Abschiedssouf
4. 5. Aeschieusscuper box 8/1
literarische Picanterie, die sich mit der Zusammenstellung wollenden Vorgesetzten geplagt. Er will der Heuchelei
Jeuilrcton.
der einst befreundeten Autoren verband.
ein Ende machen, und zwar nicht etwa in der Weise,
Bahr ist ein geisireicher Mensch, ein Stilist zumal, daß er sich irgendwohin fern von Inana's Wohnsitz
—
der zu fesseln versteht, auch dann, wenn man den Kopf versetzen ließe, sondern indem er die Nichte seines Ge¬
über seine gern extremen, auf Verblüffung und Sensation nerals, das schöne unschuldige Mädchen Angela hei¬
Vom literarischen Jung=Wien.
zugespitzten Behauptungen schütteln muß. Aber er hatjrathet. Der General macht Ruis sein Gewissen noch
weder die Begabung, Charaktere glaubhaft und con=schwerer durch das Vertrauen, das er in seine Loyalität
(Bahr's „Juana“, Schnitzler's „Abschiedssouper“.)
sequent durchzuführen, noch die eine richtige dramatische als Mann und Officier setzt. Ruis steht wie ein Schul¬
Ueber den äußeren Erfolg des letzten Premierenabends
Handlung zu bauen. Bahr ist eben auch nur einer von junge „begossen“, da in seinem Lügengewebe. Er rafft
—im Raimundtheater, an dem Stücke von Hermann Bahr
den vielen dichtenden Kritikern; auch er kann sich der sich aber doch auf und verlobt sich mit Angela. Un¬
und Arthur Schnitzler zur Aufführung gelangten, habe
Reminiscenzen nicht erwehren; auch er empfindet dort
mittelbar nachdem wir seinen brünstigen Liebessceuen
ich Ihnen schon kurz telephonisch berichtet. Es sind aber noch
nach, wo er sein Eigenstes gegeben zu haben glaubt,
mit Jnana zugesehen haben, wendet sich Ruis mit
einige Bemerkungen daran zu knüpfen, denn der Abend hatte und spricht seine Absichten in unkünstlerischer Weise nicht
idealer Liebe zu Angela. Darüber wird nun Juana so
seine eigene literarische Picanterie für alle Diejenigen, durch die Handlungen, sondern durch Reflexionen über
rasend, daß sie selbst das bisher vor ihrem Gatten be¬
die in die junge Wiener Literatur Einblick haben. Be=dieselben aus. Dabei stockt seine Erfindungsgabe in
wahrte Geheimniß ihres ehebrecherischen Verkehrs mit
kanntlich war es Hermann Bahr, der in seiner Eigen=geradezu peinlicher Weise in vielen wichtigen Momenten
Ruis enthüllt. Mit unmenschlicher Lust sieht sie selbst
schaft als kritischer Wortführer der „Moderne“ sich wahre des Stückes; nur der festen Disciplin, welche die vielen
zu, wie ihr Gatte dem jungen Mann die Pistole über¬
Verdienste um die Durchsetzung Arthur Schnitzler's in
in der Première anwesenden Freunde Bahr's zu halten
gibt, damit er sich selbst richte. Mit katzenhafter Grau¬
seinen Anfängen erworben hat. Schnitzler hat inzwischen,
verstanden, war es zu danken, daß bei den allzu zahl¬
samkeit horcht sie auf den tödtlichen Schuß des früher
insbesondere mit seiner „Liebelei“, festen Fuß auf den
reichen Scenen stummen Spiels, das der „Juana“ vom
so leidenschaftlich geliebten jungen Mannes. Und als der
deutschen Bühnen — nicht bloß in Wien — gefaßt und
Autor auferlegt ward, nicht gelacht wurde. Geräuspert
Schuß gefallen ist, da endlich erklärt sie sich und ihr
neuestens mit seinem „Vermächtniß“ (wenn wir den Be¬
hat sich das Publicum reichlich ... Nun aber auch
Thun: Ruis hat den Tod verdient, nicht etwa, weil er
richten Vertrauen schenken dürfen) einen schönen Erfolg einige Worte vom Inhalt des Stückes. Seine Handlung edles Vertrauen gemißbraucht und betrogen, sondern weil
in Berlin errungen. Die Begeisterung Bahr's für
führt uns ins ferne heiße Spanien, dessen Menschen auch er die Leidenschaft der brünstigen Juana verrathen hatte,
Schnitzler scheint sich aber abgekühlt zu haben, wie man
heißer und leidenschaftlicher als in unserem kühlen Deutsch= als er sich mit Angela verlobte. Und dies scheint auch
das aus dem neuesten Interview Bahr's entnehmen
land sein sollen. Juana, die Frau des Generals Mon= die tragische Idee zu sein, die Bahr darstellen wollte.
