II, Theaterstücke 4, (Anatol, 0), Anatol, Seite 4

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4. Anat
AARR N LO 1
Anzeiger zum Wochenblatt der Johanniter-Ordens-Balleg Brandenburg.
Insertions=Gebühr für die 3 gespaltene Petitzeile (60 mm breit) oder deren Raum 30 Z. — Beilagen nach Uebereinkunft. — Inseraten=Annahme
durch die Expedition dieses Blattes, Carl Heymanns Verlag, Berlin W. 41, Mauerstraße 44 und alle Annoncen=Expeditionen Deutschlands.
Berlin, den 14. Juni 1893.
1 Nr. 24.
34. Jahrgang.
Literatur.
ragenden Kritikers“ zu werben, daß nämlich
Inhaltsresumé: „Die Geschichte ist höchst ein¬
Gefühlskomödie, Roman von Max Nordau.
„überwältigende Originalität, kühnes, impul¬
Breslau, Schlesische Verlagsanstalt, M. 3.—
fach. Ein junger Dichter wird auf der Insel
sives Erfassen des Stoffes aus jedem Blatte
Ein neues Werk von Max Nordau ist durch
Sylt hin und her gezogen zwischen einer heraus¬
dieser genialen Dichtung spricht!“ Mit Herrn
fordernd schönen und heißen Russin und einer
den Namen seines Autors von vornherein schon
Scheerbart kann es Fuchs schon nach dieser seiner
Schifferwittwe, deren Reiz vor allem in herber
über die Flut der täglichen Neuheiten der
„Erstlingsschöpfung“ bequem aufnehmen.
schweigsamer Insichgeschlossenheit liegt, und er¬
Unterhaltungsliteratur schlagend hinausgehoben.
trinkt durch einen Zufall, den seine fieberwirre
Bei dem vorliegenden aber bedarf es denn doch
A toutes brides. Roman par Auc.
Aufregung herbeiführt. Das ist Alles. — Aber
noch des Zusatzes, daß es an Bedeutung selbst
Geanams. Paris, Prans & Cis., fr. 3.50.
mit welcher Virtuosität, ja — man darf das
seine eigenen Geschwister zumeist, wenn nicht
Der Roman beginnt mit dem Zerschellen
fast immer ohne Berechtigung gespendete Wort
sämmtlich überragt. Kaum jemals hat Nordau
einer Ehe durch den Leichtsinn des Ehemannes,
hier brauchen — mit welcher Meisterschaft ist
seine kritische Sonde mit so unerbittlicher
der, moralisch haltlos, in die Netze einer Künst¬
stellenweise wenigstens diese simple Fabel
Schärfe an irgend einen Gegenstand der
lerin vom Paris-Concert gerätt und in ihrer
erzählt, ist die Malerei der Oertlichkeit, der See¬
modernen Moral gelegt, wie es hier mit dem
Gemeinschaft von Stufe zu Stufe sinkt. Da¬
und Strandbilder, der ländlichen Staffage, aber
wichtigsten der dabei in Frage kommenden
nebenher geht, fast ohne Zusammenhang mit
auch der Hauptgestalten ausgeführt! Es giebt
Lebensfaktoren, mit der Liebe geschieht. Die
dem obigen, die Erzählung der weiteren Schick¬
wenig Leute in Deutschland, welche einzeinen
Liebe im Fangnetz der gesellschaftlichen Kon¬
sale der geschiedenen Frau, welche ihrerseits,
Parthien dieses kleinen Buches gleich Vor¬
vention ist das Feld, auf dem sich der kurze,
im Gegensatze zu dem Cynismus des anderen
treffliches an die Seite zu stellen vermöchten.“
lehrreiche Roman bewegt, und der Zeitpunkt,
Theiles, wieder durch Ueberschwang von idealen
Gerade jetzt, wo die beginnende Badesaison
wo in zahllosen Fällen die Liebe, nach Ueber¬
Bedenken um ihr Glück betrogen wird. Die
vielen Lesern Gelegenheit geben wird, den
sättigung der Betheiligten trotzdem aus falscher
Handlung ergiebt sich hieraus schon an sich
Spuren der Dichtung am Orte selbst nachzu¬
Scham vor der Welt äußerlich fortgefristet, zur
als nicht eben erquicklich, obgleich der Verfasser
gehen, verdient dieselbe den nach guter Reise¬
Komödie, zur konventionellen Lüge wird, die
auch in heiklen Szenen sich einer für fran¬
lektüre Suchenden warm empfohlen zu werden.
