II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 704

4.9. Anatol - Zyklus
box 9/5
Wollzeile 11. Telephon R 23-0-43
Ausschnitt aus
Die Fledermaus, le
SP. 1935
vom
Sonntag bei Anatol
ktor Leopold Kramer
schiedsbesuch bei Dir
Fast unübersehbar ist die Reihe der Gestalten, vollen Gurken, Tomaten und Birnen zeigt, das, daß für die Aufführung drei Bühnenproben ge¬
Charmeure und klassischen Helden, die Direktor Gespräch immer wieder um das Theater, vor nügen werden.
Schauspielregie wird Regisseur Meinhard:
Kramer in leider viel zu kurzer, immer wieder allem um Direktor Kramers nächste
(von den Meinhardt=Bernauer=Bühnen führen;
unterbrochener Wiener Tätigkeit dem entzückten
die Opernregie steht noch nicht ganz fest. Für
Publikum zu Dank gespielt hat.
Brünner Pläne
das Ballett habe ich sehr viel übrig, und ich
Und von den vielen Rollen, die Leopold
kreisst:
Kramer während seiner mehr als vierzigjährigen
„Ich habe eine Anzahl großer Pläne — of habe auch die ausgezeichnete Ballettmeisterin
— Ruth Sendler — verpflichtet. Demnächst
Bühnenlaufbahn gestaltet hat, ist es besonders sie alle werde ausführen können, wird die
eine, die ihn, unbeschadet aller anderen großen
Zukunft zeigen. So vieles hängt ja von der wird Zerlinsky „Die Hochzeit des Figaro
dirigieren, an große (Wagner.) Opern können
Erfolge, erst so recht zum Wahrzeichen Wien¬
Willigkeit des Publikums ab. Der Ausländer¬
wir nur von Fall zu Fall denken. Die Bühnen¬
stempelt. Ihm war es vorbehalten, vor genau
paragraph erschwert die künstlerische Arbeit be¬
gestaltung des „Figaro" macht Professor Pirchan¬
25 Jahren als erster eine der liebenswürdigsten
Auch interesante Opernpremieren stehen bevor:
typischesten Wiener Figuren, die je ein Dichter trächtlich.
Wir dürften wieder vor einer Renaissance
Salmhofers „Dame im Traum, Re¬
geschaffen hat, von der Bühne her zu erleben
des gesunden Theaters stehen, die
Schnitzlers „Anatol.
Problemsachen halte ich für erledigt; schon des¬his Die Flamme¬
In den letzten Wochen habe ich über zwei¬
halb, weil sie ja doch nicht von der Bühne
hundert Stücke gelesen, moderne und historische
Direktor Leopold Kramer
aus gelöst werden können. Das Theater soll
— nach der Meinung der Autoren sind natürlich
ist der Schnitzlerschen Gedankensphäre auf das am Leben teilnehmen.
alle gut. Ich denke auch an eine Art Studio, in
Große Ausstattungsstücke kann ich heute nicht
innigste verbunden
dessen Rahmen ich — außerhalb des Abonne¬
„Als ich um die Jahrhundertwende nach bringen; aber ich werde trachten, gutes Theater
ments — gewisse Stücke wagen möchte; sollten
zu machen, das Niveau im Sinne der Großstadt
Wien kam, zählte ich sehr bald zum engeren
sie sich als lebensfähig erweisen, so werden sie
Freundeskreis der literarischen Jung=Wiener zu halten. Aber mich reizt die Aufgabe und
in den Abendspielplan aufgenommen werden.
