II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 20

4. 5. Abschiedssouper
box 8/1
en ere enee e eneen en en eeen K. dn
Telefon 12801.
AUfternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnitt
Nr. 57
„OBSERVER“
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31a.
Fremdenblatt
Ausscimitt aus:
vom 4#/ fl. 95
+ (Raimund=Theater.) Die „Juana“ ist das Werk eines geist¬
reichen Schriftstellers, der ein scharfes Auge für alle Technik des dramati¬
schen Schaffens besitzt. Die neue romanische Theaterkunst mit ihren
eng umrissenen Handlungen und ihrer knappen Charakteristik, welche
auf die reichlich ergänzende Leistung des Schauspielers berechnet ist,
hat Hermann Bahr beschäftigt, als er dies Drama entwarf. Bei
einem Entwurf ist es aber leider zum größten Theil geblieben, bei
einer sicher ausgeführten, vielversprechenden Konstruktion. In diesem
kurzen Trauerspiel einer Ehe ist Alles verständig vorgesehen, es fehlt
keine der nothwendigen Personen, auch keine Phase der typischen Entwicklung,
das wäre ganz in Ordnung, aber die Ausführung ist uns der Dichter,
wenigstens für die beiden ersten Akte, schuldig geblieben. Die Charakteristik
kann nicht eine „knappe“ genannt werden, sie macht den Eindruck der
Skizze. Die allerdings ist interessant, ebenso wie das verständnißvolle
Geschick in der Führung der Handlung anerkannt werden muß. Der
dritte Akt ist stellenweise sorgfältiger behandelt, er ermöglicht starke
schauspielerische Wirkungen. Das Wort kommt in diesem mageren
Drama nur wenig zu seinem Recht, dieses Wenige jedoch ist vortrefflich
in seiner Einfachheit und Klarheit. Um die Juana ist der illustre Gast
des Raimund=Theat ers, Fräulein Adele Sandrock, ehrlich bemüht
gewesen. Verschwenderisch gewährte sie dem spröden Stoff den Reich¬
thum ihres Könnens, und es ist ihr auch in einzelnen Szenen
gelungen, dieser Gestalt Leben, warmes Blut zu verleihen. Gleichsam als
Satyrspiel schlossen sich der „Juana“ ein paar Szenen aus dem vor¬
nehmen Gigerldasein an, welche Arthur Schnitzler=das „Abschieds¬
souper“ genannt hat. Sie sollen dem begabten Dramatiker und Erzähler
nicht ernstlich nachgetragen werden.
Porto.
#ad
Zahlbar
200
55.— im Voraus
500
100.—
" 1000
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für Zeitungsausschnitte ist das
auch steht es den
Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer begrenzt; —
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu ergänzen oder zu ändern.
I. österr. behördl. Condten m
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a.
Ausschnitt aus:
Neues Wiener Journal
von 53
Bahr's „Juana“.
Schnitzler's „Abschieds¬
sonper“
Zum erstenmale aufgeführt im Raimund=Theater am 18. No¬
vember.
Um dreiviertel 9 Uhr hatten es Alle überstanden! Juana
war todt, ihr Liebhaber war todt, und das Stück war durch¬
gefallen. Hermann Bahr kann sich das gestatten. Im Deutschen
Volkstheater steht er vor einem sicheren Erfolg, ein zweites Stück
hat er unter der Feder, und eine Napoleon=Trilogie annoncirte er
jüngst in seinem Vorwort zu „Josefine". Hoffentlich ist sie von einer
anderen Race, als diese „Juana“.
Diese moralisch, seelisch und dramatisch mißrathene Dame
ist eine Generalsgattin. Ich wette, der Leser frägt schon: Und der
[Dritte? Denn das Stück ist von Hermann Bahr, dem Manne,
der nur dreieckige Ehen auf die Bühne bringt. Der Dritte ist ein
blutjunger Lientenant, der vom General wie ein Sohn geliebt
wird. Der Lieutenant garnisonirt im Herzen der Generalin,
Anonyme Briefe öffnen dem General die
Augen.