Stelle, welche die schärfsten Geißelhiebe treffen.
zösische Gepflogenheiten anerkennenswerthen
Rohr im Winde= und „Der Alte von
Der Kern der Handlung ist kurz der, daß eine
Mäßigung und delikaten Behandlung be¬
Günkerslohe nennt Hanns von Zobeltitz
junge und schöne, unter der Maske des emanzi¬
fleißigt. Der wahre Werth des Werkes be¬
zwei zierliche Novellenbändchen, in welchen er
pirten Freigeistes in guter Gesellschaft Berlins,
ruht in der Pariser Verve, der Frische und
mit der ihn auszeichnenden Feinheit der Beob¬
halb gedulde, halb gemieden, verkehrende Wittwe
Treue der Sittenschilderung des modernen
achtung und sicher treffenden Charakteristik
von zweifelhafter Vergangenheit und cynisch
— Die¬
Lebens in dem Babel an der Seine.
Typen aus dem modernen Leben, aus den
freiem Auftreten einen einfachen, geraddenkenden
selben Eigenschaften zeichnen das neueste Werk
oberen Klassen der Gesellschaft, mit ihren
Gelehrten durch einen schlauen Gewaltstreich
„Castigo“ der berühmten neapolitanischen
Schwächen, aber auch ihrem tüchtigen inneren
an sich kettel und daß dieser sich nun von ihr,
„Veristin“ Marmor S#aao (Torino, Gasayovx,
Kern, zeschnet. (Rathenow, Vabenzien.)
obgleich weder durch sein Wort, noch durch
L. 3) aus, welches ihren vor drei Jahren ver¬
Daneben führen Kurt Martens' inkende
wahre Liebe gebunden, lediglich an dem Bande
öffentlichten Roman Addio amore! fortsetzt.
Schwimmers, von unverkennbarem Talent
übelverstandener Mannespflicht bis zu dem
Es ist wieder ein Meisterstück treffender Cha¬
zeugende Skizzen aus dem Strudel des zeit¬
Punkte höchster Gesahr gängeln läßt, ehe er
rakteristik und, trotz des nicht ganz glücklichen
genössischen Lebens, ausschließlich Schatten= und
es über sich gewinnt, das ihm durch falsches
Schlusses, ein dramatisch=packendes Sittenbild
Nachtbilder vor Augen, schwächliche Charaktere,
Ehr= und Schamgefühl aufgedrungene Spiel
modern=italienischen Lebens, das wir da von
die theils das „Schwimmen“ nicht gelernt,
unwürdiger Heuthelei gegen sich selbst und die
der führenden Erzählerin Italiens erhalten,
theits in den verweichlichten Gliedern eben
Welt durch offenen Bruch und wahrhaft männ¬
in seinem rückhaltlosen Wahrheitsmuthe freilich
nicht mehr die Kraft haben, sich gegen die
liches Eingeständniß seines Irrthums zu be¬
ebensowenig eine Lektüre für junge Damen,
Fluth zu behaupten. (Berlin, Hochsprung,
enden. Mag man nun über die Berechtigung
wie die folgenden beiden Romane aus dem
M. 1.50.)
oder die Nichtberechtigung einer solchen Themen¬
Verlage Ouoprr Zonisi, Milano: L. Zucconl,
Engelhorns allgemeine Romanbibliothek
stellung für ein Werk, das sich der Kunstform
und Manco PRaca,
Lussuriosi (L. 3),
der Romandichtung bedient, denken wie man
bringt im Verfolg ihres IX. Jahrganges
Biondina (L. 4). Von diesen tritt der erstere
will und auch mit Einzelheiten, wie dem u. E.
