II, Theaterstücke 4, (Anatol, 0), Anatol, Seite 32

4. Anatol
box
u i 2
Literarisches.
„Anatol“. Von Arthur Schnitzler. Berlin, 1898.
Berlng von S. Bischer.
Arthur Schnitzler, der schuell bekannt gewordene Verfas¬
jer dek in Berlin und neuerdings auch in Wien mit Erfolg
aufgefährten Schauspiels „Freiwild“, hat sieden Einakter
unter dem Titel „Anatol“ zu einem Bande vereinigt. Ob¬
gleich die Wircen jede für stet, ein völlig abgeschlossenes
Ganzes bilden, so stehen doch alle insofeen in einem inneren
Zusammenhange, all der Titelheld Anatol und zum Theil
auch dessen Intimus Max in sämmtlichen Einaktern im
Mittelpunkt der Handlung stehen. Auch das Thema ist
Aberall dasselbei es handelt sich in allen Fällen um die
freie Liebe zwischen beiden Geschlechtern, oder genauer um
den zahen Kampf zwischen Mann und Weib auf diesem
Webiet. Nicht ganz mit Unrecht haben die „Jungen“
leidenschaftlicher Weise für das Weih Partei
sogar dem##t, die Prostituirte mit einem
ergriffen,
Morienschein zu umgeben, ihr oft die höchsten Seeleneiger¬
schaften anzudichten und sie als bedauernswerthes unschul¬
diges Opfer der vorgeblich korrumpirten Begriffe der Gesell¬
schaft Aber das, idas jedem der Geschlechter auf dem Gebiele
der ###be erlaubt ist, hinzustellen. Schnitzler, bekanntlich
auch ein Moderner, nimmt einen eiwas anderen Standpunkt
ein; er halt die Chancen beider Geschlechter ungefähr für
dieselben. Allerdings hat der Mann viel vor dem Weibe
voraus, vor allen Dingen ist er der Entfacher der Leiden¬
schaft, der Wählende, der als solcher die Gefühle entgündel,
die in jedem Weide schlummern und die in der meisten
Fallen nicht zum Ausbruch kamen, wenn sie nicht vom
50 Zei
Manne angefacht warden. Und dann desteht ein weiterer,
100
vielleicht der größte Vorzug des Mannes darin, daß ein nach
200
freier Wahl eingegangenes Liebesverhältniß seine gesellschaft¬ ar
liche Stellung nur seiten, seine Zukunft faß in keinem Falle zu aus
1000
erschättern vermag, wöhrend das Weib durch ein nicht lega¬
Im
Gelifirtes Verhältnit in der Regel fast Alleb ans's Spiel setzt.
Abonnement
Elementares Dedürfniß nach finnlicher Liede ist in beider. den
Abonnenten
Geschlechtern vorhanden und jedes von ihnen sucht dieses
Bedürfniß in der am wenigsten gefährlichen und folgenreichen
Weise zu erfüllen. Was fur den Mann nur eine Episode,
das ist für das Beib das Leben und daher der mit Erbitte¬
rung und allen Mitteln geführte Kampf zwischen den Ge¬
schlechtern. In diesem Kampfe läßt Schnitzter den Mann
fast immer unterliegen, weil er außer seiner Sinnlichkeit fast
gar keine anderen Waffen hat, während das Weid neben der
Sianlichkeit ein ganzes Arsenal von Liß, Schlauheit und
raffinirten Künsten in's Treffen führt. Schnitzler kennt in
allen sieben Einaktern nur einen Typus des Mannes und des
Weibes — beide Geschlechter verrathen und betrügen nur
einander und von jener Liebe, die die „Alten“ als das Höchste
und Größte priesen, weiß er nichts zu sagen. Das tugend¬
hafte Weib scheint der Verfasser überhaupt nicht zu kennen
denn die einzige erhabene Frau, die er schildert, läßt schlie߬
lich einer Kokotte bei der Uebersendung eines Bonquels
sagen: Diese Biumen schickt Dir eine Frau, die vielleicht
ebenso lieben kann wie Du und die den Muth nicht dazu
hat ... Alle Einakter sind mis viel Nachdenken und Geist
niedergeschrieben, sie nehmen sich, wie Beiträge zur Lösung
eines Problems aus. Der Dialog ist knapp und kurz, manche
Ausdrücke haben in ihrer Tiefe und Präzision den Charakter
scharf umrissener Sentenzen. Ob sie auf der Bühne durch¬
schlagen werden, möchte ich bezweifeln, da sie trotz aller Le¬
bendigkeit zu wenig äußere Handlung haben und aller
Effekte entbehren. Der Schwerpunkt des Ganzen liegt oft
in wenigen Sätzen und das Theaterpublikum will mehr
unterhalten, als zum Denken engeregt werden. Denen aber,
welche die Entwickelung der zeitgenösst'chen Literatur auf¬
merksam verfolgen, möchte ich Schnitzle#'s „Anatol“ warm
empfehlen, nicht nur ##s charakteristische literarische Erschei¬
nung, sondern auch als die ernste Arbeit eines Denkers, die
zur bewußten Stellungnahme zu mancher wichtigen Frage
. Gr.
