II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 467

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4.9. Anatol
Zykle
Aan de fer die in den Diensten der
reits auf über 100 Aufführungen gebracht hat, ist vielleicht der
Berliner Theaterbrief.
Typus dieser geist= und wirlosen „Kunst", die sich mit ein wenig
(Von unserm eigenen Berliner Mitarbeiter.)
el Neues ist in der letzten Zeit nicht über die Berliner Burschillinger, Musik, mit eindeutigen Complets, mit Anasslichkeiten
und mit der Darbietung körperlicher Reise über die völlige In¬
kein dichterisches haltsleere hinwegbilft. Und nun im Gegensatz dazu ein guter,
nen gegangen und unter dem Neuen war
Werterzeugnis, das ist man schon gewohnt, — nickt einmal ein alter Offenbach! Die Verpflanzung dieser Operette in das Große
Schauspielhaus war gewiß ein Wagnis. Würde sich die musikalische
richtiger „Schlager“. Das Lustspielhaus hat mit „Peter Brauer
Natur des Werkes auf diesen weiten Raum abstimmen lassen! Der
dem Hauptmann aus dem Jahre 1912 und dem Hahnenkampf
einer Lantensackschen Komödie trotz Bassermann nicht viel Glück ersuch ist aber noch dieser Richtung ausgezeichnet gelungen. Die
Kapelle, die allerdings in ganz ungewöhnlicher Stärke auftritt,
gehabt. Beide Stücke sind ziemlich rasch wieder verschwunden
füllt mit ihren Weisen das ganze geräumige Haus. Für Weinhardt
Dafür läßt das Lustspielhaus jetzt allabendlich den „Werwolf
als Geist auf seiner Bühne umgeben. Es hat damit aber nur die waren zweifellos die Massenszenen des zweiten und dritten Ak¬
bisherige literarische Höhe etwas gesenkt, ohne mit dem neuen es der Anreiz zur Aufführung dieser Operette. Und hier bietet
Stück eine besondere Anziehungskraft zu gewinnen. Unter den denn die Aufführung auch eine bisher nicht gesehene Leistung.
Neuheiten hat immer noch das „Karussel", das allabendlich im Ko¬ Erwachen des Olymys im zweiten Akt, der Aufruhr der
Götter, Halbgötter und Numben gegen den klägen Zeus, die
mödienhaus gespielt wird, die größte Wirkung erzielt. Es ver
dankt sie aber recht zweifelhaften Pariser Qualitäten, die etwas Tanzszene, die Tafelsene im dritten Akt und der Flußtana —
an den „Hühnerhof“ erinnern, der sich eine Zeitlang an den Kam¬ das ist von einer Pracht der Ausstattung, von einem
merspielen aufgetan hatte. Auch das „Karussel“ ist französischer Schwung und von einer künstlerischen Abrundung, wie sie der
Import und führt seinen Namen deshalb, weil die beiden Lieb¬eiteren Muse Offenbachs wohl bisher noch nicht zuteil gewor¬
haber einer „Dame", der eine fürs Herz, der andere für den an sind. Einen weiteren Vorzug der Aufführung bildet die Be¬
setzung aller Vollen mit einer auserlesenen Künstlerschar, die
Geldbeutel, infolge eines Umschwungs an der Börse ihre Rollen
wechseln. Die Hauptattraktion dieses Stückes ist die Orska, die einhardt für diese besondere Aufgabe geworben hat. An ihrer
bisher im Theater an der Königgräter Straße Manon Lescantine steht Max Vollenberg, der als Jupiter allabendlich eine
verkörpert hat und die jetzt im Komödienhaus die Karnsseldame Meisterleistung ursprünglicher Komik improvisiert oder aus dem
Vermel schüttelt. Er trifft damit ganz den Ton der Offenbach¬
nicht nur sehr vikant, sondern auch in einer solchen Abwechselung
von Prachtgewändern vorführt, daß das weibliche Berlin alleine Operette, die in lustiger und geistvoller Selbstverstattung
deshalb das Stück „gesehen haben muß. Auch das Moskauer Fronisierung der grosserigen Oper das denkbar ligste
Künstler=Theater hat seinen Schauplatz verlegt, es spielt jetzt imet. Dazu die frühende Offenbachsche Musik! So entsteht ein
Ganzes, das den Tausenden von Besuchern in einer sehr genu߬
Deutschen Künstler=Theater und hat mit dem „Kirchgarten" sei
reichen Form vor Augen führt, wie hoch die alte Operette sier
nen Berliner Landsleuten und den weniger zahlreichen deutscher
den modernen Schöpfungen steht. Schade, daß „Orpheus in der
Besuchern ein wundervoll abgestimmtes Bild russischer Bühnen
Unterwelt" nach 14 Tagen Spielzeit im Großen Schauspielhaus
kunft geboten. Im übrigen sind wieder einige alte Stücke zum
Vorschein gekommen. So Georg Hirschfelds „Mütter" im Klei¬ abgetan sein sol¬
nen Schauspielhaus und der Einakterzyklus „Anatol“ von Schnitz¬
ler in den Kammerspielen. Schnitzler ist durch den Reisen Pro¬
den wieder etwas in Mode gekommen. Und mit dem prickelnden
„Anatol" haben die Kammerspiele bei dieser Gelegenheit nicht den
schlechtesten Griff getan.
Eine andere Neueinstudierung und Neu-Inszenierung ragt aber
weit über alle die übrigen Versuche hinaus. Das ist die Auffüh¬
rung der Offenbachschen Operette „Orpheus in der Unterwelt
im Großen Schauspielhaus. Max Reinhardt zeichnet für diese Re¬
aetatt wieder einmal persönlich verantwortlich, ebenso wie im
Deutschen Theater bei den „Traumbildern“ von Strindberg.
Diese Operettenaufführung im Großen Schauspielhaus stellt viel¬
leicht mit Bewußtsein unseren klassischen Operettenbesitz einmal in
vergleichbaren Gegensatz zu den modernen Neuschöpfungen auf
diesem Gebiete. Man kann heute durch alle Berliner Operetten¬
Theater gehen, ohne etwas anderes zu finden als Surrogate,
Ohne Sterne ersten Ranges, wie einzelne Bühnen sie sich in
Künstlern und Künstlerinnen wie Thielscher, Fritzi Massar,
Molly Wessely verschrieben haben, wären die heute gespielten Ope¬
retten ein kraftloses Gerippe mit etwas musikalischer Gewandung.