II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 24

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4.9. Anatol
Zyk
pisode und wirst
Dramaturgen
und Schauspieldirektoren unmittelbar
so hat es ihn doch einmal gegeben. Nicht zur Zeit seiner
das heißt zum
imponieren, weil ihre Stücke voll von dem konventionellen Geburt allerdings, sondern bedeutend früher. Der Anatol
Bumbum
puer, das heiß
und Trara des antiquierten Theaters sind:
ist der lebenslustige Hausherrnsohn der älteren Wiener
rgtheater hatten
und solche, die wirkliche dramatische Dichter sind und
Posse. Er ist der burgtheaterfähig gewordene Haus¬
die man in
hört aus dieser
ihren Anfängen infolgedessen meist
herrnsohn, wie Raimunds Valentin etwa der literaturfähig
Novellisten hält. In diese Kategorie gehört Artur
enthals heraus,
gewordene Hanswurst. Ein Hausherrnsohn plus einem
Schnitzler;
seine Stücke, obwohl oft lyrisch
noch die Lieb¬
oder
Dichter, das ist der Schnitzlersche Anatol.
novellistisch anmutend,
im „Hochzeits¬
sind doch alle mit der
Es liegt eine anmutige Ironie darin, daß diese
sympathetischen Tinte des echten Dramatikers geschrieben,
eit bei Anatol
Figur, über deren krasse Modernität man sich vor
deren Schrift erst bei künstlichem Licht lesbar wird. Man
Farbe die Toilette
zwanzig Jahren entsetzte, heute eher durch eine gewisse
braucht sie nur aufzuführen, und sie wirken. Das hat
sich als Kranzel¬
altmodische Naivität vergessen läßt, daß sie so gar nicht
man dieser Tage erst beim Anatol gesehen. Wie eigen
uß — ist das
modern ist. Denn, täuschen wir uns nicht, der Anatol als
ist doch das Schicksal dieses Werkes. Seinerzeit, als es
Rotivierung wie
Typus, Anatol als soziale Erscheinung, gehört einer ent¬
erschien, hat man die Einaktersammlung nicht einmal als
billet, an andere
schwundenen Epoche an. Er setzt ein anderes Wien vor¬
Buch gelten lassen wollen. Jetzt, hinterher, bemerkt man,
nert denn auch
aus, ein Wien der Linienwälle, des offenen Wiental¬
daß sie sogar ein bühnenwirksames Drama enthält...
diesem seiner¬
bettes, der klingelnden Pferdebahn und matten Gas¬
uns heute der
Nun, wir wollen nicht übertreiben. Ein wirkliches
beleuchtung. Dieses Wien ist versunken, und mit ihm der
darin lebt wie
elegische Bummler Anatol. Aber gerade diese Entrücktheit
Drama sind diese fünf kleinen Lustspiele nicht, aber jedes
in, mit denen
von den fünfen ist ein kleines dramatisches Kunstwerk
kommt der Gestalt als solcher zu statten; der Kontrolle
licken liebte.
der Wirklichkeit entzogen, die ihr wohl niemals besonders
das erheiternd wirkt. So ergibt sich am Ende ein äußerst
vergnüglicher Lustspielabend, wenn auch nur durch
förderlich war, wirkt sie heute nur noch als Kunstwerk;
diese hübschen
wirkt wie ein zart gemaltes, schon ein wenig nachgedunkeltes
Addition. Das ausschlaggebende Element, auch auf dem
an den sieben
Theater, ist die Figur des Anatol. Daß er ein Dichter
Bildnis aus der Zeit. Darum war es ein hübscher
hen Volkstheater
ist und die Atmosphäre des alten Burgtheaters passiert
Regieeinfall, wenn anders es nicht bloß Zufall war, die
der anmutigsten
hat, haben wir schon festgestellt; aber zu diesen beiden ersten vier dieser fünf Einakter zwischen altmodisch
irdigen Helden
Voraussetzungen seines Wesens mußte sich eine dritte
dunklen Coulissen spielen zu lassen. Diese kaffeebraunen
und Max, der
gesellen, die wichtiger ist als die beiden anderen, und
Tapeten, diese Plüschgarnituren, Sophakissen, rosa
aufgehoben
worin zugleich die Originalität des Dichters und die
Lampenschirme und bunten Ampeln gehören entschieden
me; die Müller
Allgemeingiltigkeit der Figur beruht, die ihrerseits wieder
dazu. Schattengleich und ein bißchen phantastisch gleitet
Glöckner eine
der Träumer Anatol durch das dämmerige Interieur der
ihre Wirkung auf dem Theater erklärt. Anatol ist nämlich
erhält sich vor¬
ein Wiener; trotz seines französischen Namens, seiner
Neunzigerjahre, bei dessen Anblick den Zuschauer Erinne¬
man ihm diese
rungen an die eigene Jugend beschleichen. Ein feiner anti¬
französischer Abstammung und französischen Manieren
hat. Zwar die
durch und durch ein Wiener Kind, dem heimischen Grund
quarischer Duft, wie ihn erst die Jahre einer Dichtung
dort gespiel
geben — aber nur die echten duften - strömt von der
entsprossen, eine Frucht, ein Früchte unserer lieben alten
ihre Bühnen¬
Kaiserstadt. Nicht Anatol aus irgend einer gleichgiltigen
Bühne aus und dem rückschauenden Betrachter in die
Anfang die
Nase. Heiter gerührt sieht er dem Spiele zu und sieht den
weil charakterlosen französischen Komödie ist er, sondern
ben wollten
der Anatol, wie man in Wien gemütlich sagt, der
Vorhang nur höchst ungern fallen. Kein Wunder, daß
wir noch nicht
wir uns so schwer von diesen zierlichen, lachhaften und bei
Anatol, den wir alle kennen — obwohl er gar nicht
als Ganzes be¬
existiert, was freilich ein bißchen verwunderlich ist. Aber
aller Heiterkeit doch auch ein bißchen wehmütigen Stücken
Nur hat das
wenngleich es ihn in Wirklichkeit nicht gibt, weil er eben
trennen unsere eigene Jugend war darin beschäftigt.
herausgefunden.
B. A.
che, die den ein Dichter ist und weil die Dichter heute anders sind,