II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 398

4.9. Anatol - Zyklus
box 9/1
Ausschnitt ausgedenburger Zeitung
5 1913
vom
Theater,
Anatol.
Und auch Du, mein Artur, haft zuweilen
Wien erhört, auch Da hat Dich von Dir
selbst, von der Entscheidung zu Dir selbst weg¬
schmeicheln lassen! Dankschreibst Du die
Stücke, die nicht von Dir sind, sondern von
Anatol. Denn, Arthur, der Wiener in
Die ist Anatol... Und sodann: „Nein, Arthur,
man kann nicht unerkannt berühmt sein.
Es hilft Dir nichts, einmal wirst du doch
wählen müssen. Wählen zwischen Wien und
Dir!... „Arthur, mir bangt oft, denn
Anatol hat viel zum Hofrat Pharaos". Diese
Zitate sind einem Briefe entlehnt, in dem
Hermann Bahr der Fünfzigjährige, dem
Arthur Schnitzler, dem Fünfzigjährigen, seine
Glückwünsche übersandte. Dem Arthur Schnitzler,
dem Autor des Einakterzyklus, Anatol,
der gestern über unsere Bühne ging. Und
wahrlich, dieser Anatol, entstanden vor 18
Jahren, ist nicht Schnitzler, er ist nur Wien
oder was hinwieder gleich ist: das in Anatol
personifizierte Wien, die leichtlebige, gemüts¬
flatternde Stadt. Anatol, der nur unterhält,
nicht aber der tiefere Schnitzler, der an die
Wurzel der Dinge greift, um das Tiefseelische
zu zeigen.
Das gestrige Premierpublikum des Anatol
war entweder durch den ungarischen Ueber¬
Oedenburger Zeitung.
setzer oder durch den Regisseur irregeführt, als
der Theaterzettel ein Lustspiel ankündigte. Denn
Anatol ist kein Lustspiel und will auch nicht
als solches hingenommen werden. Einen Zyklus
von Einaktern hat ihn der Autor bezeichnet.
Aber auch das ist es nicht. Es sind nur los¬
Skizzen, denen nur die Person Anatol¬
den roten Faben der Zusammengehörigkeit
verleiht. Tändelnde, in Takt dahintänzelne
Szenen. Hingehauchte Miniaturen, nur hie und
da etwas wie von einem Tropfen Blutes ge¬
färbt, von einem Tautropfen der Wehmut über¬
zogen. „Die große Frage. „Der Weihnachts¬
markt. „Episode. „Abschiedsnachtmahl.“ „Ana¬
tol ha seine Hochzeit heißen diese Skizzen, in
welchen sie und immer augenscheinlich der¬
se Anato scheint, Anatol der Liaisons
pr und, der auf Termingeschäfte ein¬
gerichtet ist, er seine Geliebte ebenso verläßt
wie seinen Regenschirm in der Ecke eines
Kaffeehauses und erst nach Wochen den Verlust
wahrnimmt, als er bereits einen neuen Regen¬
schirm in der Hand hält... Und dennoch:
Anatol ist stets anders und steht in voller
Buntheit seiner Gefühle vor uns.
Die Szenen wurden mit einer stilgerechten
Beweglichkeit von den Herrn Gözon (Anatol)
und Ladányi (Mox) und von den Damen
Klementine Nemes (Cora), Julia Sandor
(Gabrielle), Giza Gergely (Bianca), Jenny
Harmath (Annie und Ilona) auf die Bühne
gestellt. Béla Gözon personifizierte mit einer
virtuosen Gelassenheit Anatol und dennoch ließ