II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 71

bejahrt
fucch
Gastspiel Sonntag begannen
Novität, mit welcher sie
omödie „Lumpengesindel“
Wolzogen 2#
Ent¬
pät zu uns gekommer
unt möhrer
gegangen
mehr als
wie Heuri Murger's Szeiten aus
us dem
dem Leben der Pariser Bohemte, schildert uns diese
Es erhöht
Tragikomödse die Berüiner Literaturzigenne
nicht ihren schriftstelleris
aber in
Cliché berlinbekannter Persönlichkeiter
dieser pasamllärtigen Verkleidung steckt ihr ganzer
„Lumpengesindel“
Reiz. Losgelöst davon ist Wolzogen'
Augenblicksbilder aus dem
eine Reihe
Treihen der Schriftstellerboheme, die durch eine saden¬
dünne Handlung nothdürst zusammengehalten werden.
Von den Brüdern Kern, die gemeinsam hausen,
ist Dr. Friedrich mit der Tochter eines Polisimacht¬
meisiers Eise verheiratel. Mit der Ehe hat aber ##sebrich
ngemöhnheiten nicht abgelegt; es.
Kern seine Im
geht in dieser Wirthschaft toll zu, viel soller ais Frau
Eise es vertragt. Nach einem Abendessen, an dem aller
lei Lumpengestudel Theil nimmt und schließlich über
Nacht dableibt, verläßt die Gattin das eheliche Heim.
Es ist nicht nur der Ekel, der sie aus dem Haus treibt,
sondern auch die Furcht. Unter dem Lumpengesindel
befindet sich nämlich einer, der ihre erste Liebe genossen.
Böse Anspielungen fallen. Aber Dr. Friedrich Kern ist
nicht vom Schlage Meister Anton's, der da glaubt,
darüber komme Niemand hinweg. Nach einer unsäglich
naiven Erklärung, in welcher ein alberner Wiener
eine klägliche Lebensphilosophie entfaltet, findet er
Alles naturlich. Eisa kehrt wieder zurück. Der
Vater=Wachtmeister, der surchtbar rabiat geihan, gibt
sich auch zufrieden, der Bruder Wilhelm heiratet eine
aus dem „Lumpengefindel“ und die Tragikomödie ist
aus. Unter der Hand ist aus Welzogen's Milienstück
ein Thesenstück geworden, brutal in seiner Meral und
Berliner Schnoddrigkeit aus der Jahrhundertwende mit
der Sentimentalitität der Zopfzeit verquickend. Ueber
diese Stylwidrigkeit des Stückes täuschte die Styleinheit
der Darstellung Ruclich hinteg. Mil Geist und Ge
schmack spielen die Künstler miteinander; es ist eine
Unterordnung unter das Ganze, die zur künstlerischen
Selbstlosigkeit wird. Im Verlaufe des Gastspieles werden
wir den Einzelnen wohl noch wiederholt begegnen; für
heute wollen wir den prächtigen Wachtunter Nissens
und den Friedrich Kern des Huum
Mn unerwähnt laßri-l
gesselte: Fräutein
Prenner durch die diskrete Feinheit, mit welcher sie
Empfindungen des Innenlebens wiedergibt und einen
ergreifenden Ton für seelische Schmerzen anschlägt.
Auf Wolzogen folgte Schulles
auch eine Art moralischen Lumpen¬
sonper
Resindels. In di Bluette machte Gisela Schneider
durch ihre Annie Furore; sie war das echte leichtlebige
Wiener Kind, von einer gewissen naiven Unmoral, dis
geradezu etwas Versöhnendes hatte Man war berauscht
von diesem Tollkopf, und hatten sich bei dem ersten
Stück nur die „Enthusiasten von Beruf“ am Beifall
betheiligt, hier applaudirte Alles. Die Wienerin unter
den Berlinern entschied den Erfolg des Abends.
P.
4.5. Abschiedssouver
box 8/1

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Ausschnitt aus: Neuigkeits Wellblatt
vom 7/190
Theater, Kunst, Musik und Literatur.
Raimund=Theater.
(Ensemble=Gastspiel von Mitgliedern des
Deuschen Theaters in Berlin.)
Vor gut besetztem Hause fand gestern die Eröffnungs¬
Vorstellung des für zwei Wochen anberaumten Gastspieles
einer größeren Anzahl von Mitgliedern des Deutschen
Theaters in Berlin statt und brachte als eigentliche Novität
eine „Tragikomödie“ in 3 Auszügen: „Das Lumpen¬
gesinde!“ von Ernst v. Wolzogen und den hier
bereits bekannten Einakter: „Abschiedssauper“ von
Arthur Schnitzler-zur Aufführung.
