Abschiedssoupe
r box 8/1
1. 5
ats¬
ge¬
Theater und Kunst.“
Im
pisse
Ab und zu ist in den gewissen literarischen Ecken die
ufe:
Idee angeregt worden, ob sich nicht mit einer Schaar geistig h
eht,
enn
agiler Schauspieler der Versuch einer Stegreifkomödie unternehmen
lassen könnte. Man dachte daran, etwa durch einen bühnen¬
gewandten Autor ein nur auf die rohesten Effecte hin gearbeitetes
Scenarium ausarbeiten zu lassen, das zwischendurch einige breitere
Stellen enthalten könnte. Alles Uebrige sollte der schöpferischen
Ausgestaltung der Darsteller überlassen werden. Hermann Bahr's
„Juana“, der am Raimund=Theater ein so wechselvolles
Schicksal bereitet wurde, macht ganz den Eindruck einer solchen
ide
Stegreiskomödie. Nur haben die Darsteller aus Eigenem zu viel
Pantomimisches beigesteuert und und so eine Handlung, welche ein
geradezu brisantes Tempo erfordern würde bedenklich, des öfteren
bis zur unfreiwilligen Heiterkeit zerdehnt. Mit dieser Einschränkung
eI läßt sich der Aufführung viel Gutes nachsagen. Die Bestien der 1 de
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelo“, Vill. Josefsring 31 a.
sschnitt aus: Prager Taghlatt
7- JUN. 1898
Gn 102
I1
Theater.
1— Deutsches Volkstheater. („Abschieds¬
sonper.“ Lustspiel in 1 Act von Arthur Schnitzler.
„Ein verdächtiger Schwiegersohn.“ Posse
in 3 Acten von Alexander Bisson.) Die Einleitung
des letzten Novitätenabends bildete eine von den be¬
kannten kurzen Plauderscenen, die Schnitzler unter
dem Collectivtitel „Anatol“ gesammelt hat. Sie sind
seinem Drama „Liebelei“ vorausgegangen, zu dem sie
vielleicht die Vorstuvien bilden. Sie muthen zumindest,
dagegen gehalten, ähnlich an, wie flüchtig hingeworfene
malerische Skizzeu zu einem Kunstwerk. „Abschieds¬
sonper“ ist ein launig erfaßtes Momenldndchen aus¬
dem Leben jeuer Kreise, in denen man sich ausschließlich
amusirt. Ein junger Lebemann will der derzeitigen
brünetten Gebieterin seiner Herzkammern und seiner
Geldbörse den Abschied geben, um eine blonde Partei
in die vacanten Apartements aufzunehmen. Aber die
principienfeste Ballerine, die bei der Schürzung dieses
Liebesknotens versprochen hat, es dem theueren Manne
vorherzusagen, wenn der Compaß ihres Herzens einen
anderen Cours anzeigen sollte, kommt ihm zuvor. Zum
letzten Mal labt sich ihr verwöhnter Gaumen an Anatol's
Sect und Austern, dann stopft sie noch rasch beide Hände
voll Cigaretten für den „kommenden Mann“ — und 7.50)
iaclusive
verschwindet. Das Ganze ist eine Milieustudie voll sar-4.—
Porto.
Zahlbar
kastischer Laune, ein geistreiches petit rien. Fräul. 5.
— im Voraus
[Gabri, die im Rahmen des bisherigen Spielplans 0.—
nicht recht Gelegenheit findet, ihre Begabung zur Geltung isschnitte ist das
zu bringen, gibt — wir wissen das vom Vorjahr — den auch steht es den
Damen vom Schlage Annie's oder Lore's mit dem ab= zu ändern.
gerissenen Knopf einen köstlichen ironischen Grundton und
stattet die Rollen mit einer Menge fein beobachteter De¬
tails aus. Herr Richard Wirth nahm den leicht¬
lebigen Anatol um eine Nuance zu schwer, Herr Krall
übertrieb in seiner kleinen Rolle Alles, den Ton, die
Geste und das Mienenspiel. Die Causerie, die natur¬
gemäß nur für intimexe Wirkung berechnet ist, gefiel
nicht übel.