Er geht geradeaus zum Lieutenant, bei dem Madame
H
eben versteckt ist. „Du, man schreibt mir das und das!“
„Es
ist nicht wahr!“ — „Dein Ehrenwort?“ — „Mein Ehrenwort!“
Der General geht zufrieden seines Weges. Das Pärchen könnte
bis ins höchste Alter ehebrechen, wenn der Lieutenaut nicht die
Nichte des Generals heiraten sollte. Das nimmt die Generalin
krumm. Rache ersüllt ihr Herz. Sie gesteht ihrem Manne
Alles. Dieser läßt den Lieutenant rufen und drückt ihm liebe¬
Fur
voll eine Pistolencassette in die Hand. Der Lieutenant ist nicht
so dumm, wie er aussieht. Er versteht den Wink mit der
Pistole, geht hinter die Coulissen und erschießt sich.
Sein Leichnam wird unter großer Heiterkeit auf die Bühne
gebracht und Jnana sinkt entseelt darüber hin. Ein Herzschlag
scheint sie getödtet zu haben.
AboIII
AbolIE
Dieses Stück, das schon hundertmal besser da war, von einer
hohlen, mit Verismus angeschminkten Romantik erfüllt, das nicht einen
Bahr'schen Zug aufweist, hat gestern die merkwürdigsten Schicksale
erlebt. Es wurde stürmisch applaudirt, noch stürmischer gezischt, beild
offener Scene gelärmt, gelacht, gehüstelt, kurz, es war eine „interessante“
Première. Ohne aber das Stück besser machen zu wollen, als es
ist, glauben wir, daß es einen äußeren Erfolg gehabt hätte, wenn
es im raschen Tempo abgespielt worden wäre. Es wäre leicht
gewesen, das Publicum zu überrumpeln. So aber stattete man
„Juana“ mit Pausen aus, füllte die Hälfte der Spielzeit mit
siummem Spiel und führte uns eine complete Pantomime vor,
die mitunter schallende Heiterkeit entfesselte. Das Publicum, ein¬
mal in die entsprechende Laune versetzt, lachte über jedes verfäng¬
liche Wort.
Adele Sandrock, die sich so sehr über die Wirkung getäuscht
hat, spielte die Titelrolle meisterhaft. Eine andere Schauspielerin
an ihrer Stelle hätte das Stück zur Posse umgestaltet. Wenn
das Publicum in der übermüthigsten Stimmung war, verstand
sie es mit der Zaubergewalt ihres Talentes, Stimmung ins Haus
zu bringen. Man ließ sie auch nicht die mißlungene Komödie
entgelten. Brausender Beifall wurde ihr nach den Actschlüssen
gezollt. Dann aber brachte sie den Dichter mit auf die Bühne. Und
nun prisselte ein ganzes Zisch=Gewitter hernieder. Die heille
Rolle des Lieutenants gab Herr Burg sehr geschickt. Man
hat sich aber in der Besetzung vergriffen. Ein scharfer Liebhaber
und nicht der jugendliche Bonvivant hätte diese Rolle spielen
müssen. Herr Raeder gab den nicht minder gefährlichen
gehörnten General. Daß er nicht ausgelacht wurde, stellt seinem
Können das beste Zeugniß aus. Fräulein Krauß und Herr
Popp gaben ihre Episoden discret.
„Juana“ hatte ursprünglich vier Acte. Für die gestrige
Première war der vierte Act losgeschraubt worden. Herr Bahr
hat sich die Leiden abgekürzt.
Eine fast halbstündige Pause wurde dem Publicum gegönnt.
Dann hatte sich die Erregung gelegt. Man gab Schnitzler's
„Abschiedssouper“. Diese gutgezeichnete Scene, welche schon an
Wohlthätigkeitsabenden gebührend gewürdigt wurde, fand eine
vorzügliche Aufnahme. Wieder feierte Adele Sandrock Triumphe.
Aber neben ihrthaten sich auch die Herren Burg und Jensen
wacker hervor. 1
A#
55