Das Publikum, das vornehmlich aus den Premièren¬
Habitnes und den literarischen Kreisen Wiens bestand,
brachte den Berliner Gästen sympathisches Interesse ent¬
gegen und der Erfolg des Abends war ein sehr freund¬
licher, galt aber entschieden mehr der gerundeten Dar¬
stellung, als der aufgeführten Novität, die mit dem Rüst¬
zeug der modernen Veristik arbeitet und damit ein leben¬
diges Biid der Berliner Schriftsteller=Bohéme auf die Bühne
stellt, aber wenig Handlung und inneren Gehalt besitzt. Die
Ehe eines Mädchens aus dem Volke, das einen mächtigen
Drang nach höherer geistiger Bildung besitzt und deshatb
freudig die Gattin eines begabten, auf seine Unabhängigke“
stolzen, wenn auch in sehr prekären finanziellen Verhält¬
nissen lebenden Schriftstellers wird, erfährt nach kurzer
Dauer eine starke Trübung, als ein leichtlebiger Bildhauer
aus Wien auftritt, welcher der jungen Frau als Schreckbild
einer bunklen Episode aus ihrem Mädchenleben erscheint.
Beide hatten sich vor ein paar Jahren bei einem Künstler¬
Für 50
feste gefunden und in der Anwandlung eines heißen Sinnes= inclusive
100
rausches ging die Unschuld des Mädchens verloren. Mit Porto.
200
dem „Fleck auf der Ehi'“ krat die gute Else trotzdem in den Zahlbar
500
Ehestand, hatte aber nicht den Muth, den Gatten über ihr im Voraus.
1000 Vorleben aufzuklären. Hiezu wurde sie von ihrem Vater,
einem Polizei=Wachtmeister, der trotz seiner amtlichen hitte ist das
Abonne Stellung als Hüter der Moral in punkto der Frauenwürde steht es den
Abonne sehr liberale Anschauungen offenbart, zunächst veranlaßt, üdern.
Des Oefteren drängt es sie wohl zu einem Bekenntnisse,
das aber durch die Gegenwart eines Schwagers, der mit
dem Ehepaare im Haushalte lebt, aufgehalten wird. Das“
Erscheinen ihres Verführers läßt die gequälte Frau jedoch.
den Beitug an ihrem Gatten in seiner vollen Größe er¬
kennen, sie fühlt sich der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr
würdig und flüchtet in das Vaterhaus zurück, wo die see¬
lische Aufregung sie auf das Krankenbett wirst. Der Gatte
stürmt ihr nach und es erfolgt nach einer peinlichen Aus¬
einandersetzung mit dem Verführer die Verzeihung und Ver¬
söhnung, nachdem auch der Schwager erklärt hat, das Haus
des Bruders verlassen zu wollen.
Der matte Schluß befriedigt ebensowenig, wie die in den
Motiven schwach geführte Handlung. Wolzogen sucht den Effekt
seines Stückes mehr in der Schilderung des gewählten Miliens,
das er mit sicherem Blick erschaut hat, gleichwohl aber dabei
in Uebertreibungen verfällt. Die Exposition ist das Beste an
dem Stücke; eine große häusliche Kneipszene im zweiten
Akte aber mit dem sentimentalen Pendant der an ihren
Gewissensbissen leidenden jungen Frau wirkt mehr abstoßend
als wahr, wie sich denn überhaupt der Antor an veristisch
sein sollenden Details nicht genug thun kann. Daß der gute
Geschmack hiebei mehrmals zum Nachtheile kommt, scheint
Herin v. Wolzogen nicht weiter zu geniren. So ist die
Nothwendigkeit nicht einzusehen, warum der lüderliche Bild¬
hauer mit seiner, von einer recht gemeinen Gesinnung
zeigenden Lebensauffassung just ein Wiener sein soll. Das
Stück, dessen Titel übrigens nur ironisch gemeint ist, ist
doch aus dem Berliner Boden geschöpft und bedarf des
fremden Einschlages nicht. Subjekte von der niedrigen Den¬
kungsart dieses Bildhauers, der ganz selig ist, daß seine
plastische Gruppe durch einen Zufall zertrümmert wurde,
Versicherungssumme erhält
weil er nun eine stattliche —
und einige Zeit ein vergnügtes Leben führen kann und der
sein Verhältniß zu der Frau seines Freundes von geradezu