
nek, nicht nur durch die vom Autor ihr zugedachte Rolle,
sondenn hauptsächlich durch ihre erstrangige künstlerische
Glanzleistung. Sie spielte nicht, sie überlebte die von Szene
zu Szene wachsende Liebe und die fürchterliche Enttäu¬
schung, welche sich im dritten Akte in schauerlichen Leiden¬
schaftsausbrüchen austobt. Wir bewunderten während der
Gastspielzeit stets das starke Talent dieser jungen Künstle¬
rin, aber niemals ahnten wir, daß ihr ungeröhnliches
Können auch in so tragische Höhen reiche. Der unwilltür
liche und unwiderstehliche Wiener Humor widerspiegelte sich
in der Kabinettfigur der Strumpfwirkersfrau, welche Frau¬
Prandau mit fein unterstrichenen Zügen unübertreff¬
lich charakterisierte. Ebenfalls eine Figur aus dem Lehen
stellte Herr Czell in der Rolle des verständnisvollen
Vaters dar, der durch das Unglück seines heißgeliobien
Töchterleins vollkommen zerknirscht wurde.
Seinen Schmerz, den er in den Schlußworten des
Stückes — „Sie kommt nicht wieder!“— ausspricht, ems¬
fand und teilte jeder Zuschauer; den Gefühlen des Publi¬
kums mengte sich aber noch das Leid um den Verlust zu,
die deutsche Gesellschaft wieder geraume Zeit entbeh¬
ren zu müssen. Nachdem der Vorhang fiel, wollte der Bei¬
fall kein Ende nehmen, und erreichte den Höhepunkt, als
Direktor Strial die Bühne betrat und inmitten seiner
Künstlerschar mit vielen Verbeugungen für die Gunst des
Temesvarer Publikums dankte. Und die armen, verlassenen
Temesvarer scheiden schweren Herzens von den vorzüg¬
lichen Wiener Künstlern, die wir lieb gewonnen und denen
wir eine Reihe unindlich schöner Abende zu verdanken
haben. Gleichzeitig dringen wir unbedingt darauf, daß die
Direktion Mittel finde, nach Absolvierung des jetzigen
Programmes wieder nach Temesvar zurückzukehren und
zwar nicht nur für so kurze Zeit, wie letzthin.
Mit Freude haben wir ihr Kommen begrüßt, mit den
besten Wünschen lassen wir sie scheiden. Und wir sind über¬
zeugt, daß auch Hatzfeld, Orawitza und Lugosch, wohin sie
ihr Künstlerweg nun führt, die Dankbarkeit für ihre Kul¬
turleistung ebenso warm im Ausdruck verfrüren werden,
wie es in Temesvar der Fall war.