Bewegung; geistiger Führer dieser interessanten trotz aller unausbleiblichen Schwierigkeiten lasse
Selbstverständlich werden auch Wiener Gäste
ich mich die Arbeit nicht verdrießen; freilich
Richtung war Hermann Bahr; Fel¬
in Brünn zu sehen sein, und ich denke unter
Salten war Theaterkritiker der Monatsschrift darf nicht verlangen, daß ich zaubere. In
anderem an ein Gastspiel Hubert Marischka¬
„Die Zeit und Arthur Schnitzler begann der ersten Saison werde ich in erster Linie
den ich sehr schätze — in „Lebensfreude.
damals seinen Siegeszug über die Bühnen. Fast aufbauen müssen. Vorläufig spielen wir in
Daß Frau Glöckner in Brünn spielen wird,
alle seine Stücke wurden im Volkstheater gezwei Provisorien, das alte Theater wird
ist abgemachte Tatsache — die Rollen steen
von Professor Pirchan renoviert; der Neubau
spielt, und ich selbst habe eine ganze Reihe
zur Zeit noch nicht fest.
Schnitzlerscher Gestalten dargestellt. Aber außer soll erst kommen.
An Premieren sind für die nächste Zeit vor¬
Ob ich selbst auch als Schauspieler vor das
den großen Erfolgen hatten wir Schnitzler noch
gesehen: „Der glücklichste Mensch (Debür
Brünner Publikum treten werde? Nur dann
etwas zu danken — nämlich einen ordentlich
Karl Skraup), „Der Stärkere, „Die
geregelten Probenbetrieb. Damals wenn es die Repertoirebildung erleichtert oder
erste Legion...
wenn es gilt, Lücken auszufüllen.
gab es jeden Samstag eine Premiere
Und wenn das Interview zu Ende ist, wird
Sicher ist vorläufig, daß ich im Konzert
die Proben begannen eine Woche vorher. An¬
Konversation gemacht — seitens des Ehepaares
von Hermann Bahr und in Wedelinds
genehm war es nicht, unmittelbar nach der
mit beschwingter Schnitzlerischer Leichtigkeit.
Generalprobe (am Freitag) gleich die nächste
„Musik spielen werde.
Und man bedauert, daß es für lange, lange
Novität zu probieren. Arthur Schnitzlei
An dem Wedekind-Stück haben wir in den
Zeit der letzte Besuch in Ober=St. Veit ist.
war nun der erste, der sich gegen
m. fr.
letzten Wochen in Wien derart intensiv gearbeitet,
diese Art von Betrieb stellte. Er
Wochen
verlangte vertraglich zwe
Probenarbeit; am Montag mußte be¬
gonnen werden und am übernächsten Samstag
gab es dann eine bis ins kleinste Detail liebe¬
voll ausgearbeitete Vorstellung. Natürlich kam
er auch auf die Proben, und da erwies er
sich als Regisseur immer als verständnisvoller
Freund und Führer der Schauspieler. Alles,
was er sagte und anordnete, war so zart und
vornehm und im Sinne des Stückes. „Man
soll nichts wiedererleben wollen
— diesen „Anatol-Ausspruch schrieb Schnitzler
in mein Stammbuch; aber er fügte einen Nach¬
satz hinzu: „.. außer die Aufführun¬
gen von eigenen Stücken...
Und irgendwie Schnitzlerisch mutet auch die
Atmosphäre des
Hauses Kramer=Glöckner
an. Ganz weit draußen in Ober=St. Veit, wo
der Blick sich allmählich in den Wienerwald
verliert, befindet sich dieses wunderschöne, kul¬
tivierte Künstlerheim, und man begreift es nur
zu gut, daß Direktor Leopold Kramer ein
bißchen schweren Herzens von da scheidet:
„Es tut mir leid, Wien verlassen zu müssen
aber, offen gestanden, mein letzter Aufenthalt
— denn ich fühle
hat mich gelinde enttäuscht
zu viel Schaffenskraft in mir, um müßig zu
gehen.
Direktor Kramer liebt leidenschaftlich sein
Heim und seinen Garten — aber mindestens so
leidenschaftlich liebt er das Theater, und so
ist es selbstverständlich, daß, während der
passionierte Gärtner Kramer einem die pracht¬