II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 388

Zyklus
4.9. Anat
nakter aus der Reihen die „Perusteine,
und die vander voll eigene Kirche von
r Episode sagt Mag zu dem von einer Zirkus¬
klar, schwärmenden Anatol: „Du saht, wo¬
hr war. Aus dem reichen und schönen
nier Seele hast du heine phantastische Jugend
in ihr nüchtiges Herz hineinempfunden, und
uitgegenglänzte wie Licht von deinem Lichte."
de Anatol, den sein (bei Schnitzler) geistvoller
charakterisiert, gibt im Abschüssen er vom
del mit den „erstochenen Finger“, das
Stadt geliebt und in der Vorstadt geheiratet
gende feinsinnige auch innige Charakteristi¬
siert mich so an einen getragenen Wiener Walzer
mentale Heiterkeit lächelnde, schla¬
das ist so ihr Wesens in
zufrieden bei ihr.
es eigentlich Wienerische; die Mischung von
it und Wehmut fehlte bei dieser Aufführung
ol=Auslese. Dafür wurde das Wienerische in
wart zu energisch beint. Das Original is
geschrieben; eine Warnung, über eine leicht
liche Färbung hinauszugehen! Anatol
den durch übertreibungen geistig und gesellschaft
herabgedrückt. Die außerordentliche An¬
wird eben entstellt nach vernichtet,
des Max (Herr Wehr¬
, wenn er für herein, ein
sagt, und wenn er wohl nur üb¬
isses) den düstigen, seine
Einakters durch ein faltiges,
teressante Wortgruppe, die
sch nicht vorkommt, abschloß
on in der „Frage an das
Tod Anatols eine
natol des Herrn Neher
Bewußtsein um die
intelligenter Men¬
box 9/11
Am besten gelang das „Abschiedssouper", die tolle
ästhetischen Gefühl die Komödie der Liebe der nackten
Kehrausstimmung bei Champagner: schmerzlose Tren¬
Lüge, die Illusion der Wahrheit vorzieht, keiner, der
nung von der alten Geliebten bei schon gesichertem Besitz
in ehrlichem Bangen vor einem häßlichen Geständnis
eines neuen „Ideals. Fräulein Weiser, ausgezeichnet
die hypnotisierte Geliebte nicht fragen will, ob sie ihm
in der sorglos-egoistischen Verabschiedung des gleich¬
treu sei, das war bloß ein etwas beschränkter und dadurch
gültig gewordenen Mannes, ausgezeichnet dann im Her¬
allerdings recht komischer Herr, der höchstens aus Eitel¬
vorbrechen der derben weiblichen Instinkte bei der Er¬
keit von einer seelischen Entkleidung der Geliebten absicht.
kenntnis, daß eine andere schon Besitz ergriffen hat.
Hofmannsthal muß Schnitzlers Anatol schlecht ver¬
Wie mit der köstlichen Oberflächlichkeit der Annie wurde
standen haben, als er dem Buche die verträumten Verse
die Darstellerin auch mit der temperamentvollen Ilona
vorsetzte:
im letzten Spiel glänzend fertig. Hier konnte Fräulein
„Also spielen wir Theater,
Weiser auch wieder die besondere Kunst ihres Mienen¬
Spielen unsere eigenen Stücke,

Früh gereift und zart und traurig,
spiels zeigen, wie Mut und Trotz in ihrem Gesicht augen¬
Die Komödie unsrer Seele,
blicklich vor der Aussicht verlöschen, die frisch angetraute
Unseres Fühlens heut und gestern....
Gattin des Geliebten betrügen zu können, wie sich das
Halbes, heimliches Empfinden:
Belebende dieser Lebensaufgabe in ihrem Antlitz aus¬
Agonien, Episoden.
sprach, das war eine kleine Pantomime von hinreißen¬
Auch in den „Weihnachtseinkäufen", einem wunder¬
der und dabei höchst maßvoller Komik.
voll feinen, pastellhaft weichen Stimmungsbildchen, blieb
Darsteller,
Wenn die männlichen
von dem feinnervigen, schmerzlich=blasierten, „leicht¬
Herren Neher und Wehle, den geistigen Werten
sinnigen Melancholiker Anatol der Melancholiker
des Dialogs ebenso feinsinnig nachgehen wollten wie
durchaus hinter den Kulissen. Vielleicht verführt durch
es Fräulein Gerald und Fräulein Weiser getan haben,
die äußerst pauvere Ausstattung der sichtbaren Geschäfts¬
so würde zwar mancher drastische, derb-komische Effekt
läden (mehr Schottwien als Wien) vergröberte auch hier
entfallen, aber die wunderbare, bei leichterer Betonung
Anatol den Ton und von der schmerzlichen Entsagung,
umso reizvollere, seine Fronie der Szenen würde in
von dem nur durch Sarkasmus (nicht mit platter Lustig¬
vollem Licht oder besser gesagt: überhaupt erst er¬
keit) kunstvoll gewürzten Dialog blieb, soweit Anatol
scheinen.
in Betracht kam, wenig, sehr wenig übrig. Fräulein
Auch der Gegensatz zwischen dem verzärtelten,
Gerald dagegen war ganz vornehme, mit Geist plaudernde
blasierten, immer mit Illusionen arbeitenden unver¬
Dame, die alle prickelnden Spitzen des Dialogs graziös
besserlichen Idealisten Anatol und dem scharfsinnigen,
fühlbar machte und die die leise Wehmut,
kaltherzigen, überlegenen Spötter Max, der von der
den verhaltenen Unterton der schmerzlichen
Lerchenfelder Linie allerdings sehr weit in die innere
Sehnsucht, den stillen Ernst des Entsagens, wundervoll
Stadt hereinkommen mußte, würde dann erst, ebenso wie
durch Gespräch und Abschied klingen ließ. Auch diese
die reizenden Paradoxe des Dialogs voll hervortreten.
Szene durfte, übrigens nicht, wie es der Dichter will,
So zeigte nur das von Haus aus auf einen derberen
ausschwingen. Auch sie wurde mit einem „Applaus¬
Ton abgestimmte Abschiedssouper hübsche Rundung. Wie
drücker“ geschlossen, wenn auch mit keinem so derben
gesagt: im ganzen war es recht lustig, aber eine Artur
wie die Frage an das Schicksal. Immerhin war auch
Schnitzler-Feier war es nicht.
hier das Zuviel schmerzlicher als das Zuwenig der
Dr. Alfred Möller.
Wagen, der durch einen bis dahin diskret verborgenen
112
vierten Diener erset wurde, war leicher zu entlegen, ge¬