Hochzeitsnor
Anatols
4. 7
Den
Telephon 12801.
P Minteerierereür
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
2
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
6 Ausschnitt aus:
HIENER CANCZTAMFR
E vom: 24.0Ml 1909
THEATER.
Im Volkstheater ist man gleich mit
einem Vierling niedergekommen. Aus
Schnitzler, Willner, Bernstein, Salten
sollte sich ein abendfüllendes Gebild ge¬
stalten. Es ging ganz leidlich vorüber.
Schnitzler ist eine gute Marke, wenn
auch sein Anatol ein bischen gar zu
stark ausgenützt ist. Er ist demgemäß
am Hochzeitsmorgen ziemlich entkräftet.
Saltens „Auferstehung“ hat schon
einmal gefallen, Willners „Pechvogel“
verdient seinen Namen und Bernsteins
„grüne Schnur“ wurde vom Publikum
bereits in der Garderobe angehört. Alle
Anerkennung für das prächtige Personal
des Volkstheaters, welches die Hinder¬
nisse mit Elan genommen hat.
box 8/3
Telephon 12801.
S M TTRETSMn
4
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
1
Vertretungen
9 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewahr.)
Ausschnitt
1—
Osterreichische Rundschau, Wien
E vom:
Wiener Theater.
Das Deutsche Volkstheater scheint mit
der Komödie „Moral“ von Ludwig=Thoma einen
Haupttreffer gemacht zu haben.So herzlich und
so anhaltend wurde auf der Bellaria schon seit
langem nicht gelacht, wie bei der Erstaufführung
diese wohltemperierten Satire auf die Moral¬
heuchelei. Und der Lacherfolg wurde nicht etwa
durch Sitnationskomik erzielt, sondern einzig
durch den Dialog, der sich wie ein Unallerbsen¬
bombardement anhört. Dointe folgt auf Pointe
und jede ist mit der berechnenden Ruhe des ge¬
wiegten Anekdotenerzählers vorbereitet, der genau
weiß, wann er loszudrücken hat. Ludwig Choma
und Oskar Wilde geben keine Oroportion. Und
dennoch ist ihre Art, von der Bühne herab durch
die Schlagfertigkeit des Wortes zu wirken, nahe
verwandt. Beiden gebricht es an szenischer Ohan¬
tasie, an der Fähigkeit, eine Situation drama¬
tisch auzunutzen und sie müssen diesen Mangel
durch epigrammatischen Witz wettmachen. Lud¬
wig Thoma ist jedoch Oskar Wilde gegenüber
auf der deutschen Bühne im Dorteil. Während
die vornehmen englischen Gesellschaftstppen, die
dieser zum Sprachrohr seiner paradoxen Denk¬
weise macht, uns doch mehr oder weniger fremd
sind, läßt jener die uns geläufigsten Kleinstadt¬
trpen für sich sprechen, so daß von vornherein
jedes Mißverständnis ausgeschlossen ist. Das
dürfte auch das Geheimnis des überraschenden
Erfolges sein, den die Komödie „Moral“, wo
immer sie bisher aufgeführt wurde, gefunden
hat. In Wien kam noch die Pikanterie hinzu,
daß einige Momente der schier unerlaubt durf¬
tigen Handlung an einen unserer letzten Sen¬
sationsprozesse erinnerten. Überdies fand das
Werk im Deutschen Volkstheater eine wirklich
meisterliche Darstellung, die auf Thomas be¬
häbige „Simplizissimus“=Laune mit der gleichen
Lust am Karikieren einging. Dagegen war
einem Einakterabend, den dieses Theater acht
Tage vorher brachte, weniger Glück beschieden.
A. M. Willners Szenen aus der Conciergerie
berührten durch die in dem Titel „Der Hech¬
voge!“ gelegene Irreführung unangenehm. Man
hatte etwas Komisches erwartet und wurde
durch ein grausames Zufallsspiel mit tragischem
Ausgang überrumpelt. Und Max Bernsteins
ländliche Gerichtsszene „Die grüne Schnur“, die
schon vor zwei Jahren mit Herrn Kainz im
Burgtheater versagt hatte, jagte, da sie zum
Schlusse angesetzt war, gar die Zuschauer vor¬
zeitig aus dem Theater. Einzig „Anatols Hoch¬
zeitsmorgen“, der letzte von den sieben Anatol¬
Einaktern Arthur Schnitzlers, bereitete künstle¬
risches Dergnügen. Zwar war auch dieses Ver¬
gnügen mehr ein Begnügen mit einer Welt des
Scheins, die von der Tragikomödie des Lebens
nur die melancholischen Freuden und Leiden des
wohlhabenden Müßigganges abschönft
Anatols
4. 7
Den
Telephon 12801.
