1
Hochzeitsmorgen
4.7. An
Novitäten=Matineo der „Konkordia“ im
Johann Strauß=Theater. Reden wir zuerst von
Kainz. Er warider Mittelpunkt der gestrigen Ver¬
anstaltung, er verbreitete Leben und strahlte Wärme
aus. Was Kainz in Oskar Wildes „Eine flo¬
rentinischs Tragörie“ auf die Bühne brachte,
darf mit dem Gemeinplatze „hochinteressant“ nicht
erledigt werden. Ein vornehmes Publikum wurde
Zeuge einer schauspielerischen Großtat, schaute einen
Gipfel darstellender Kunst. Die Dichtung selbst hat an
dieser Stelle bereits kritische Würdigungerfahren. Einem
kleinen Kreise wurde sie vor Jahren im Intimen Theater
zugänglich gemacht. Gestern trug ein Riese das
Fragment des unglückseligen englischen Poeten über
die Bretter und e: löste damit mächtige Bewegung
aus. Das war kein gewöhnlicher Applaussturm, der
die ungewöhnliche Darbietung begleitete. Die Leute
saßen mit angehaltenem Athem auf ihren Plätzen
sund folgten mit Bewunderung und Ergriffenheit der
Darstellung, die mehr war als ein Spiel, die ein
Menschenschicksal entwickelte. Die „Konkordia“ hat
sich ein großes Verdienst erworben, daß sie Kainz
bestimmte, „Eine florentinische Tragödie" vor¬
zuführen. Nun kommt das Wetk in das Burgtheater
und Jeder, der ein Verhältnik um Theater hat,
wird den Künstler in diesem olle sehen wollen.
Als Simone, wie er des=Schä#er seiner Ehre
schmeichlerisch einkreist,zum Lauenschlage, zum
Trinken und zum Wassengänge auf Leben und Tod
auffordert, da stehen der grauköpfige Krämer und
der üppige Prinz einander gegenüber ... dazwischen
die verbuhlte Frau, mit der Fackel beleuchtend den
Zweikampf. Und die Degen klirren ... die Dolch¬
klingen funkeln, und endlich erwürgt der Greis,
seinen Nebenbuhler. Als der Cicisbeo verröchelt,
sie hat nicht gewußt
jauchzt die Sünderin auf ...
daß der alte Mann so viel Kraft besitzt ... und
box 8/3
der Sieger findet die Teufelin schöner denn je zuvor!
Dem Weibchen imponie#t nur die rohe Macht, das
Robuste, das Gewalitätige beim Männchen. Kainz,
Lotte Medelsky und Alfred Gerasch erfüllten
alle, auch die verborgensten Absichten des Poeren,
der in diesem Akie verschlungene Pfade wandelt.
Kainz ließ dem Publikum keine heit zum Nachdenk.n
über die nervenaufpeitschenden Vorgänge. Im Saal¬
berrschte beklommene Stille. Riesengroß wuchs die
Gestalt des Rächers empor; ein Todesengel schritt
im Dämmer durch die Halle. Im Anfange voll
Demut, dann sich aufbäumend in Ingrimm
ausholend zur vernichtenden
und endlich
Umklammerung des Feindes. Nach dem
keuchenden Blutdurst — der ächzende Hunger nach
Liebe. Eine unvergeßliche Meisterleistung! Jetzt zu
den anderen Einaktern. Mit Thaddäus Rittners
„Besuch in der Dämmerung“ wurde die
Matinee eingeleitet. Wir bringen dem geistvollen,
dem Düsteren zuneigenden Dramatiker gebührende
Wertschätzung entgegen. Seine jüngste Phantasie¬
schöpfung traf auf geringe Empfänglihkeit des
Publikums, sie weckte sogar leisen Wider¬
spruch. Ist eigentlich eine Novellette, die sich
vielleicht bei einbrechender Dunkelheit angenehm
liest, wenn im Kamin die Scheiter singen. „Der
Herr in Schwarz — wir folgen dem Theaterzettel —
hat seine Frau verloren. In seinem bohrenden
Schmerze verirrt sich der Witwer zu einer „Dame
in Rosa“, die einen „älteren Freund“ besitzt. In dem
fast finsteren Boudoir rücken „Schwarz" und „Rosa“
zusammen ... Die Lichter flamnen auf und de:
kuriose Herr geht links ab. Die reizende Galafrés
bemühte sich mit den Herren Edthofer und
Leyrer um die traurige Geschichte von der
ech¬
„Der
wandelnden Trauerweide.
hieß die andere bühnenwirksame
gel“
Novität. Von A. M. Willner. Der
wandte Opern= und Operettenlibrettist wollte
diesmal, auf eigene Gefahr und Kosten, einen
tiefen Schluck aus dem kastalischen Quell tun.
