II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 422

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4.9. Anat
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Agramer Tagblatt, Agram
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Ausschnitt au
JANUAR 1916
vom
de
später zur Fülle schicksalsbestimmender Drame
ollen, und doch vergeben
Feuilleton.
wird? Er läßt sich mit einem einzigen Worte aus nie noch einmal erleben wol
drücken: die Liebe. Eigentlich nicht viel, und nicht
bestehen alle seine Charakter
Nationaltheater.
Neues, nicht wahr? Und doch ist diese Liebe der
spaltige Hingabe an den Mon
Schnitzler: Anatol.
Menschen Schnitzlers ihr Alles. Sie erscheint ihne
Momente nie ganz aufgehen
Unser Theater kommt aus Jubiläen nach
als die einzige Krönung und Vollendung des Le=Reflexion, in Betrachtung zu
heraus. Nach den vielen angekündigten und absicht bens, sie nimmt in sich all ihr Streben, all ihr Sehne
ungen, sondern solche Stin
lichen Festvorstellungen Samstag eine eigentlich
auf. Nach der großen, das ganze Dasein erfüllenden, Tragik dieser Charaktere,
ganz ungewollte. Unserer im literarischen Kaledarium einzigen Liebe geht ihr Trachten. Die ewige Ent¬ Cirkulus aller dieser Drame
rot angestrichener Festtage so gut bewanderten The täuschung, der ewige Mißklang zwischen der Exten
kennen, alles dreht sich um
aterleitung ist diesmal das Ungeschick wiederfahren, stät des mechanisch dahinrollenden Lebens und
ohne je aus diesem qualvo
einen festlichen Anlaß unerwähnt vorübergehen zu der tiefsten Intensität des großen Liebesmomentes zu können.
lassen. Heuer sind es nämlich gerade fünfundzwanzig
st ihre Tragik. Träume ziehen die an und sobald
Ganz subjektiv sind a
Jahre her, daß der Anatol=Zyklus entstanden ist erfüllt sind, sobald sie reale Gestalt annehmen, ist
Haut und doch leben sie von
(1889—1891). Ja, diese feinen, kleinen und zarten
der Zauber verschwunden; über dem was das
Gnade des Dichters, denn
Dinger, diese poetischen Bibelots können schon auf Leben bringt, in dem was wir selber einem Augen mit jedem Wort die volle R
eine ganz respektable, jubiläumsfähige Vergangenheit blicke verleihen, liegt das Glück, das unerreichbar
in den sie gestellt ist aus, je
zurückblicken. Und doch noch immer so frisch, so ju= Glück, denn auch in esen höchsten, über Leben und
von ganz anderer Seite den
sie sich befindet. Hier lieg
gendlich wie damals, als sie entstanden, keine Spur Tod schwebenden Augenblicken erscheinen das Leben
feinen Dialogs, den Schni¬
von terarischem Modergeruch. Woher dieser Zauber
das Gestern und das Morgen, Furcht und Hoffnung,
denn er versteht es sie in
Durch ihre eigene eigentlich ziemlich ehemer¬
Streben und Ahnen, Gespenster und Märchen, und
wo sie reden müssen und au
künstlerische Strukut wäre dies kaum zu erklären, bleischwer zieht es uns hinunter, in das ewige Auf
All dies klingt im Anatol se
und Ab des Lebensrhymus. Was im Anatol nu¬
wenn aus ihnen nicht etwas wie Verheißung au
unstätes Flattern eines feinfühligen Viveurs ist, wenn auch in leichter, unge
Kommendes, Größeres und Tieferes klingen würde
Und darin liegt es eben; in diesen Spielereien ist wird im „Schleier der Beatrice zur tiefsten Trag k. ein Capriccio, und trotzdem
den Ernst der späteren Ent¬
fast das ganze Lebenswerk Schnitzlers in nuce ent¬ Wahr wollen diese Menschen sein, feinfühlig horcher
sie ihre leisesten Regungen ab, folgen den feinsten priccio lamentoso. Und we
halten. Was hier nur berührt ist, wird in späterer
Darstellung dieser Einakter
Antrieben, und wenn sie sich am wahrhaftesten vor¬
Werken weiter entwickelt, das Angedeutete wir
Strozzi, Kernic,
zur Hauptsache, das Vorweggenommene zum Pro¬ kamen, begingen sie die größten Irrtümer ihre
und Dimitrijevic un
Lebens, denn mit jedem Pulsschlag ändert sich die
blem. Es sind wie zufällig erklungene einzelne Töne
feinen Anatol des Herrn
Wahrheit. Und wenn Anatol in der Liebe nur der
aus denen jedoch schon der Drang herauszufühlen
vom Herrn Papie als
ist, zu reichen, vollen Akkorden sich zu entfalten. Genuß des Augenblickes sucht, und kaum bereit ist
hätte, so wäre es eben dies,
sich in den Kampf ums Festhalten, Vertiefen de
Es ist in ihnen ein gemeinsamer Grundon, dessen
Klang allen späteren Werken Schnitzlers die ein zufällig Errungenen einzulassen, so führt uns später mäßigen Flottheit des Spi¬
Schnitzler in seinem feinsten Werk, im „Zwischen oft etwas verflüchtigt hat.
gentliche Färbung verleihen wird. Und was ist dies
was in diesen preziösen Kleinigkeiten erzittert, was spiel Menschen vor, die auch dies Höchste Wagen