II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 43

4.5. Abschiedssouper
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ASEHLSMHSEAFE
hatte das wohlthuende Empfinden, einem wirklichen Bühnentalent
herabgestiegen wäre von der Höhe classischer Dichtung in jene
gegenüberzustehen, das weiß, was es will, und auch auszuführen
Niederungen der menschlichen Gesellschaft, in denen die Unbildung
vermag, was es will. Das „Abschiedssouper“ ist ein dramatisches
j. r. I—n.
die entsetzlichsten Verbrechen gebiert.
Ganzes en miniature im Vergleich mit den Bruchstücken der
Max.
Bahr'schen „Juana“.
Raimundtheater. WLece
) („Juana“, Schauspiel in drei Akten von Hermann Bahr. — „Abschieds¬
Dienstag gab man, um Frl. Adele Sandrock Gelegen¬
souper“, Lustspiel in einem Akt von Arthur Schnitzler.)
heit zu geben, als Claire von Beaulieu aufzutreten, Ohnet's
rührselige Blaustrumpfkomödie „Der Hüttenbesitzer“
Jemand, der — wenn auch nur hie und da — über Theater¬
Frl. Sandrock wußte hinzureißen: sie hob in Geberde und
dinge mitreden will, sollte es eigentlich strenge geheimhalten, daß
Tonfall die Claire in's Hochdramatische, während man sie, vom
er ein Bischen — schwerhörig ist. Aber das Vergnügen, welches
Burgtheater her, sentimental angehaucht gewohnt ist. Leiden¬
Herr Bahr vorigen Freitag Abend dem Schreiber dieser Zeilen
schaftliche Liebe, momentan aufwallende Rachsucht, unbändiger
just um dieses Umstandes willen bereitet hat, war ein zu großes
Stolz und wahnsinnige Eifersucht schienen nach einander die Claire
und aufrichtiges, als daß ich nicht die Eitelkeit dem Gefühl der
des Frl. Sandrock zu durchtoben, bis sie an der Brust des
Dankbarkeit zum Opfer bringen und eingestehen sollte, daß ich
hyperedlen Derblay Ruhe und Frieden fand. Die Künstlerin
noch selten bei einer Première so ausgezeichnet Alles verstanden
wußte all' diese psychischen Zustände edel und einfach zu kenn¬
habe, wie am vorigen Freitag bei der „Juana“=Première —
zeichnen, so daß man ihren Verlust für's Burgtheater höher
trotzdem ich, wie gesagt, ein Bischen schwerhörig bin und
schätzen mußte, als es in den letzten Wochen geschah. Schade,
trotzdem die Referentensitze des „Wiener Salonblatt“ sich in
daß das Fräulein nur von den Herren Godai (Octave) und
ziemlicher Entfernung von der Bühne befinden. Mit wahrhaft
Burg (Prefont), sowie von Frau Monati (Athenais) wirkungs¬
entzückender Deutlichkeit habe ich da — ohne mich im Mindesten
voll unterstützt wurde. Die anderen Darsteller waren entweder
anzustrengen — Alles verstanden. Die ganze Ehebruchsgeschichte
unzulänglich oder sogar läppisch. Der Derblay des Herrn Wirth,
dieser Bahr'schen „Juana“ wird nämlich mit so hand= und mund¬
dessen blonder Rauschebart beständig hin= und herbaumelte, war
greiflicher Pantomimik vorgeführt, daß man buchstäblich kein Wort
direct eine lächerliche Erscheinung. Man glaubte diesem Manne,
zu hören braucht, um über die Sache vollständig im Klaren zu
der sich wie ein ärmlicher Subalternbeamter gab, seine Großmuth
sein. In drei kurzen Akten werden da „lebende Ehebruchsbilder“
nicht und noch weniger den Starrsinn der späteren Epoche des
gestellt, denen gegenüber man nicht nur etwas schwerhörig, sondern
Stückes. Herr Jensen verschleuderte die köstlichen Momente,
auch stockblind sein müßte, um dem „Gang der Handlung“ nicht
die im Duc de Bligny liegen: er war so wenig herzoglich, daß
bis auf's I=Tüpfelchen, bis auf den letzten ehebrecherischen Kuß
sich Vater Moulinet, obwohl von Herrn Krug recht hausbacken
folgen zu können. Wahrhaftig, Hermann Bahr schreibt Theater¬
aufgefaßt, doch noch gentlemanliker benahm, als sein herzoglicher
stücke für Schwerhörige: Ich bin ihm herzlich dankbar dafür.
Eidam. So gingen durch das provinzial angehauchte Ensemble
Leider aber ist der Dankbarkeits=Standpunkt des Schreibers
die wirksamsten Pointen der Komödie verloren. Geweint wurde
dieser Zeilen nicht vollkommen maßgebend für die kritische Be¬
trotzdem beinahe unaufhörlich — von den Damen natürlich.