Das behagliche Lächeln steigerte sich zu anhaltendem
Gelächter in dem folgenden Stücke. „Ein verdäch¬
stiger Schwiegersohn“ ist eine übermüthige Posse
von Bisson, der den grotesken Voraussetzungen die
komischesten Wirkungen abzugewinnen weiß. Ein Cabinet¬
stück mosaikartig construirender Nuancenkomik à la Knaack
und Haase bot Herr Eggeling in der Rolle eines
galligen, kniffigen, argwöhnischen und sauertöpfischen
Cholerikers, der die ganze Welt im giftigsten Grün sieht,
weil ihm seine um vierzig Jahre jüngere Frau davon¬
gelaufen ist. Sein Mißtrauen und sein unermüdlicher
Spürsinn im Entdecken von begangenen Missethaten
rufen eine heillose Confusion hervor. Ein junger Ehe¬
mann, der seine Frau vergöttert, kommt in den Verdacht,
als moderner Blaubart seine erste Gatlin getödtet zu
haben. Die Schwiegereltern — von Herrn Emil Wirth
und Frau Laska mit köstlicher Laune gespielt — zittern
um das Leben ihres einzigen Kindes und werfen sich
dem Wütherich zu Füßen. Dieser schöpft nun selbst
Argwohn gegen die Treue seiner Frau, und die be¬
lustigenden Mißverständnisse steigern sich zum unsinnigsten
Wirrwarr, über den man selbst dann noch hellaut lachen
muß, nachdem er sich zur allseitigen Zufriedenheit gelöst
hat. Selbstredend spielen allerhand galante Abenteuer
hinein, aber wir haben es diesmal im Allgemeinen mit
einer gesunden Kost zu thun, die nicht durch überpicante
Zuthaten überwürzt ist. Aus dem wohlgerundeten und
flotten Ensemble, das um den Erfolg der Novität ein
wesentliches Verdienst hatte, sind außer den bereits Ge¬
nannten noch Herr Worlitzsch als vermeintlicher
Wütherich und Frau Corbach rühmend hervorzu¬
Dr. A. G.
heben.
——
r box 8/1
1. 5
ats¬
ge¬
Theater und Kunst.“
Im
pisse
Ab und zu ist in den gewissen literarischen Ecken die
ufe:
Idee angeregt worden, ob sich nicht mit einer Schaar geistig h
eht,
enn
agiler Schauspieler der Versuch einer Stegreifkomödie unternehmen
lassen könnte. Man dachte daran, etwa durch einen bühnen¬
gewandten Autor ein nur auf die rohesten Effecte hin gearbeitetes
Scenarium ausarbeiten zu lassen, das zwischendurch einige breitere
Stellen enthalten könnte. Alles Uebrige sollte der schöpferischen
Ausgestaltung der Darsteller überlassen werden. Hermann Bahr's
„Juana“, der am Raimund=Theater ein so wechselvolles
Schicksal bereitet wurde, macht ganz den Eindruck einer solchen
ide
Stegreiskomödie. Nur haben die Darsteller aus Eigenem zu viel
Pantomimisches beigesteuert und und so eine Handlung, welche ein
geradezu brisantes Tempo erfordern würde bedenklich, des öfteren
bis zur unfreiwilligen Heiterkeit zerdehnt. Mit dieser Einschränkung
eI läßt sich der Aufführung viel Gutes nachsagen. Die Bestien der 1 de
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelo“, Vill. Josefsring 31 a.
sschnitt aus: Prager Taghlatt
7- JUN. 1898
Gn 102
I1
Theater.
1— Deutsches Volkstheater. („Abschieds¬
sonper.“ Lustspiel in 1 Act von Arthur Schnitzler.