anregt.
#enanfpasnieesseren
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnitt
70 N „OBSERVER
Nr. 40
I. österr. behördl. concess. Bureau-für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/, Türkenstrasse 17.
Filiale in Zudupest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a.—
Ausschnitt aus:
Hamburgischer Correspondent
vom (7·78.
Anatol.
Von Artkur Schnltler.
Dritte Auflage. Berlin. S. Fischer. 1898.
Der Held in den sieben Einaktern dieses Buches ist Anatol;
in den meisten tritt auch sein Herzensfreund Max als inter¬
locuteur und Helfer in der Noth auf. Außerdem wirkt in jedem
Stück eine Dame mit. Und sie heißt Cor;, Gadriele, Bianca,
Emilie, Annie, Else, Ilona. Das läßt tief blicken. Anatol ist
ein dichterisch veranlagter, verzärtelter junger Mann, der den
seinsten Stimmungen zugänglich ist, eine Mischung von Werther
und Don Juan, aber so, daß er keine Spur von der tollen
Lebens= und Liebeslust des edlen Spaniers hat. Es ist von
einem eigenen pikanten Reiz, daß in Verhältnissen, in denen
das Sexuelle, wie man erwarten sollte, eine Hauptrolle spielt,
gerade das Gemüth= und Stimmungsvolle am meisten betont
wird. Anatol nennt sich mit Recht seinem Freunde Max
gegenüber, dem eine robuste Anschauung und eine gesunde
Heiterkeit eigen ist, einen Hypochonder der Liebe. Es wirkt
komisch, wenn Anatol von seiner Geliebten wiederholt Treue
verlangt, ja eine Treue sogar in Worten, Blicken und Gedanken.
Und sie heißt Cora, Gabriele, Bianca
Uebrigens sind
Gabriele und Else Ehefrauen — anderer. Die Ebe steht natür¬
lich in d= Anschauung dieser Herren stets im Gegensatz zur
Liebe. Sie ist allem Anscheine nach nur dazu da, um gebrochen
zu werden. Oder vielleicht doch zu Repräsentationszwecken.
Es ist ein kleines — wir möchten wünschen, sehr kleines
Stück Welt, das uns Schnitzler zeigt. Aber in der Dar¬
stellung dieses Genres vornehmer Liebelei ist er Meister. Reich
an Grazie und keckem Humor sind diese kleinen Dialoge, und
manch feine Bemerkung erfreut den Leser. Hier eine solche:
„Das Weib ist ein Räthsel; — so
sagt man. Was für ein
Räthsel wären wir oft für das Weib, wenn es vernünftig
genug wäre, über uns nachzudenken“. Die Schnigler'schen Stücke
Fer
sind kleinen eleganten Nippes zu vergleichen; es ist Meißener
inclusive
Porzellen. Den Liebhabern solcher Sächelchen wird das Büchlein
Porto.
Freude bereiten.
Zahlbar
Sp.
in Vora
„ 1000
„ 100.—
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für Zeitungsausschnitte ist das
Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer begrenzt:
— auch sieht es den
Abo nenten frei die aufgegebenel. Themen zu erganzen oder zu ändern.