II, Theaterstücke 4, (Anatol, 7), Anatols Hochzeitsmorgen, Seite 23

4. 7. Anatols Hochzeitsnorgen
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— Ausschnitt aus:
ZI. JAN 1909
E vom.:
n„Eheater und Kunst.
Matinee der Concordia. Der Jou nalisten¬
und Schriftstellerverein „Concordia“ veranstaltete im Johann
Strauß=Theater eine Matinee mit erstklassigem Aufgebot an
Stücken und Darstellern. „Die Liebe“ oder der „Sinnes¬
rausch“ hätte der Generaltitel der aufgeführten Einakter heißen
können. Das stärkste darunter eine Perle von Oskar Wildes
„Florentinische Tragödie". Fackelschein auf dunkelrotem Bilde,
die Umrisse mit dem Messer gezogen. Eine starknervige
Zeit steht auf, darin die Menschen von den Gesetzen noch
nicht zu Maschinen gemacht, in dekadenter Schwächlichkeit
noch nicht dazu erzogen wurden, nichts zu erleben. Der
Krämer überrascht seine Frau mit dem Prinzen, ihrem¬
Buhlen. Er spielt sich mit ihnen in grausamer, höhnischer
Wut, heuchelt eine Krämersäle, handelt mit dem Galau um
Brokate. Aber dann klirren die Degen Das Weib muß
mit der Fackel dazu leuchten und alle ihre Gebärden wünschen
ihrem Manne den Tod. Der aber stößt den Prinzen nieder,
erdrosselt ihn. Und das Weib, nun selbst vom bedroht,
jauchzt ihm entgegen: „Warum sagtest du mir nie, daß
du so stark bist?“ Und er läßt die Waffe fallen: „Warum
sagtest du mir nie, daß du so schön bist?“ Kainz war der
Krämer, der in seinem Hause ein rächender König ist, die
anberen Frau Medelsky und Herr Gerasch.
„Anatols Hochzeitsmorgen“ von Artur Schnitzler. Anatol
hat in der Nacht vor seiner Hochzeit seine letzte Geliebte
bei sich gehabt. Jetzt soll er heiraten gehen, aber das Mädel
ist nicht wegzubringen. Bis sie nach hundert Verlegenheiten
die Wahrheit erfährt und nach einem großen Wutausbruch
sich mit dem vielsprechenden: „Auf Wiedersehen“ empfiehlt.
Kramer und Fräalein Galafrés brachten allen Witz
dieser Szene zur Geltung. — Thaddäus Rittners
„Besuch in der Dämmerung". Mann und Weib, die in
der Dämmerung heiß und heißer werden, bis das Licht
aufflammt und sie nüchtern und wohlerzogen macht. Hier
war namentlich Edthofer glänzend, Fräulein Galafres
stimmungsvoll. — „Der Pechvogel“ von A. M. Willner
brachte seinem Verfasser starken Beifall. Pariser Gefängnis zur
Zeit der großen Revolution. Darin ein Liebespaar. Um
diesem eine Stunde zu retten, geht statt des Mannes dessen
Freund früher zum Schaffott. Aber der Liebhaber wurde
in letzter Minute begnadigt. Durch die Verwechslung geht
der Freund jetzt frei, der Begnadigte verfällt dem Henker.
Sehr hübsch gespielt von Kramer, den Fräuleins
Hannemann und Schweighofer.
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(„Concordia=Matinee.) Wie man # ge¬
wärtigen konnte, mit erfahrenem Geschmack zusammengestellt
und durch vollen Erfolg belohnt. Inmitten der Einakter¬
(Première, die das Volkstheater gestellt, die Burg
mit der „Florentinischen Tragödie“ von
Wilde. Eine Hinterlassenschaft des unglücklichen Mannes,
durch glücklichen Zufall gerettet, sill dies farbensatte Prunk¬
stück freudig begrüßt werden. Es ist virtuos, förmlich
aus einem Handgriff heraus gemacht; nur einer, der aus
Vollem schöpft, konnte solche sichere Striche führen, konnte
die Farbe so leuchtend auftragen, daß man die Glüh¬
luft des Cinquecento zu spüren vermeint. Ob man tat¬
sächlich nur ein Fragment vor sich hat, eine tragische
Schlußentwicklung und nichts weiter? Was uns über¬
liefert worden, macht den Eindruck einer fest geschlossenen
Komposition, und ein Künstler, derso vornehm über Kunst
und so übermütig gering vom Publikum dachte wie Wilde,
war schwerlich geneigt, seine feinen Gestalten und Stimmun n
ausführlicher zu geben und dem Hörer das Mitgehen leichter
zu machen. Durch Worte, durch schweigende Gebärde läßt er
erraten, welche Eingebungen in der Seele Simones, des
Krämers, hin und her wogen und miteinander ringen. Wie
nimmt er den spälabendlichen Besuch des jungen Prinzen, den
er bei seiner Heimkehr vorfindet? Ist der dreiste Junker mit
seinem Weib schon einig oder kann noch die Schande ab¬
gewehrt werden? Vielleicht darf der vornehme Knabe
noch zu hoher Buße veranläßt werden, bevor er
das Haus verläßt, das er verunehren wollte. Nein,
es steht viel schlimmer, die beiden sind gegen ihn, sie, Bianca, die
bisher dumpf neben ihm dahingelebt und erst an der Sünde
herrlich emporgeblüht, und der Prinz, der sorglose Geck,
sie verachten ihn und sein Krämerwesen, seinen Geldhunger,
seine ergebene Unterwürfigkeit. Und nun siegt der Zorn,
siegt die Kraft, die bisher geschlummert, da das eintönige
Tageswerk ihrer nicht bedurfte. Erstaunt sehen seine beiden
Feinde einen anderen Menschen vor sich, sie sehen's und brechen
sofort unter der Faust des Riesen zusammen; er für allezeit,
das vornehme Gewand hat einen niedrigen Geist be¬
herbergt, sie in tiefem und doch frohem Schrecken, sie
wußte nicht, was sie längst besessen. Meisterhaft ist diese
Entwicklung durchgeführt, ein wahres Prachtstück für die Bühnen¬
wirkung. Als ob Wilde zeigen wollte, wvie man's machen
müßte, um Renaissance zu schildern, keine Kostüm= und Chro¬
nikentreue, Mediceer= und Baglionen=Tragödien, sondern wirk¬
liches, heißes Leben. Als ob er das einmal zeigen wollte, ein
Wurf für Wilde — nicht viel mehr. Aber Kainz spielte den
Simone und seine geniale Nachempfindung bringt die ganze
Skala von Vorstellungen, die da durcheinander stürmen, zu
vollem Ausdruck. Soll man mit ihm um Einzelheiten rechten an¬
gesichts dieses kostbaren Geschenks, das er der modernen Schauspiel¬
kunst gemacht? Neben ihm stand und lauerte und staunte Bianca, Frau
Medelsky, ein paar wilde, keuchende Worte und Rufe
hoben sie neben Kainz, man achteie sogar nicht der Geschmack¬
losigkeit ihres Aussehens. Von der kleinen Stimmungsskizze
Thaddäus Rittners, wie von Willners geschickt
dramatisierter Anekdote aus der Schreckenszeit des Konvents
und vor den hübschen Anatolenovität Schnitzlers wird noch)
ausführlicher am Samstag berichtet werden müssen. Heute sei
nur der vorzüglichen Leistungen der Damen Galafrés,
Hannemann und Schweighofer, wie der Hexten
Kramer und Edthofer die geziemende Erwähntung
F. Zv.
getan.
a.l