Schauplatz seiner Anekdote ist die Conciergerie anno
1793. Die französische Revolution bildet den blutig¬
roten Hintergrund. In dem Gefängnisse erblüht die
Blume süßer Minne. Draußen rasseln die Karren,
beladen mit den Opfern fün die Buillotine. Ein Kavalier
will seinen liebesseligen Freund retten und nimmt
dessen Namen an. Vor dem Blutgerüste wird aber
der großmütige Aristokrat begnadigt — warum weiß
niemand. Er verschwindet und jetzt verfällt der
Edelmann, der vor dem Schafotte bewahrt werden
sollte, doch dem Henker. Leopold Kramer fand
für den edlen Grandseigneur, der im Kerker philo¬
sophiert, vornehme Haltung und einen überlegenen
Ton. Käthe Hannimann weinte die echtesten
7—
Tränen. Fräutem Schweighofer verlor ihren
Willner konnte
schönen Kopf mit Würde.
mehreren Hervorrufen Folge leisten. Das letzte Wort
hatte Artur Schnitzler mit „Anatols Hoch¬
zeitsmorgen“ Es war ein trefflicher Einfall,
Sie
bringen.
humorvolle Komödie zu
di
steckt voll lustiger Worte, hinter den flatternden Rede¬
wendungen leuchten Menschlichkeiten. Anatol, der die
letzte Nacht als Junggeselle mit dem Wunschmädchen
Ilona verbringt und aus ihren Armen zum Trau¬
altar stolpert ... Die Galafrés und Kramer
spielten entzückenb die Duoszene und Klirsch war
sder gute Dritte im Bunde. Noch ein Wort herzhaften
Lobes den Regisseuren der Matinee: Kainz,
Dr. Fellner und Kramer. Künstler rechts,
Künstler links, der Dramaturg in der Mitten.
sch.
Hochzeitsmorgen
4.7. An
Novitäten=Matineo der „Konkordia“ im
Johann Strauß=Theater. Reden wir zuerst von
Kainz. Er warider Mittelpunkt der gestrigen Ver¬
anstaltung, er verbreitete Leben und strahlte Wärme
aus. Was Kainz in Oskar Wildes „Eine flo¬
rentinischs Tragörie“ auf die Bühne brachte,
darf mit dem Gemeinplatze „hochinteressant“ nicht
erledigt werden. Ein vornehmes Publikum wurde
Zeuge einer schauspielerischen Großtat, schaute einen
Gipfel darstellender Kunst. Die Dichtung selbst hat an
dieser Stelle bereits kritische Würdigungerfahren. Einem
kleinen Kreise wurde sie vor Jahren im Intimen Theater
zugänglich gemacht. Gestern trug ein Riese das
Fragment des unglückseligen englischen Poeten über
die Bretter und e: löste damit mächtige Bewegung
aus. Das war kein gewöhnlicher Applaussturm, der
die ungewöhnliche Darbietung begleitete. Die Leute
saßen mit angehaltenem Athem auf ihren Plätzen
sund folgten mit Bewunderung und Ergriffenheit der
Darstellung, die mehr war als ein Spiel, die ein
Menschenschicksal entwickelte. Die „Konkordia“ hat
sich ein großes Verdienst erworben, daß sie Kainz
bestimmte, „Eine florentinische Tragödie" vor¬
zuführen. Nun kommt das Wetk in das Burgtheater
und Jeder, der ein Verhältnik um Theater hat,
wird den Künstler in diesem olle sehen wollen.
Als Simone, wie er des=Schä#er seiner Ehre
schmeichlerisch einkreist,zum Lauenschlage, zum
Trinken und zum Wassengänge auf Leben und Tod
auffordert, da stehen der grauköpfige Krämer und
der üppige Prinz einander gegenüber ... dazwischen
die verbuhlte Frau, mit der Fackel beleuchtend den
Zweikampf. Und die Degen klirren ... die Dolch¬
klingen funkeln, und endlich erwürgt der Greis,
seinen Nebenbuhler. Als der Cicisbeo verröchelt,
sie hat nicht gewußt
jauchzt die Sünderin auf ...
daß der alte Mann so viel Kraft besitzt ... und
box 8/3
der Sieger findet die Teufelin schöner denn je zuvor!