urtheilung des Bahr'schen Stückes: Es gibt eben Leute, die an
J. R. L—n.
eine dramatische Schöpfung höhere Forderungen stellen, als an eine
Pantomime, und diese entschiedene Mehrheit des Publikums schien
* Heute, Samstag Abends ½8 Uhr findet, im Bösendorfer¬
mit dem dramatischen Torso, den Hermann Bahr mit seiner
Saale das Concert des Violoncellvirtüosen Wilhelm Jeral unter
„Juana“ auf die Bühne des Raimundzheaters gebracht, nicht
Mitwirkung der Sängerin Frl. Henxike von Krafft und des Pianisten
sehr einverstanden zu sein. Als Opern= oder Ballet=Libretto
W
Herrn Karl Prohaska statt. —
könnten diese drei Akte vielleicht genügen — für ein „ausgewachsenes“
* Das Quartett Hellmesberger hat für seinen dritten
Schauspiel reichen diese zufällig in drei Akte eingetheilten „Anläufe“
Kammermusik=Abend, welcher Donnerstag den 1. December, Abends
entschieden nicht aus. Bahr wirft mit einigen kecken Pinselstrichen
½8 Uhr, im Börsendorfer=Saale stattfindet, folgendes Programm gewählt:
ein in seinen Umrissen vollständig deutliches Ehebruchsgemälde
Haydn, Quartett C-dur („Kaiser=Quartett"); Schubert, Trio B-dur
hin; aber es bleibt bei den paar Pinselstrichen, es bleibt bei den
(Clavier: Herr Alfred Grünfeld); Mozart, Quintett, G-moll.
deutlichen Umrissen; den psychologischen, den dramatischen Gehalt
Karten in Gutmann's Hofmusikalienhandlung.
zu liefern, überläßt der Autor den Schauspielern und — dem Publi¬
* Kammervirtnose Sauer wurde vielseitig bestürmt, vor seiner
kum. Das ist freilich sehr genial=bequem, aber es reicht doch
Abreise nach Amerika noch ein Concert zu geben. Der Umstand, daß
wohl nicht aus, um auf den Namen eines seriösen Bühnen¬
Hunderte von Musikfreunden zu seinem im Bösendorfersaale stattgehabten
dichters Anspruch zu erheben.
Concerte keinen Einlaß finden konnten, hat den Künstler bestimmt, ein
Das seltsame Stück wurde von Adele Sandrock in
Abschiedsconcert im großen Musikveeeinssaale zu veranstalten, welches
ihrem Gastspiel=Cyclus in's Raimundtheater hineinlancirt. Sie
Samstag den 3. December, Abends ½8 Uhr, stattfindet, wobei zum Vor¬
interessirte sich für diese spanische Ehebrecherin; aber sie hat sich
trage gelangen: 1. Bach=Taussig, Toccata und Fuge D-moll; 2. Franz
bezüglich der Wirkung dieser „Juana“ gewaltig geirrt. Alle ihre
Schubert, „Wanderer“, Phantasie; 3. R. Schumann, Nachtstück op. 23;
schauspielerische Kunst reichte nicht hin, um für diese roh aus¬
Toccata op. 7; 4. Chopin, Phantasie Impromptu; Berceuse; Etudes;
geführte Gestalt das Interesse der Zuschauer zu gewinnen. Mit
5. A. Rubinstein; Barcarole; Mendelssohn=Liszt; Auf den Flügeln
ruhiger Würde, die ihn vor Lächerlichkeit bewahrte, spielte Herr
des Gesanges; Schubert=Liszt; Erlkönig; 6. Richard Wagner, Tann¬
Räder den unglücklichen Ehemann, der drei Akte lang mit
häuser=Ouverture, für den Concertvortrag bearbeitet von Franz Liszt.
einem fatalen Kopfschmuck auf der Bühne herumspazieren muß.
Karten in Gutmann's Hofmusikalienhandlung.
Herr Burg — ein junger Schauspieler, über dessen Begabung
* Kammervirtuose Franz Ondricek veranstaltet Samstag,
vergriff diesmal vollständig seine Rolle
kein Zweifel besteht
den 10. December, ein zweites (letztes, Concert im Bösendorfersaale.
und stellte statt eines verführerischen Lieutenants einen durchaus
Karten in Gutmann's Hofmusikalienhandlung.
nicht verführerischen Schuljungen auf die Beine. Frl. Krauß
Kammersänger Eugen Gura veranstaltet Donnerstag,
war in einer belanglosen Rolle sympathisch, wie es diese an¬
den 15. December, einen Lieder= und Balladen=Abend im Bösendorfer¬
muthige Blondine immer ist.
saale. Karten in Gutmann's Hofmusikalienhandlung.
Im schärfsten Gegensatz zu dem künstlichen Erfolg, der
* Jean Lasalle, der berühmte Bariton der Pariser großen
dem Autor von „Juana“ durch seine zahlreichen Freunde be¬
Oper, wird, einer Einladung des Hofmusikverlegers Albert Gutmann
reitet wurde, stand die helle, durchschlagende Wirkung der
folgend, im Monat Jänner ein Concert im großen Musikvereinssaale
— die Be¬
Schnitzler'schen Plauder=Scene „Abschiedssouper“
veranstalten.
zeichnung „Lustspiel“ paßt da absolut nicht. Man folgte mit
* Sgn. Feruccio Busoni, welcher vor einigen Tagen in
Vergnügen den kecken Einfällen und Worten, die das Plauder¬
Berlin einen vier Abende umfassenden Concerteyklus beendete, in welchem
trio — Frl. Sandrock und die Herren Burg und Jensen
— bei diesem „Abschiedssouper“ aufsprühen lassen, und man er die Riesenaufgabe bewältigte, die Haupterscheinungen auf dem Gebiete