II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 21

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Abschiedssoube
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Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
— Filiale In Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a.
Vaterland
Ausschnitt aus:
Wo 9/1 1808.

Theater und Kunst.
(Raimund=Theater.) Zum erstenmale: „Jnana“,
Schauspiel in drei Acten von Hermann Bahr.
„Abschiedssouper“ Lustspiel in einem Act von Arthur¬
Schnitzler. Das Schauspiel „Juana“ ist eines jener
Theater=Attentate, gegen welche das Publicum eigentlich
durch einen Strafparagraph geschützt sein sollte. Drei
Personen sind dafür zur Rechenschaft zu ziehen: der
Mann, der das „Stück“ geschrieben hat, der Director,
der es aufführt, und die Schauspielerin, die in ihm
glänzen will. Mit Herrn Bahr werde ich mich morgen
beschäftigen; von Herrn Gettke hoffe ich, daß er seine
Verheißung, er gedenke seinen Contract nicht mehr zu
erneuern, wahr macht; Fräulein Sandrock beklage ich,
weil sie mit solchen Rollen ihr Talent ganz gewiß zu¬
grunde richtet. — Schnitzler's „Abschiedssouper“ ist
vor einiger Zeit in einem Vergnügungs=Etablissement
aufgeführt worden;
ich glaube bei Ronacher
dorthin gehört es auch. Der ewige „Anatol“,
eine „Dame“ vom Theater und ein persönlich unbetheiligter
Dritter führen chambre-séparée=Gespräche, die manchmal
geistreich, öfter das Gegentheil und immer frivol sind.
Zum Schlusse gibt es einen Hauptjux, indem der ser¬
virende Kellner im Gesichte mit Obersschaum beschmiert
Fer 5 wird. Fräulein Sandrock schlägt als dumme und ge¬
fräßige Choristin mit Glück pärodistische Töne an; das selusive
Porto.
1
äußere und innere Wienerthum der Figur liegt ihr ferne. Zahlber
Das Haus war ausverkauft, man drängte sich förmlich Voraus
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zu der großen „Hetz“, die in Aussicht gestellt war. Jene, jst 1#s
Armen im Geiste, „denen das Theater mehr ist als einesi es den
Abonn
Abonns Hetze, machten sich ihre eigenen Gedanken; aber diese rn.
Gedanken darf man nicht aussprechen.
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I. österr. behördl, concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
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Albelter-Zeitung
von (3/1. 9.
Raimund=Theater. Freitag den 18. November. Gast¬
spiel des Fräuleins Adele Sandrock. Zum ersten¬
male: „Juana.“ Schauspiel in drei Akten von Hermann.
Bahr Hierauf (zum erstenmale): „Abschiedssouper.“
Lustspiel in einem Akt von Artbur Schnitzler.
Der General Marquis del Montillo hat eine um vieles
jüngere Gemahlin Juana und eine Nichte Angela. In seinem
Hause verkehrt der Sohn seines verstorbenen Waffengefährten, der
Lieutenant Ruiz Navarete, und ein Abbate. Der Lieutenant hat
durch lange Zeit ein leidenschaftliches ehebrecherisches Verhältniß
mit Juana, verliebt sich aber in Angela. Juana, zur Abwechslung
einmal eine „schwarze Bestie“, verräth, um Nuiz und Angela
nicht zusammenkommen zu lassen, ihrem Manne den ganzen Sach¬
verhalt. Der Lieutenant erschießt sich, Juana sinkt an
seiner Leiche zusammen, wie es scheint, an einem Herzschlage
sterbend. Dies alles wickelt sich nicht im Rahmen einer geschlossenen
Handlung ab — es ist vielmehr eine Reihe von Ereignissen, die
sich in losem äußeren Zusammenhang vor uns abspielen. Wir
haben nicht ein Drama vor uns, sondern Notizen zu einem Drama.
Auch in diesen Notizen finden wir, wie in allem, was Hermann
Bahr schreibt vieles Talentvolle, aber es fügt sich nicht zu einem
in sich einbeitlichen Kunstwerk zusammen. Insbesondere sind die
Personen nick ansgeführt, sondern nur angedeutet. In dem Stücke
kommen viele Pausen, Pantomimen, viel Hitze, einige Gläser
Trinkwasser und ein Pistolenschuß vor — aber gar keine Menschen,
Die Taktlosigkeit einiger Gruppen im Zuschauerraum, die an
einigen Stellen des dritten Aktes ohne recht ersichtlichen Grund lusive
orto.
lachten, bewirkte es, daß am Schluß vielleicht auch solche
ahlbar
Voraus
applaudirten, die das Stück nicht akzeptiren wollten.
Man sagt, daß Bahr nur schwer zu bestimmen gewesen sei.
ist das
„Jnana“ aufführen zu lassen. Wenn das richtig ist, so ist es ein
t es den
gutes Zeugniß für Bahr's Selbsterkenntniß. Leider ist er nicht in.
stark genug geblieben und hat sich doch zur Aufführung bewegen
lassen. Der Beifall war stark. Aber „Juana“ ist ein dramatisches
Fünfmonatlind, das in der Luft der Bühne sterben muß. Es gibt
Stücke, die auch durch eine schlechte Aufführung nicht ruinirt
werden können, und solche, denen auch die beste Darstellung nicht
zum Leben verhilft. Zu diesen gehört „Juana“. Alle Kunst
Fräulein Sandrock's muß an dieser Aufgabe scheitern. Auch
die übrigen Mitwirkenden, Herr Raeder (Marquis), Fräulein
Krauß (Angela), Herr Popp (der Abbate), Herr Burg
(Lientenant Navarete) gaben ihr Bestes. Alles umsonst. Drama¬
tische Skizzen sollen eben nicht aufgeführt werden.
Schnitzler's „Abschiedssouper“ ist aus seinem Buche
„Anatol“ bekannt. Anatol will seine Geliebte Annie verabschieden¬
Er lädt seinen Freund Max zu dem Abschiedssouper. Während
die drei essen und trinken und Anatol ihr eben die Eröffnung
machen will, kommt sie ihm zuvor und gibt ihm den Laufpaß.
In den Gesprächen, zuerst zwischen Anatol und Max und dann
zwischen diesem und Annie entwickeln sich Geist, Witz und feiner
Humor. Alle drei Personen sind lebendige Menschen. Gespielt
wurde die harmlose Kleinigkeit von Fräulein Sandrock, Herrn
Burg (Anatol) und Herrn Jensen (Max) köstlich. Fräulein
Sandrock zeigte sich von einer neuen Seite. Sie war be¬
wunderungswürdig frech und gemein. Es war ein ganzer
und warmer Erfolg, den diese merkwürdigerweise Lustsphl
e. p.4
genannte Szene hatte.