„Ein verdächtiger Schwiegersohn.“ Posse
in 3 Acten von Alexander Bisson.) Die Einleitung
des letzten Novitätenabends bildete eine von den be¬
kannten kurzen Plauderscenen, die Schnitzler unter
dem Collectivtitel „Anatol“ gesammelt hat. Sie sind
seinem Drama „Liebelei“ vorausgegangen, zu dem sie
vielleicht die Vorstuvien bilden. Sie muthen zumindest,
dagegen gehalten, ähnlich an, wie flüchtig hingeworfene
malerische Skizzeu zu einem Kunstwerk. „Abschieds¬
sonper“ ist ein launig erfaßtes Momenldndchen aus¬
dem Leben jeuer Kreise, in denen man sich ausschließlich
amusirt. Ein junger Lebemann will der derzeitigen
brünetten Gebieterin seiner Herzkammern und seiner
Geldbörse den Abschied geben, um eine blonde Partei
in die vacanten Apartements aufzunehmen. Aber die
principienfeste Ballerine, die bei der Schürzung dieses
Liebesknotens versprochen hat, es dem theueren Manne
vorherzusagen, wenn der Compaß ihres Herzens einen
anderen Cours anzeigen sollte, kommt ihm zuvor. Zum
letzten Mal labt sich ihr verwöhnter Gaumen an Anatol's
Sect und Austern, dann stopft sie noch rasch beide Hände
voll Cigaretten für den „kommenden Mann“ — und 7.50)
iaclusive
verschwindet. Das Ganze ist eine Milieustudie voll sar-4.—
Porto.
Zahlbar
kastischer Laune, ein geistreiches petit rien. Fräul. 5.
— im Voraus
[Gabri, die im Rahmen des bisherigen Spielplans 0.—
nicht recht Gelegenheit findet, ihre Begabung zur Geltung isschnitte ist das
zu bringen, gibt — wir wissen das vom Vorjahr — den auch steht es den
Damen vom Schlage Annie's oder Lore's mit dem ab= zu ändern.
gerissenen Knopf einen köstlichen ironischen Grundton und
stattet die Rollen mit einer Menge fein beobachteter De¬
tails aus. Herr Richard Wirth nahm den leicht¬
lebigen Anatol um eine Nuance zu schwer, Herr Krall
übertrieb in seiner kleinen Rolle Alles, den Ton, die
Geste und das Mienenspiel. Die Causerie, die natur¬
gemäß nur für intimexe Wirkung berechnet ist, gefiel
nicht übel.
Das behagliche Lächeln steigerte sich zu anhaltendem
Gelächter in dem folgenden Stücke. „Ein verdäch¬
stiger Schwiegersohn“ ist eine übermüthige Posse
von Bisson, der den grotesken Voraussetzungen die
komischesten Wirkungen abzugewinnen weiß. Ein Cabinet¬
stück mosaikartig construirender Nuancenkomik à la Knaack
und Haase bot Herr Eggeling in der Rolle eines
galligen, kniffigen, argwöhnischen und sauertöpfischen
Cholerikers, der die ganze Welt im giftigsten Grün sieht,
weil ihm seine um vierzig Jahre jüngere Frau davon¬
gelaufen ist. Sein Mißtrauen und sein unermüdlicher
Spürsinn im Entdecken von begangenen Missethaten
rufen eine heillose Confusion hervor. Ein junger Ehe¬
mann, der seine Frau vergöttert, kommt in den Verdacht,
als moderner Blaubart seine erste Gatlin getödtet zu
haben. Die Schwiegereltern — von Herrn Emil Wirth
und Frau Laska mit köstlicher Laune gespielt — zittern
um das Leben ihres einzigen Kindes und werfen sich
dem Wütherich zu Füßen. Dieser schöpft nun selbst
Argwohn gegen die Treue seiner Frau, und die be¬
lustigenden Mißverständnisse steigern sich zum unsinnigsten
Wirrwarr, über den man selbst dann noch hellaut lachen
muß, nachdem er sich zur allseitigen Zufriedenheit gelöst
hat. Selbstredend spielen allerhand galante Abenteuer
hinein, aber wir haben es diesmal im Allgemeinen mit
einer gesunden Kost zu thun, die nicht durch überpicante
Zuthaten überwürzt ist. Aus dem wohlgerundeten und
flotten Ensemble, das um den Erfolg der Novität ein
wesentliches Verdienst hatte, sind außer den bereits Ge¬
nannten noch Herr Worlitzsch als vermeintlicher
Wütherich und Frau Corbach rühmend hervorzu¬
Dr. A. G.
heben.
——