II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 2042

ieb
e1
3. J e. A. u
box 13/8

Ausschnitt aus:
Die Stande, Wies
vom:
5. JUN 1934
Eia Buch vom Wiener Burgtheater
„Ich sehe es als einen Beweis für, war im Burgtheater kein wilder Mann.
das Fortleben, ja für die Notwendig¬
Irgendwo steht er an der Schwelle des heu¬
keit des Theaters im allgemeinen und
tigen Burgtheaters, denn er war es, der
unseres Burgtheaters im besonderen
neben lbsen, Hauptmann durchsetzte, der
an, daß es gerade in so schicksals¬
Arthur Schnizlere „Liebelei“ ins Burg¬
schweren Jahren, wie wir sie jetzt er¬
theaten-brachten denseine Menge Schauspie¬
leben, wieder zu Größe und Wirkung
ler dem Burgtheater verpflichtete, die noch
gelangte, wie sie nur Totgesagten zu¬
heute da sind, und das Wesentliche des
teil wird.“ Aus dem Vorwort des
Ensembles bilden Und er wurde „entfernt“.
Unterrichtsministers Dr. Schuschnigg.
Seine freimütige Sprache, seine Rücksichts¬
losigkeit hohen Herren gegenüber, die sich
„Das Wiener Burgtheater, ein Wahr¬
ing Theaterleben mischen wollten, machten
zeichen österreichischer Kunst und
ihn „unmöglich“, Schlenther kam.
Kultur“ von Rudolph Lothar. Mit
Einen großen Teil des Buches von Ru¬
194 Bildern, erscheint soeben im Au¬
dolph Lothar bildet das fünfte Hauptstück:
garten-Verlag Stefan Szabo.
Von Paul Schlenther bis Hermann Röbbe¬
Dieses Buch von Rudolf Lothar gibt wirk¬
ling“. Hier wird Burgtheatergeschichte er¬
lich eine gründliche Geschichte des Burg¬
zählt, an deren Einzelheiten wir uns noch
theaters. Mit Sachkenntnis, mit Wissen und,
alle erinnern, aber auch hier ist es wieder
was weit mehr bedeutet, mit wirklicher
Lothars Geschicklichkeit, die unterirdischen
Liebe geschrieben. Darum ist Rudolf Lothars
Dinge neben den Zeitungstatsachen aufzu¬
Buch auch keine trockene, zahlengarnierte
spüren und zu erzählen, wie es wirklich ge¬
Chronik, kein Buch eines unentwegten Er¬
wesen ist. Da steht die Denkschrift Schlen¬
innerers, das im Anekdotischen zerfließt,
thers, der ein zweites Haus als dringende
keine langweilige Aufzählung historischen
Notwendigkeit verlangte und der Plan diese,
Materials, es ist ein lebendiges Buch, impul¬
zweiten intimen Burgtheaters ist dann nicht
siv geschrieben, von einem, der die Materie
mehr zur Ruhe gekommen. Albert Heine
in mühseliger Arbeit nicht bloß am Schreib¬
erstattete das Gutachten, indem er das
tisch erfaßt, der das Burgtheater im Raum
Burgtheater einen „Marmorsarkophag der
seines Lebens gefühlsmäßig aufgenommen
Kunst“ nannte. Und immer wieder tauchten
hat. Solche Burgtheaterliebe blüht nicht aus
Projekte auf Projekte auf, andere kleinere
Bühnen zum Burgtheater dazu zu nehmen
Archiven und präzisen Aufzeichnungen,
bis zur Realisierung des Akadiemietheaters
dazu gehört schon menschlicher Kontakt,
als Lustspieltheater.
persönliche Beziehung. Rudolf Lothar ist
Die letzten zwanzig und erst die letzten
jahrzehntelang im Burgtheater ein- und aus¬
zehn Burgtheaterjahre sind voll ungestümer
gegangen als Autor und als Kritiker, und da
Bewegung. Das Burgtheater hatte aufge¬
er ein sorgfältiger, penibler, über die
hört, ein Hoftheater zu sein, die kaiserliche
trockene Historie hinaus sach- und fach¬
Schatulle war geschlossen, aber auch das
kundiger Theatermensch ist, konnte er
„republikanisch-demokratische Regime“
dieses erschöpfende Buch über das Burg¬
hegte dieses wunderbare österreichische
theater schreiben, das neben bekannten
Theater und durch alle Wirrnisse, Palast¬
Daten, neben plastischer Schilderung der
revolutionen, Affären, durch alle die kleinen
berühmten Menschen des Burgtheaters so
und großen Intrigen hindurch, über Direk¬
viel Neues enthält, gleichsam Kulissen¬
tionswechsel hinweg hat sich das Burg¬
geschichten die in den Kulissen der wirk¬
theater seine Geltung erhalten können.
lichen Burgtheatergeschichte spielen, die bis
Hermann Bahr sagte einmal: „Immer ist die
jetzt aus Diskretion, aus Angst, aus Schlam¬
große Zeit des Burgtheaters vorüber, das
perei oder aus höfischem Takt verborgen
richtige Burgtheater liegt immer in der Ver¬
geblieben sind. Das Burgtheater hat nämlich
gangenheit.“ Weil die Gegenwart am Burg¬
eine eigene Geheimgeschichte, denn vieles
theater immer wieder zu nörgeln und zu
spielte sich vor den Augen der Offentlichkeit
kritisieren hat, weil es ihr nicht gut genug
anders ab, als es in der Wirklichkeit der Er¬
scheint, weil sie immer wieder Vergleiche
eignisse geschehen ist.
heranzieht und die Vergangenheit zitiert.
Das Burgtheater, mit dem Wiener Hof
Die eilende Zeit korrigiert das Urteil dann
durch Jahrzehnte eng verbunden, wurde wie
immer wieder und gibt den Zweiflern Un¬
ein Hofinstitut geleitet, das heißt, es wurde
recht. Das Burgtheater wächst in der Er¬
nicht alles offen dokumentiert, vieles ging
innerung zur wahren Größe seiner Erschei¬
die geheimen, echt österreichischen Wege
nung. So wird man in zehn Jahren erst
vieles mußte erst richtig „durchgesetzt
wissen, wie groß das Burgtheater 1934 ge¬
werden, denn das Burgtheater, so aufnahms¬
wesen ist.
Siegfried Geyer.
fähig es für alle Schattierungen vom Genie
bis zum Talent seiner Dichter, Autoren und
Schauspieler gewesen ist, alles was ins
Burgtheater kam, mußte den Instanzenweg
gehen. Der blieb Henrik Ibsen ebenso wenig
erspart wie Gerhart Hauptmann oder Schöp¬
herr. Und so liest man, daß der damalige
Generalintendant Baron Becezny auf den
Brief der Direktion, die lbsens „Gespenster“
aufführen wollte, erwidert hat: „Es ist ge¬
wiß richtig, daß das Burgtheater eine so be¬
deutsame und eigenartige schriftstellerische
Erscheinung wie Henrik lbsen nicht einfach
ignorieren kann; es wäre aber meiner Uber¬
zeugung nach mehr als fraglich, ob das Burg¬
theater seiner Pflicht gegenüber dem Drama¬
tiker Ibsen damit in richtiger Weise nach¬
kommen würde indem es dem Wiener Publi¬