P Minteerierereür
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
2
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
6 Ausschnitt aus:
HIENER CANCZTAMFR
E vom: 24.0Ml 1909
THEATER.
Im Volkstheater ist man gleich mit
einem Vierling niedergekommen. Aus
Schnitzler, Willner, Bernstein, Salten
sollte sich ein abendfüllendes Gebild ge¬
stalten. Es ging ganz leidlich vorüber.
Schnitzler ist eine gute Marke, wenn
auch sein Anatol ein bischen gar zu
stark ausgenützt ist. Er ist demgemäß
am Hochzeitsmorgen ziemlich entkräftet.
Saltens „Auferstehung“ hat schon
einmal gefallen, Willners „Pechvogel“
verdient seinen Namen und Bernsteins
„grüne Schnur“ wurde vom Publikum
bereits in der Garderobe angehört. Alle
Anerkennung für das prächtige Personal
des Volkstheaters, welches die Hinder¬
nisse mit Elan genommen hat.
box 8/3
Telephon 12801.
S M TTRETSMn
4
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
1
Vertretungen
9 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewahr.)
Ausschnitt
1—
Osterreichische Rundschau, Wien
E vom:
Wiener Theater.
Das Deutsche Volkstheater scheint mit
der Komödie „Moral“ von Ludwig=Thoma einen
Haupttreffer gemacht zu haben.So herzlich und
so anhaltend wurde auf der Bellaria schon seit
langem nicht gelacht, wie bei der Erstaufführung
diese wohltemperierten Satire auf die Moral¬
heuchelei. Und der Lacherfolg wurde nicht etwa
durch Sitnationskomik erzielt, sondern einzig
durch den Dialog, der sich wie ein Unallerbsen¬
bombardement anhört. Dointe folgt auf Pointe
und jede ist mit der berechnenden Ruhe des ge¬
wiegten Anekdotenerzählers vorbereitet, der genau
weiß, wann er loszudrücken hat. Ludwig Choma
und Oskar Wilde geben keine Oroportion. Und
dennoch ist ihre Art, von der Bühne herab durch
die Schlagfertigkeit des Wortes zu wirken, nahe
verwandt. Beiden gebricht es an szenischer Ohan¬
tasie, an der Fähigkeit, eine Situation drama¬
tisch auzunutzen und sie müssen diesen Mangel
durch epigrammatischen Witz wettmachen. Lud¬
wig Thoma ist jedoch Oskar Wilde gegenüber
auf der deutschen Bühne im Dorteil. Während
die vornehmen englischen Gesellschaftstppen, die
dieser zum Sprachrohr seiner paradoxen Denk¬
weise macht, uns doch mehr oder weniger fremd
sind, läßt jener die uns geläufigsten Kleinstadt¬
trpen für sich sprechen, so daß von vornherein
jedes Mißverständnis ausgeschlossen ist. Das
dürfte auch das Geheimnis des überraschenden
Erfolges sein, den die Komödie „Moral“, wo
immer sie bisher aufgeführt wurde, gefunden
hat. In Wien kam noch die Pikanterie hinzu,
daß einige Momente der schier unerlaubt durf¬
tigen Handlung an einen unserer letzten Sen¬
sationsprozesse erinnerten. Überdies fand das
Werk im Deutschen Volkstheater eine wirklich
meisterliche Darstellung, die auf Thomas be¬
häbige „Simplizissimus“=Laune mit der gleichen
Lust am Karikieren einging. Dagegen war
einem Einakterabend, den dieses Theater acht
Tage vorher brachte, weniger Glück beschieden.
A. M. Willners Szenen aus der Conciergerie
berührten durch die in dem Titel „Der Hech¬
voge!“ gelegene Irreführung unangenehm. Man
hatte etwas Komisches erwartet und wurde
durch ein grausames Zufallsspiel mit tragischem
Ausgang überrumpelt. Und Max Bernsteins
ländliche Gerichtsszene „Die grüne Schnur“, die
schon vor zwei Jahren mit Herrn Kainz im
Burgtheater versagt hatte, jagte, da sie zum
Schlusse angesetzt war, gar die Zuschauer vor¬
zeitig aus dem Theater. Einzig „Anatols Hoch¬
zeitsmorgen“, der letzte von den sieben Anatol¬
Einaktern Arthur Schnitzlers, bereitete künstle¬
risches Dergnügen. Zwar war auch dieses Ver¬
gnügen mehr ein Begnügen mit einer Welt des
Scheins, die von der Tragikomödie des Lebens
nur die melancholischen Freuden und Leiden des
wohlhabenden Müßigganges abschönft