II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 604

4.9. Anatol Zyklu-
box 9/4
Seite 8
Wien, Di
Bühne un

„Anatol."
Akademietheater.
Schnitzler=Abend des Akademietheaters. Das
Burgtheater wird wohl bald auch Schnitzler und
damit sich ehren, indem es den „Jungen Me¬
dardus neu inszeniert herausbringt. Verspro¬
chen wurde es.
Wieder begegnet uns Anatol. Ladislaus Czei¬
tel hat ihm die Kostüme seiner Zeit angezogen.
Es ist ein seltsames melancholisches Modenalbum:
kaum erlebt und schon historische Vergangenheit.
ist fürchtet man um Anatol. Aber die Leichtig
tet seiner Szenen ist geblieben, weil sie nicht
aus dem Theater, weil sie aus dem Leben kom¬
men. Diese Männer und Frauen hat es gegeben
unsere Landschaft hat sie getragen. Sie waren
Spaziergänger durchs Dasein, dem Zauber der
Stimmung unterworfen und leicht verärgert
wenn ihnen Stimmung und Spaziergang gestört
wurden. Da fühlten sie dann die Macht des
„Unbewußten", da wurde ihnen katzenjämmerlich
zu Mut, mitten im Fasching. Aus dem spazier¬
ten sie dann neunzehnhundertvierzehn gelassen
in den Tod und über die Welt kam die Ent¬
zauberung der Stimmung, der eleganten Herren
und der süßen Mädel. Jetzt erblickt man sie nur
noch in diesen Szenen: die Männer, die nicht den
Mut hatten, das Schicksal zu befragen und sich
ihm zu stellen — die Damen, die nicht die Lei¬
denschaft hatten, zu lieben — die Mädel der Vor¬
stadt, die die Kraft hatten, zu blühen und bei¬
seite zu treten.
Franz Herterich läßt diese Szenen aus dem
Musikalischen emporwachsen. Er führt sie immer
wieder dahin zurück, er will — mit Recht
ihnen die verschwebende überwirkliche Zartheit
Schubertscher Kammermusik geben. So spielt auch
Raoul Aslan den Anatol. Kaum als Gestalt.
Aber die zerfließt ja auch impressionistisch, sie
entscheidet sich ja auch so wenig wie ihre ganze
Zeit. Er ist nicht ein neugieriger junger Mensch
— dieser Anatol — solche Versachlichung drückte
ihn auf ein sehr bescheidenes Lustspielniveau¬
sondern er ist der Ausdruck einer Epoche, die
sterben mußte. Dieses Wissende, dieses Elegische
spielt Aslan. Sein Anatol hat einen großen
Augenblick, als er sich der Enttäuschung gegen¬
über sieht, als er merkt, daß er sich selbst belogen
hat, daß er vergessen worden ist, daß er Episode
geblieben ist — Episode auch im Schicksal der
Welt. Was Aslan gibt, ist Reise und Überreife
der Schnitzlerschen Männerwelt, aber ich glaube,
daß man sie heute gar nicht anders vertragen
kann, als mit der dazu gespielten Ahnung ihres
Sterben müssen.
Emmerich Reimers ist ein Max, der
mehr dem Bierkrügel als dem Champagnerkelch
ongehört. Ein Nachkriegsmag. Aber sein klein