II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 23

4. 5. Abschiedssouper
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Teielon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
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0 5 „OBSERVER“
Nr. 64
I. österr. behördl. concess.-Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a.—
Ausschnitt aus:
beuisches Volksbtati, Wies
W8-7 40
Raimund=Theater. Hermann Bahr's dreiactiges
Schauspiel „Juana“, das bisher in Berlin und einigen
österreichischen Provinzbühnen mit getheiltem Erfolge in Scene
ging, fand bei seiner gestrigen Erstaufführung am Raimund¬
Theater trotz der fast durchwegs vorzüglichen Darstellung eine ent¬
schiedene Aviehnung seitens des Publikums. Die Erwartungen
des literarischen Publikums unserer Residenz, daß Hermann
Bahr, der Führer der „Modernen“, diesmal
mit etwas Besonderem kommen, daß er zeigen werde, wie man
die Bühnenschriftstellerei aus ihren ausgefahrenen Geleisen
heben und ihr neue Gebiete erschließen könne, wurden arg
getäuscht. Weder das Stück selbst, das mit den abgespieltesten
Theaterfiguren zu beleben versucht wurde, noch die
scenischen Mittel, deren Bahr sich bediente, boten
uns hierfür einen Anhaltspunkt. Gerade mit den bewährtesten
Effectmitteln altväterlicher Stimmungsmacherei „arbeitete“
gestern Hermann Bahr. Vom seriösen Clavierspiel, vom
Donner und Blitz bis zum Abendglockengeläute und wie sie
alle diese Behelfe aus der dramatischen Rüstkammer heißen,
fehlte nichts — gar nichts, er „arbeitete“ also gerade diesmal
mit allen jenen Sentimentalitätsduseleien, gegen die er bisher
in Wort und Schrift stets Stellung genommen hatte. Man
wäre fast versucht, die gestrige Aufführung als eine Persiflage
der abgedroschensten Ehebruchkomödien zu halten, wenn uns
nicht die begeisterten Beifallsausbrüche seiner literarischen
Gemeinde, die sich gestern zu einer Claque für ihren Meister
organisirte, uns selbst dieser Auffassung beraubt hätten.
„Jnana“, die Gattin des General Montillo, unterhält mit dem
rar Lieutenant Navarete ein sträfliches Verhältnis. Der junge
Officier ist der Frau bald überdrüssig, er sucht ihren Nach¬
inclustve
stellungen sich zu entziehen, da er sein Herz der jugendfrischen
Porto.
Zahlbar
Nichte des Generals längst geschenkt. Der General, mißtranisch
im Voraus
lgemacht durch eine Anzahl Briefe, die ihm von anonymer
Seite zukommen, stellt den Liebhaber seiner Frau zur Rede
itte ist das
Abolund verlangt von ihm das Ehrenwort als Officier, das a
steht es den
Abolden Gerüchten nichts Wahres sei. Um die von ihm entehr
ndern.
Frau zu retten, versichert er den General auf Ehren
wort, daß die Gerüchte lügen, und der General glaubt ihm.
Allein das ehebrecherische Weib, das zur Kenntnis gelangte,
daß ihr Liebhaver der Bräutigam ihrer Nichte werden soll, ver¬
räth nun ihrem Gemahl durch Selbstbekenntnis ihrer Schande,
daß Lieutenant Navarete ihm fälschlich das Ehrenwort gegeben,
daß er sie entehrt hat. Der junge Lieutenant erschießt sich und
Juana sinkt, vom Herzschlage getroffen, nieder. Dies in Kürze
die Handlung des Stückes, das insbesondere im letzten Acte
einen unbestrittenen Heiterkeitserfolg errang. Als der Vorhang
fiel und der Abate im Angesichte der beiden Leichen zum
Publikum gewendet sagte: „Richtet nicht, daß auch Ihr
nicht gerichtet werdet!“ erbrauste ein Heiterkeitssturm, an dem
sich auch die im Hause anwesenden bühnenschriftstellernden
Theaterreferenten in discreter Weise betheiligten. Die Dar¬
stellung war vorzüglich. Obenanßstand Fräulein Sandrock,
welche ihre ganze darstellerische Kunst an der Verkörperung
des dämonischen Weibes verschwendete. Ihr Verdienst, wie
nicht minder das des Herrn Raeder, der den biederen
General sehr charakteristisch gab, war es, daß der unfreiwillige
Heiterkeitserfolg, den das Stück im dritten Acte fand, nicht schon in
den beiden vorhergehenden Aufzügen zum Ausbruche gelangte.