Dem Weibchen imponie#t nur die rohe Macht, das
Robuste, das Gewalitätige beim Männchen. Kainz,
Lotte Medelsky und Alfred Gerasch erfüllten
alle, auch die verborgensten Absichten des Poeren,
der in diesem Akie verschlungene Pfade wandelt.
Kainz ließ dem Publikum keine heit zum Nachdenk.n
über die nervenaufpeitschenden Vorgänge. Im Saal¬
berrschte beklommene Stille. Riesengroß wuchs die
Gestalt des Rächers empor; ein Todesengel schritt
im Dämmer durch die Halle. Im Anfange voll
Demut, dann sich aufbäumend in Ingrimm
ausholend zur vernichtenden
und endlich
Umklammerung des Feindes. Nach dem
keuchenden Blutdurst — der ächzende Hunger nach
Liebe. Eine unvergeßliche Meisterleistung! Jetzt zu
den anderen Einaktern. Mit Thaddäus Rittners
„Besuch in der Dämmerung“ wurde die
Matinee eingeleitet. Wir bringen dem geistvollen,
dem Düsteren zuneigenden Dramatiker gebührende
Wertschätzung entgegen. Seine jüngste Phantasie¬
schöpfung traf auf geringe Empfänglihkeit des
Publikums, sie weckte sogar leisen Wider¬
spruch. Ist eigentlich eine Novellette, die sich
vielleicht bei einbrechender Dunkelheit angenehm
liest, wenn im Kamin die Scheiter singen. „Der
Herr in Schwarz — wir folgen dem Theaterzettel —
hat seine Frau verloren. In seinem bohrenden
Schmerze verirrt sich der Witwer zu einer „Dame
in Rosa“, die einen „älteren Freund“ besitzt. In dem
fast finsteren Boudoir rücken „Schwarz" und „Rosa“
zusammen ... Die Lichter flamnen auf und de:
kuriose Herr geht links ab. Die reizende Galafrés
bemühte sich mit den Herren Edthofer und
Leyrer um die traurige Geschichte von der
ech¬
„Der
wandelnden Trauerweide.
hieß die andere bühnenwirksame
gel“
Novität. Von A. M. Willner. Der
wandte Opern= und Operettenlibrettist wollte
diesmal, auf eigene Gefahr und Kosten, einen
tiefen Schluck aus dem kastalischen Quell tun.
Schauplatz seiner Anekdote ist die Conciergerie anno
1793. Die französische Revolution bildet den blutig¬
roten Hintergrund. In dem Gefängnisse erblüht die
Blume süßer Minne. Draußen rasseln die Karren,
beladen mit den Opfern fün die Buillotine. Ein Kavalier
will seinen liebesseligen Freund retten und nimmt
dessen Namen an. Vor dem Blutgerüste wird aber
der großmütige Aristokrat begnadigt — warum weiß
niemand. Er verschwindet und jetzt verfällt der
Edelmann, der vor dem Schafotte bewahrt werden
sollte, doch dem Henker. Leopold Kramer fand
für den edlen Grandseigneur, der im Kerker philo¬
sophiert, vornehme Haltung und einen überlegenen
Ton. Käthe Hannimann weinte die echtesten
7—
Tränen. Fräutem Schweighofer verlor ihren
Willner konnte
schönen Kopf mit Würde.
mehreren Hervorrufen Folge leisten. Das letzte Wort
hatte Artur Schnitzler mit „Anatols Hoch¬
zeitsmorgen“ Es war ein trefflicher Einfall,
Sie
bringen.
humorvolle Komödie zu
di
steckt voll lustiger Worte, hinter den flatternden Rede¬
wendungen leuchten Menschlichkeiten. Anatol, der die
letzte Nacht als Junggeselle mit dem Wunschmädchen
Ilona verbringt und aus ihren Armen zum Trau¬
altar stolpert ... Die Galafrés und Kramer
spielten entzückenb die Duoszene und Klirsch war
sder gute Dritte im Bunde. Noch ein Wort herzhaften
Lobes den Regisseuren der Matinee: Kainz,
Dr. Fellner und Kramer. Künstler rechts,
Künstler links, der Dramaturg in der Mitten.
sch.