II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 22

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Abschiedssouper
bos 8/1
4.5 A
Telefon 12801.
Wernehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnl't

Nr.
„OBSERVER“
Telefon 12801.
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachri
——
Unernehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
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Ausschnitt
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Jocefsring 31a. —
Nr. 56
„OBSERVER“
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Ausschnitt aus:
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
Ostdeutsche Rundschau
— Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31a.—
vom 7//. 93.
Reichswehr (Wien)
Ausschnitt aus:
Kunst und Wssenschaft.
vom 73/11.0#.
Raimundtheater. Im Zeichen Hermann Bahr's
und Arthur Schnitzler's setzte gestern Adele Sand¬
rock ihr Protest= und Abschiedsgastspiel fort. Das war
—(Rain und=Theater.) Der Litekaturapostel
keine geringe Sensation. Alles, was mit dem Theater
(Hermann Bahr, dem keine Schule zu neu und kein Jünger
Fühlung hat oder haben möchte, war gestern auf den
zu jung ist, hat heute dem Publicum eine ganz merkwürdige
Beinen nach dem Raimundtheater. Mitleidig lächelnd
Ueberraschung bereitet. Er kam spanisch und in antiquirter
mochte wohl Ferdinand Raimund auf das kleine Geschlecht
Form. Seine „Juana“ ist nach dem bewährten Recepte
herabgeblickt haben, das da in nervöser Wichtigthuerei
sich für oder gegen Herrn Bahr ereiferte. Sein Schau¬
renommirter literarischer Kochbücher gemacht. Es lautet: Man
spiel „Juano“, das gestern zum erstenmale ausgeführt
nehme einen alten vertrauenswürdigen General, gebe dazu
wurde, hat mit der Kunst wahrhaftig nichts zu thun.
eine lebensdurstige Generalin und menge sie mit einem hübschen
Offenkundiger als hier war blankeste Effekthascherei selbst
Lieutenant, würze die gährende Masse mit einem unver¬
von Sardou niemals betrieben worden, der doch
dorbenen Mädchen und zuckere sie mit einem salbungsvollen
schon von allen Literaturjüngels als Taschenspieler mit
Abbé. Rührt man den Teig drei Acte lang, so gibt das ein
Recht bemitleidet wird. Der Mann, der zwischen zwei
genießbares Ehebruchstortelett. Es ist Fabricat aus der
Weibsbildern hin= und herpendelt, das ist auch das
französischen Küche und wenn Hermann Bahr ein fils von Dumas
Theama in „Juana“. Eine „Fiakeridee“ nannte Grill¬
parzer scherzhaft dieses Theama, als von feiner
fils wäre, so ließe sich nichts einwenden, aber er, der Ewig=Krittelnde,
Sappho“ die Rede war. Herr Bahr übersetzte
sollte sorgsamer sein in der Wahl dramatischer Ingredienzien.
diese „Fiakeridee“ nach dem Vorbilde Sardou'scher Mache
Wenn das Stück dennoch lauten Beifall fand und wenn der
einfach in's Spanische und will nun glauben machen, er
Antor wiederholt erscheinen konnte, so war dies vornehmlich auf
hätte damit wirklich irgend wem Anderen auch noch ge¬
die geistvollen Bizarrerien zurückzuführen, die ab und zu im
dient, als dem Rollenbedürfnisse einer auf's „Dämonische“
Dialog aufblitzten. Die Inuna wurde von der gastirenden
versessenen Tragödin. Sappho heißt hier „Juana“ und
Sandrock gespielt. Sie war feurig, ohne zu erwärmen.
ist natürlich verheiratet, sonst gäbe es keinen Ehebruch.
Die Rolle
Ohne Ehebruch kein modernes Stück! Melitta heißt
ist zu
widerwärtig, das Sentimen¬
„Angela“ und ist die Nichte Juana's, damit der tragische
Für
talische zu unnatürlich, um Mitgefühl zu
erwecken.
100 Konflikt in der Familie bleibt, Phaon avancirt zum
Herr Burg gab den unglückseligen Lieutenant, der sich
200 spanischen Lieutenant, und weil die Sache doch ein wenig
schließlich auf Befehl des Ehepaares und vorgesetzten Generals
500
komplizirter erscheinen soll, als sie in der That ist, hat
erschießen muß. Er starb als Soldat und brav. Von der
1000 sein Vater einmal das Leben des spanischen Hahnreih
Schläfe rieselte ihm ein Blutbächlein auf die Wange. Herr
In
gerettet. Natürlich will sich die Tante durch die Nichte
Abonnen
[Raeder war ein wackerer General. Hätten die Spanier im selusive
nicht ausstechen lassen. Dazu ist sie viel zu dämonisch.
orto.
So rächt sie sich denn, indem sie ihrem Manne den
enbanischen Feldzuge nur Viele von dem Schlage gehabt!
ahlbar
Ehebruch verräth. Mit der Pistole in der Hand scheidet
Voraus
Fräulein Krauß ist eine holde Unzulänglichkeit. — Fräulein
der Lieutenant aus dem Land, wo man zu Castagnetten
Sandrock und Herrn Burg begegneten wir auch in dem
Seguedilla tanzt. Ein symbolisches Gewitter à la
ist das
darauffolgenden Einacter „Abschiedson den
Maeterlinck
begleitet die Katastrophe der faden¬
Arthur Schnitzler. Das Stuckchen, eine geschmackvolle frn.
scheinigen Ehebruchskomödie.
Das
aber auch
Laubsägearbeit, ist von einer Wohlthätigkeits=Alademie her in
Alles, womit Hermann Bahr die „Moderne“
Erinnerung. Damals, im Ballsaale, verpufften beim unge¬
markirt. Gerade das, was er stets zu verlangen
duldigen Sesselrücken einer tanzhungrigen Mädchenschaar die
pflegt, fehlt: die „persönliche Note“, und in der That,
Sittenberg hat Recht, wenn er von Bahr sagt,
intimen Wirkungen. Heute wurde jedes Detail verstanden und
„daß es sein größtes und vielleicht einziges Talent ist,
belacht. „Abschiedssouper“ ist vielleicht die liebenswürdigste
den Schein eines Talents zu erwecken“. Fräulein Sand¬
aller Anatollheiter, lustig und trotz mancher waghalsigen
rock war als Juana in ihrem Elemente: Ganz
Wendung nicht verletzend. Gespielt wurde mit dem erforderlichen
Dämon. Man merkte ihr an, wie wohl es ihr that, sich
eChampagner=Uebermuth.
t2.
wieder einmal ordentlich austragiren zu können. Weniger
zu Hause war sie beim „Abschiedssouper“
von Schnitzler.
Das süße Wiener Mädel
ie
hätte sie doch lieber der
überlassen
sollen. Mau muß nicht Alles spielen wollen, nur weil
man Sandrock heißt. Die Niese hatte in diesem
Planderstücklein durch ihren breiten Wiener Humor in
Berlin Aufsehen erregt. Bei der Sandrock aber be¬
klaschte man gestern nur das Ungewohnte, wie seinerzeit
bei Ronacher, als Lewinsky und Sonnenthal
zu wohlthätigen Zwecken sich in Guschelbauer'schen
„Drahrer“=Scherzen ergingen.
Th. A.