II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 622

4.9. Anatol

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„OBSERVER
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Neues Pressburger Tagblatt, Pressburg
6 FEB. 1933
vom
Anna
Erst in seiner Vollständigkeit ist dieser Ein¬
akterzulas zu verschen. Die Luf einer farbigen
Vergangenheit weit daraus den Duft einer ver¬
blaßen, de vollen Zierum, Ein Wien ersteht
vor uns, das längst in den geschichtlicher Ver¬
gessenheiten unserer bürgiebigen Zeit entschwun¬
den, wo die Menschen noch Muße hatten zu träu¬
men, sich Stimmungen zu ergeben vornehm zu
sein und frei zu plaudern, wo man das Leben
um seiner selbst genossen, die Stadt der „leicht¬
sinnigen Melancholiker und der „füßen Mädel
mit dem Walzerhythmus in den Beinen, mit
den leisen Tränen in den Augen und den zer¬
stochenen Fingern. Der Reigen der Liebschaften
um den niemals so echt fröhlichen Liebeskünstler
Anatol und um seinen sachlich, trockenen Kiebit
Max wird hier zu einem sindlichen Reigen:
aus vom nicht die Bühnenwirksamkeit eines Ak¬
tes oder die zarte Lyrik eines Gespräches haften
bleibt, sondern die Gesamtheit der leichten und
doch so tief sinnvollen Stimmung. Der Dichter
lebt in diesem 40 Jahre
die
alten Werke heute
ja manche fast sagen, die Patina der Ver¬
bung, der Wunschraum einer längst ent¬
schwundenen, aber gar liebevollen Zeit vergoldet
die Geltsträne dieser Dichtung.
Dies zeigte sich auch bei der montägigen
Aufführung. Nun sitzt schon ein Publikum im
Theuer, das gar wenig Gemeinsames mit der
Anatol Stimmung hat, unstete, im Schatten der
Sorgen sich mühende Menschen: und dennoch ver¬
schließen auch sie sich nicht dem ewigen, leisen
Worte des Dichters. Sie gingen mit und zeigten
sich über alle Feinheiten des Dialogs und der Dy¬
rik entzückt.
Anatol war Raoul Aslan, ein etwas ge¬
wichtiger, niemals anderer Gehlsphilosoph.
Er hat den Zaher des Eroberers und die
Schermut des im Genosse eigentlich immer un¬
zufriedenen Träumer. Vor allem aber die Per¬
schkeit des Bühnenbeherrschers. Neben ihm
geflissentlich
Emmerich Reimers, ein
era trockener Lebenspraktiker, mit der leisen
Komik des ewigen Kiebites. Im Reigen der
Frauen war die Gabriele Ebba Johannsens
in nach einkaufes die schauspielerisch und
mentlich feinste Leistung, ihre Ilona war na¬
türlich auch interessant, doch entsprach diese Rolle
ihrer Persönlichkeit nicht. Zwei süße Mdels
spiele Maria Kramer, eine junge Schauspie¬
lerin, die den Sprüchtenfel des Temperaments in
Amen. Bewegungen und Sätzen hat, außerdem
über hat sie viel komische Begabung und ist von
Der Schigkeit Gott sei Dank, meilenweit ent¬
fernt. Jedenfalls hat Fräulein Kramer gleich
beim ersten Male die Preßburger benungen.
Annie Hartmann hatte ner Gelegenheit,
ihre vorteilhafte Bühnenerscheinung und ihre
Sicherheit unter Beweis zu stellen.
Die stimmungsvolle Darstellung und die rei¬
zenden Kostüme gefielen dem Publikum, das das
Haus füllte, außerordentlich.