II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 633

4.9. Anatol
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Zyklu-


Theater
Nr. 1222
Bleibt, als Gewinnst, die Erscheinung der Zofe Dortka: Ger¬
trud Welcker. Lieblich und blond. Der Herrin ergeben in jedem
Blick. Auch in ihren stummen Szenen von belebtem Spiel. Ihre
Stimme klingt immer zärtlich metallen.

ter
Ein Schnitzler=Abend.
Versunkene Westen! Sphäre des Smoking und des Fracks
Zärtliche Luft in verschwiegenen Räumen, von sensiblen Gefühlchen
geschwängert! Liebeleien, die sich ne Katastrophen lösen! Anatol¬
reigen!... Wohin entschwandet ihr, begnadete Stunden, da die
Untreue einer Frau zu den schmerzlich-süßesten Erlebnissen gehörte,
die dieser Erdball bot? Jetzt ist da alles .. wenn auch nicht aus¬
gelöscht aus suchenden, irrenden Menschenherzen, so doch gemach in
die zweite und dritte Linie gedrängt, und das Theater in der
Königgrätzerstraße hat das Verdienst, uns ein Märchen der
Wirklichkeit zu zeigen, wie es war und wie es, ach einstmal, wieder
sein wird, indessen uns allen die Faust der Kriegsfurie brutal am
Kragen stand.
Man sah also drei Stücke aus dem „Anatol", durchweht von
der heiter melancholischen Atmosphäre verliebter Jugend; Dialoge, denen
Schnitzler das Arom überlegener Ironieen gab, auch wenn da und
dort eine winzige Spitze sich zeigt; auch wenn zuweilen ein schrillerer
Ton die verdeckte Leidenschaft der Partner enthüllt.
„Denksteine“ und „Frage an das Schicksal" haben ein Gemein¬
sames; die Eifersucht im männlichen Herzen, und es werden darin
mit leichten Gesten tiefgründige Wahrheiten dargetan; Sätze gesagt,
die die Wechselbeziehungen der Geschlechter scharf durchleuchten, auch
wenn sie beiläufig in harmlosem Zwiegespräch entstehen. Der Reiz
der „Schicksalsfrage, darin ein junges Mädchen hypnotisiert wird,
um ihre wahren Gefühle selbst zu verraten, besteht eben darin, daß
diese Frage von dem verliebten Anatol schließlich nicht gestellt wird
sondern daß er, nach wahrhaft titanischem Ringen, ein Mädel auf¬
weckt und, wie es mit ihrer Treue auch bestellt sei, von neuem ge¬
rührt in die Arme nimmt. Die „Denksteine" gehen um einiges
tragischer aus, denn in ihnen zeigt sich, daß die Frau, die Anatol
aus tiefer Sphäre hob, ihr Kokottentum doch nicht ganz verlor; daß
sie nicht fähig war, sich von einem kostbaren Stein zu trennen, ob¬
wohl sie es versprach; daß die Schminke der Gefühle von ihrem
Antlitz fällt, als Anatol den Stein ins Feuer wirft, und sie, wieder
Dirne ganz, mit gierigem Schrei zum Ofen stürzt. Da aber Analo¬
entschlossen war, gerade diese Frau zu seinem Weibe zu machen, und
da wir ihn doch noch weiter als Liebhaber erleben wollen, verliert
auch die „Denkstein"-Episode ihren tragischen Akzent, und wir sehen,
im „Abschiedssouper", den Falter Anatol bereits von einem anderen
Blumenkelch sich lösen, um zu neuen Blüten zu segeln. Das Mädel
vom Theater, das Annie heißt, in Uebermut und Sektlaune tolle
Kapricen schlagend, war von jeher eine ergibige Rolle für viele
Schauspielerinnen. Die ganze Stimmung über dem Stück ist wie von
Sektbläschen durchsetzt, und das lockere Bündnis zwischen Annie und
Anatol geht in die Brüche, ohne daß auch nur eine einzige Träne fiele.
„Literatur“ ist von derberer Art. Satirisch schärfer durchsetzt.
Voll Witz und sanfter Bosheit. Die Typen karikiert. Sowohl der
des münchener Literaten als auch der des adligen Sportsmannes.
Eine kleine Komödie von scharfem Schnitt.
Eugen Burg spielte in den ersten drei Stücken den Anatol;
in „Literatur“ den Clemens. Er steht schon einigermaßen jenseits
des Jünglingtums und gab darum seiner Gestalt eine reifere Note.
Er war ganz überlegener Genießer, der kaum aus den Angeln zu heben
ist; alle seine Gesten waren leicht, sein Ton gedämpft. Ein Anatol,
wenn auch nicht vorbildlich, so doch in seiner gesicherten Ruhe acht¬
bar und wirksam in jeder Phase Den Clemens gab er strohblond,
nig steifbeing; von sanfter Beschränktheit des Gemüts; mit
em Ton. An zahlreichen Stellen erschütternd komisch.
exander Ekert als Max, des Anatol Freund, war der
der seiner Gestalt die wienerische Nuance lieh, auch wenn er
us passiv sich zu verhalten hat. Den Literaten Gilbert in
atur" spielte er mit einer struppigen, resoluten Komik. Eine
rissene Figur, die sehr gefiel.
Irene Triesch war einmal, in den „Denksteinen", die Dirne
e: zu reif, zu überlegen, zu intellektuell. Die literarische Dame
der bunten münchener Vergangenheit gelang ihr besser; sie gab
Worten einen spöttischen Unterton, der auch hier wieder be¬
daß sie über ihrer Rolle stand, doch war der Eindruck in diesem
ck weniger brüchig als zuvor. Unnötig, zu sagen, daß ihre eigent¬
de Domäne in anderen Breiten liegt.
Maria Orska aber war ganz an ihrem Platz als Cora
ebenso wie als Annie. Zuerst eine Geliebte von Kultur; von äußerst
dezentem Spiel; im „Abschiedssouper", als kleines Theatermädel,
von perlendem Uebermut, ungeheurer Eßgier, allmählich einem freund¬
lichen Schwips verfallend, den sie mit einfachen Mittel sichtbar macht.
Sie verschwand, in einem wirbelnden Finale, aus dem Gesichtskreis
des verblüfften armen Anatol.
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus bener Neueste Nachrichten
München
11
vom

Augsburger Stadttheater. Nach der fast aus¬
schließlich der Oper gewidmeten vorigen Woche be¬
ginnt nun auch das Schauspiel Taten zu zeigen.
Unter Regisseur Heinrich Orells vorzüglicher
Leitung ging — als Novität für Augsburg—
in Szene. Gustav
Mag
ch
Pardall als Gast nach der Darstellung des
„Anatol jene müde, lässige Lebenswahrheit in
Haltung und Konversation, jenen Ernst, der in¬
mitten der komischsten Situationen zu träge und
blasiert, um der Heiterkeit sich hinzugeben, und
jene treffende Mischung von Geist und Einfalt, die
dem Typus des jungen Lebegreises die charakte¬
ristischen Grundlinien zeichnete. Herr Rolf Ran¬
dolf von Münchner Schauspielhaus spielte den
„Max" mit gesunder Lebensfrische; auch die Da¬
menrollet wurden von Hedda Berger, Else
Dohmen, Hildegard Schubert und Frieda
Regnald günstig vertreten. Das Stück erzielte
in der Ausführung so freudigen Beifall, das

eine Wiederholung mit denselben Kräs
tag angesetzt wurde