muß, welches das „Berliner Tageblatt“ am letzten tillo, liebt den jungen Lieutenant Ruis Navarete und Er stellt das Recht der Leidenschaft höher, als die Pflicht
Montag gebracht hatte. Heute nun geschah es, daß
beträgt mit ihm ihren geraden, ehrlichen, offenherzigen des Ehrenmannes. Nach meiner Ueberzeugung ein ver¬
Bahr und Schnitzler am selben Abend concurrirten, und
Gatten. Juana wird uns als „Zigennerin“, als lau= kehrter sittlicher Gedanke, und der Eindruck, den Juana's
siehe da: der Apostel wurde von seinem Propheten ganz
nisches, nervöses, fast hysterisches Weib in der Expo¬
Sophisterei machte, war auch demgemäß: widerwärtig.
gehörig in den Schatten gestellt. In dem Einacter
sition des Stückes vorgestellt. Sie entpuppt sich dann
Alle großen Dichter haben umgekehrt die Ueberzeugung
„Abschiedssouper“ steckt mehr gestaltende Kraft, mehr
als tigerhafte Katze. Der junge Ruis, ein schwacher
vertreten, daß Recht und Sittlichkeit eben dort aufhören,
dichterisches Vermögen, als in allen drei Acten der Mensch, ohne männlich gereifte Willenskraft, wird von wo die Leidenschaft beginnt; aus einer überdies ver¬
„Juana“ Bahr's zusammengenommen. Das war die Gewissensbissen ob seines Betruges an dem wohl= brecherischen Leidenschaft kann vollends kein Recht ab¬
N
4. 5. Aeschieusscuper box 8/1
literarische Picanterie, die sich mit der Zusammenstellung wollenden Vorgesetzten geplagt. Er will der Heuchelei
Jeuilrcton.
der einst befreundeten Autoren verband.
ein Ende machen, und zwar nicht etwa in der Weise,
Bahr ist ein geisireicher Mensch, ein Stilist zumal, daß er sich irgendwohin fern von Inana's Wohnsitz
—
der zu fesseln versteht, auch dann, wenn man den Kopf versetzen ließe, sondern indem er die Nichte seines Ge¬
über seine gern extremen, auf Verblüffung und Sensation nerals, das schöne unschuldige Mädchen Angela hei¬
Vom literarischen Jung=Wien.
zugespitzten Behauptungen schütteln muß. Aber er hatjrathet. Der General macht Ruis sein Gewissen noch
weder die Begabung, Charaktere glaubhaft und con=schwerer durch das Vertrauen, das er in seine Loyalität
(Bahr's „Juana“, Schnitzler's „Abschiedssouper“.)