(Bd. 17—20) in dem dreibändigen Roman
in der durchgehenden moralischen Nichtigkeit
unnöthigen, nur die feine Wirkung vergröbern¬
„Heimathlos“ von Hector Malot ein
der nur ihrem Vergnügen nachgehenden Haupt¬
den Nachschube der Danewitz=Episode, nicht ein¬
älteres Werk des fruchtbaren Franzosen, der
personen und dem wenig interessanten Verlauf
gerade dieser einfach=rührenden Geschichte von
verstanden sein, so verdienen doch der sittliche
der Handlung weit zurück gegen den zweiten:
einem armen Knaben nicht zum wenigsten den
Ernst und die wissenschaftliche Wahrhaftigkeit
ein junger englischer Ingenieur, Giacomo
Ruf eines gemüthvollen Erzählers verdankt,
des Ganzen hohe Anerkennung, ungleich höhere
Burton, welcher sich in Mailand eine Existenz
und von Karl v. Heigel den lebensvollen
jedenfalls als Oskar Weitens neuster Novellen¬
begründet hat, nimmt, wohlgemeinter War¬
Roman „Baronin Müller“ ein ausgereiftes
kranz, betitelt „Das schlechtere Geschlecht“
nungen ungeachtet, eine in zweifelhaften Ver¬
Kunstwerk der erzählenden Dichtung, dessen er¬
dem gasz im Gegensatze zu Nordau der prickelnde
hältnissen großgewordene Mailänderin zur Frau
greifender Konflikt sich überzeugend naturnoth¬
Reiz k Hauptsache und damit allerdings ein
und lebt mit ihr Jahre hindurch in scheinbar
wendig aus den fein beobachteten Charakteren
großes Leserinnenpublikum namentlich in Bade¬
glücklichster Ehe, bis ein Zufall ihm die Augen
der Hauptpersonen ergiebt. (Jeder Band 50 Pf.)
orten sicher ist. Am verträglichsten von den
darüber öffnet, daß seine geliebte Adelina, la
Eine der seltsamsten Ausgeburten der in die
wieder mit außerdentlichem technischen Geschick
„biondina“, ihn fortgesetzt in schmählichster
zeitgenössische Literatur als jüngste Tagesmode
erzählten, sellsamerweise aber sämtlich nach dem
Weise betrogen hat, anfänglich durch eine flüchtige
eingebrochenen Symbolistik und Phantastik
unheimlichen Görbersdorf verlegten Geschichten
Liebelei, dann nur noch, um mit dem Sün¬
erhalten wir in dem „modernen Märchen“
erscheint uns die Humoreske „Die Nothschelle“
dengelde ihrem Luxusbedürfniß zu fröhnen. Das
Die Dornenkrone von Gg. Fuchs (Dresden,
mit dem bezeichnenden Schlußsatze „Gott, sind
jähe Sinken des von Natur aus nicht schlechten,
die Männer aber dumm!" (Berlin, Schuhr, M.3.)
Damm, M. 2.50). Wir hatten kürzlich Ge¬
nur durch die Verbältnisse verdorbenen Ge¬
legenheit einige Blüthen „genialer Originalität“
Inge von Rantum. Eine Syli=Novelle
schöpfes durch üble Beispiele ihrer Umgebung,
aus dem Hauptquartier der Berliner Phantasten
von B. Schulze=Smidt. Koblenz, Groos,
schlimme Freundinnen, schließlich durch Geld¬
zu zitiren. Es gebührt sich darnach wohl auch
eleg. kart. M. 3.25. —
verlegenheiten und die teuflischen Künste einer
die vorliegende „Dichtung“ wenigstens mit ein
Das sehr geschmackvoll eingekleidete Werk
gewerbsmäßigen, mit „fashionablen“ Hotels im
paar beliebig herausgegriffenen Sätzen für sich
liegt in dritter Auflage vor und darf sich somit
Bunde operirenden Gelegenheitsmacherin wird
selbst sprechen zu lassen:
auf guten Erfolg bei der Lesewelt, aber auch
„Erdrauch lachte. Sein Lachen aber kicherte wie die
in dem lebendig erzählten Roman mit packender,
auf rückhaltlose Anerkennung seitens der Kritik
Tropfen eines Eiszapfens, die von der ungeheuren Fels¬
verblüffender Anschaulichkeit geschildert und mo¬
berufen. Wir können uns darnach zu weiterer
wand niederblitzen, dann durch grüne zitternde Lorheer¬
tivirt, und zugleich ein abschreckender Abgrund
Empfehlung auf Wiedergabe eines der gewich¬
gebüsche gelangen; darnnler aber empfangt sie züngelnd
eine kranke Schlange.“
von leichtlebiger Gewissenlosigkeit unter der
#tigsten der Urtheile beschranken, welche dem Neu¬
Maske äußerer Wohlanständigkeit in der mai¬
Es wird darnach nicht erst vieler Worte be¬
drucke von der Verlagshandlung beigegeben
Gleichmäßig
länder Gesellschaft entschleiert.
dürfen, um Gläubige für das im Prospekt zur
wurden. Es stammt von keinem geringeren
lassen Zuccoli wie Praga ihre Heldinnen unter
als Felix Dahn und lautet mit dem kurzen Ermunterung mitgetheilte Urtheil eines „hervor¬