Herr Burg versagte gestern vollständig. Statt des vom
Antor gezeichneten charakterschwachen Officiers stellte er einen
unreifen Burschen, mit sentimentaler Cadettenliebe im Herzen,
dar. Umso prächtiger war er dafür in dem einactigen Lustspiel
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„Abschiedssouper“ von Artbur Schnitzler, das
den Beschluß des Abends bildete. Da befand sich der junge,
äußerst talentirte Künstler in seinem Elemente. Das an
Pikanterien reiche, äußerst geschickt gemachte Lustspiel fand
einen vollen Heiterkeitserfolg. Fräulein Sandrock und die
Herren Burg und Jensen machten sich um den Erfolg
desselben verdient.
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N 11/77 Gr.
Theaterzeitung.
— Raimund=Theater. Das dreiactige Ehebruchs¬
drama „Juana“, das gestern seine erste Aufführung
erlebte, spielt in Madrid. Ueber den Stoffehat der Ver¬
fasser fern von Madrid keine zehn Jahre nachgedacht,
Es ist ein vertenfelt kurzes Trauerspiel, das so aus¬
sieht, als ob Hermann Bahr alle drei Acts seinem
Stenographen in einer Stunde dictirt hätte! Der beliebte
Ueberwinder ist da kaum zu erkennen. Welch' ein Rückfall
in die älteste Richtung.! Und wie grimmig ernst nimmt
Hermann Bahr die Sache! Der Schalk schweigt sich
gründlich aus, damit der Dramenschreiber oberflächlich reden
könne, Wozu steckte der geistvolle Mann eine so blutigernste
Miene auf? Man wird sagen,erwolkte uns einmal
spanisch kommen. Gut, aber mußte er seinem Talent
gerüde das unangenehmste spanische Kleidungsstück
anlegen? Er hätte jetzt nach dem großen Berliner
Erfolge seiner, Komödie „Der Star“ die ältere „Juana“.
gar nicht zufführen lassen sollen. Die Heldin dieser dreie
actigen Ballahe ist eine Generalsfrau, die ihren Gatten
mit einem jungen Lieutenant Tag und Nacht betrügt.
Der hausfreundliche Offi
iebenbei bemerkt, der
Sohn eines Soldaten,
dem General auf dem
Schlachtfelde das Lebeit
*Die Dankbarkeit —
der Generalin kennt kein
renzen. Sie erdrückt
den Lientenant mit ihrer Liebe, auch dann noch,
als sie bereits merkt, daß er ihrer überdrüsfig ge¬
worden. Von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet,
Fur 50 in voller Trauerwichs erscheint=Inana in der Wohnung)
inclusive
100 des Geliebten, um ihn neuerdings zu gewinnen.
Porto.
200 Sie fleht und droht, ja sie gibt ihm sogar
Zahlbar
500 eine Ohrfeige, die aber die Darstellerin in der
im Voraus
" 1000 gestrigen Premièren=Aufregung nicht verabfolgte.
Im Reclamationen sind portofrei. Während die Generalin hnitte ist das
Abonnemnoch bei ihrem Lientenant weilt, erscheint der Geueral h steht es den
Abonnenzu Besuche. Sie versteckt sich rasch in einem Neben= ändern.
zimmer. Der General fragt den Lieutenant: „Was ist
zwischen Dir und meiner Frau?“ — „Nichts!“ lautet
die Antwort. — „Kanust Du darauf Dein Ehrenwort als
Officier geben?“ — „Ich gebe mein Ehrenwort als
Officier!“ Der betrogene Gatte athmet erleichtert auf und
der Ehebrecher zeigt ihm seine Waffensammlung, darunter
einen denkwürdigen Säbel. Das ist der Säbel, den einst
sein Vater trug, der Säbel, dem der General sein Leben
verdankt. Als sich der ahnungslose Ehemann ent¬
fernt, stürzt die Freu auf die Scene und ruft
angesichts des weinenden Lientenants triumphirend
aus: „Nun bist Du unlöslich an mich gebunden.“
Das heißt in Bezug auf den Ehebruch: Fortsetzung folgt.
Schöner Gedanke, aber es kommt anders. Der Lieutenant
verliebt sich in eine Nichte des Generals, die er von
seinem dunkelsten Fleck weg heiraten will. Die Generalin
tobt, rast und heult, ja sie beginnt auf der Bühne mit
dem Lientenant zu ringen, wie Fräulein Kalmar mit Herrn
Retty. Und da der Lieutenant sich nicht umstimmen läßt,
geht sie hin und deckt in einer Unterredung mit dem
General racheschnaubend den Ehebruch auf. Und der
General ist fürchterlich. Er drückt dem Sohne seines
Lebensretters die Pistole in die Hand, auf daß
er sich erschieße. Der Lieutenant geht in den Garten
und die Generalin horcht in athemloser Spannung
auf den Pistolenknall. Und pünktlich knallt es. Man
trägt den Selbstmörder auf die Bühne und an seiner
Leiche wird Juana gelührend nahnsinnig. Um das
Publicum über die Leere des Stückes hinwegzutäuschen,
hätte man es in raschem Tempo, svielen müssen.