sequent durchzuführen, noch die eine richtige dramatische als Mann und Officier setzt. Ruis steht wie ein Schul¬
Ueber den äußeren Erfolg des letzten Premierenabends
Handlung zu bauen. Bahr ist eben auch nur einer von junge „begossen“, da in seinem Lügengewebe. Er rafft
—im Raimundtheater, an dem Stücke von Hermann Bahr
den vielen dichtenden Kritikern; auch er kann sich der sich aber doch auf und verlobt sich mit Angela. Un¬
und Arthur Schnitzler zur Aufführung gelangten, habe
Reminiscenzen nicht erwehren; auch er empfindet dort
mittelbar nachdem wir seinen brünstigen Liebessceuen
ich Ihnen schon kurz telephonisch berichtet. Es sind aber noch
nach, wo er sein Eigenstes gegeben zu haben glaubt,
mit Jnana zugesehen haben, wendet sich Ruis mit
einige Bemerkungen daran zu knüpfen, denn der Abend hatte und spricht seine Absichten in unkünstlerischer Weise nicht
idealer Liebe zu Angela. Darüber wird nun Juana so
seine eigene literarische Picanterie für alle Diejenigen, durch die Handlungen, sondern durch Reflexionen über
rasend, daß sie selbst das bisher vor ihrem Gatten be¬
die in die junge Wiener Literatur Einblick haben. Be=dieselben aus. Dabei stockt seine Erfindungsgabe in
wahrte Geheimniß ihres ehebrecherischen Verkehrs mit
kanntlich war es Hermann Bahr, der in seiner Eigen=geradezu peinlicher Weise in vielen wichtigen Momenten
Ruis enthüllt. Mit unmenschlicher Lust sieht sie selbst
schaft als kritischer Wortführer der „Moderne“ sich wahre des Stückes; nur der festen Disciplin, welche die vielen
zu, wie ihr Gatte dem jungen Mann die Pistole über¬
Verdienste um die Durchsetzung Arthur Schnitzler's in
in der Première anwesenden Freunde Bahr's zu halten
gibt, damit er sich selbst richte. Mit katzenhafter Grau¬
seinen Anfängen erworben hat. Schnitzler hat inzwischen,
verstanden, war es zu danken, daß bei den allzu zahl¬
samkeit horcht sie auf den tödtlichen Schuß des früher
insbesondere mit seiner „Liebelei“, festen Fuß auf den
reichen Scenen stummen Spiels, das der „Juana“ vom
so leidenschaftlich geliebten jungen Mannes. Und als der
deutschen Bühnen — nicht bloß in Wien — gefaßt und
Autor auferlegt ward, nicht gelacht wurde. Geräuspert
Schuß gefallen ist, da endlich erklärt sie sich und ihr
neuestens mit seinem „Vermächtniß“ (wenn wir den Be¬
hat sich das Publicum reichlich ... Nun aber auch
Thun: Ruis hat den Tod verdient, nicht etwa, weil er
richten Vertrauen schenken dürfen) einen schönen Erfolg einige Worte vom Inhalt des Stückes. Seine Handlung edles Vertrauen gemißbraucht und betrogen, sondern weil
in Berlin errungen. Die Begeisterung Bahr's für
führt uns ins ferne heiße Spanien, dessen Menschen auch er die Leidenschaft der brünstigen Juana verrathen hatte,
Schnitzler scheint sich aber abgekühlt zu haben, wie man
heißer und leidenschaftlicher als in unserem kühlen Deutsch= als er sich mit Angela verlobte. Und dies scheint auch
das aus dem neuesten Interview Bahr's entnehmen
land sein sollen. Juana, die Frau des Generals Mon= die tragische Idee zu sein, die Bahr darstellen wollte.
muß, welches das „Berliner Tageblatt“ am letzten tillo, liebt den jungen Lieutenant Ruis Navarete und Er stellt das Recht der Leidenschaft höher, als die Pflicht
Montag gebracht hatte. Heute nun geschah es, daß
beträgt mit ihm ihren geraden, ehrlichen, offenherzigen des Ehrenmannes. Nach meiner Ueberzeugung ein ver¬
Bahr und Schnitzler am selben Abend concurrirten, und
Gatten. Juana wird uns als „Zigennerin“, als lau= kehrter sittlicher Gedanke, und der Eindruck, den Juana's
siehe da: der Apostel wurde von seinem Propheten ganz
nisches, nervöses, fast hysterisches Weib in der Expo¬
Sophisterei machte, war auch demgemäß: widerwärtig.
gehörig in den Schatten gestellt. In dem Einacter
sition des Stückes vorgestellt. Sie entpuppt sich dann
Alle großen Dichter haben umgekehrt die Ueberzeugung
„Abschiedssouper“ steckt mehr gestaltende Kraft, mehr
als tigerhafte Katze. Der junge Ruis, ein schwacher
vertreten, daß Recht und Sittlichkeit eben dort aufhören,
dichterisches Vermögen, als in allen drei Acten der Mensch, ohne männlich gereifte Willenskraft, wird von wo die Leidenschaft beginnt; aus einer überdies ver¬
„Juana“ Bahr's zusammengenommen. Das war die Gewissensbissen ob seines Betruges an dem wohl= brecherischen Leidenschaft kann vollends kein Recht ab¬
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