II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 79

Wengenennchanegmn
Darstellung zurück. Trotzdem war derselbe vielfach ein sehr
günstiger. Vortrefflich und mit künstlerischer Hervorkehrung der
verborgensten Absichten des Antors spielten die Herren Winter¬
stein und Kayßler das dichterische Brüderpaar, sym¬
pathisch gab Fräulein Trenner die junge Frau, glaubhaft
erschien Herr Martin als leichtblütiger Wiener, und einen
charakteristischen Eindruck machten in kleineren Rollen
die Damen Wilke und Eberty. Herr Nissen in der Figur
eines bald niedrig, bald tragisch polternden Schutzmannes drang
nicht völlig durch. Wir haben ihn noch in den Rollen im Ge¬
dächtniß, die er vor Jahren im Ausstellungs=Theater
hat damals in glänzender Weise den Be¬
spielte,
fähigungs=Nachweis für einen Theil der Rollen Gabillon's
erbracht. Nach einiger Zeit gastirte er im Burgtheater als Von¬
vivant und war hier trotz seiner Natürlichkeit ebenso behäbig und
schwer wie in seiner gestrigen zweiten Aufgabe, dem Anatol im
„Abschiedssouper“. Auch den Humor des Schutzmannes Polle,
dem er einen Bismarck=Kopf aufsetzt, detaillirt er zwar fein, aber
nicht überzeugend genug: sein Berlinerthum erschien selbst uns
Wienern nicht acht. Allerdings als später der Ernst und die hiedere
Sentimentalität dieses Wachtmeisters erwachen, hilft Herr Nissen
dem Autor kräftig nach. Beinahe wäre es ihm gelungen, der theatra¬
lischen Sprache Wolzogen's den Eindruck der Wirklichkeit zu geben.
So ist Herr Niessen genau so wie all seine Collegen in den ernsten
Scenen erfolgreicher als in den heiteren gewesen. Der Berliner
Humor mit seiner scharfen, aus dem Witze des Verstandes ab¬
geleiteten Art ist unserem Publicum schwerer faßlich wie dem
norddeutschen Zuschauer, und doch hat es Berliner Komiter ge¬
geben, die hier ausnehmend und dauernd gefielen — ja Einer von
ihnen, Beckmann, half mit, den Ruhm unserer ersten Bühne
zu schaffen. Offenbar entscheidet auch hier die individuelle Kraft,
die bei einzelnen der Schauspieler, die wir gestern gesehen, eine
entschieden zu schwache ist. So erwiesen sich vornehmlich die Herren
Reinhardt, Biensseldt und Dipvel als sehr dünne
Humoristen; unstreitig sind sie mehr Schauspieler als Komiler.
In Schnitzler's „Abschiedssouper“ trat Fräulein Schneider
als treulos=flotte Balletratte besonders hervor. Ihre chargirte,
vielleicht zu chargirte Darstellung ist wirligmer als die ihrer
Wiener Vorgängerin. Das Ideal für diese Nalle bleibt jedoch
— wenn von einem solchen in einer überpfefferten Nachahmung Don¬
nay's die Rede sein kann — Fräulein Niese; sie vermichte dem Ueber¬
muth der niederen Figur einen Hauch von persönlicher Anmuthzu leihen.
Was übrigens im Eindrucke unserer Berliner Gässe am
stärksten wirkte, war das sorgsältig vorbereitete und tüchtig
mble. Es ist besser als das unserer
meinander greifende
meisten Bühnen, wenn diese auch durch selbstständige
interessante schauspielerische Individualitäten das Berliner Theater
übertreffen mögen. Unsere Bühnenkeiter könnten Manches lernen
von dem Eindrucke dieses Zusammenspiels, das wir nach minder
flüchtiger Bekanntschaft eingehender zu würdigen gedenken. Den
Gästen hat es hier an Beifall nicht grfehit: leider war der
gekünstelte Premièren=Applaus wieder so vordringlich wie gewöhnlich.
Als der Regisseur Herr Runge in Folge dessen glaubte, für
den Autor Wolzogen danken zu lönnen, erhob sich eine sehr
kräftige Opposition, welche — die Kampfesstimmung war einmal
angefacht — mit minderer Berechtigung auch im zweiten Stücke
den Darstellern gegenüber laut wurde.
4.5. Abschiedssouper
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Ein Berliner Gastspiel in Wien.
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„Das Lumpen¬
(Ensemble=Gastspiel des „Deutschen Theaters“:
Auf der
„gegel
„Abschiedssouper“ von
gesindel“ von Ernst v. Wolzogen.
gegen den
5
Arthur Schnitzler.)
der Schlachtruf. För
Wien, 3. Juli.
geieißelten, gesungenen
I., II —i. Die Theater der verschiedenen Wiener Bezirke sind,
Musikoölkchen sind, haben
nun glüchlich geschlossen; man spielt höchstens bei Jautsch im Prater,
Musik einen drastischen
wo di: Mu#e so gemüthlich ist, als hätte sie vor der Vorstellung ihren
schauderhaft, ganz s#
dritten Kaffee im „Dritten Kaffeehaus“ getrunken. Und richtig, auch
auf der Freilustbühne von „Venedig in Wien“ hebt eine australische
als das richtige' Wort
Tänzerin ihre antipodischen Beine, die auf den Anschlagzetteln recht
nennen das in der Musik
hübsch aussehen. Eine Million Einwohner haben kein Theater —
anderen Künsten gibt e
und lassen sich das gefallen. In anderen Großstädten wären sofort
großen Theil des Kunstg
eine Menge Surrogate zur Stelle. Das wird wohl auch das Berliyer
aber beginut der Schn
„Deutsche Theater“ bewogen haben, sich einmal Wien in der an¬
sogar Architektur gleichsa
geblich todten Saison anzusehen, d. h. sich von ihm ansehen zu lassen.
an seine Stelle und zieht
Es hat gestern im Raimund=Theater — fast hätten wir gesagt, auf
süßen Süden. So oft ei
dem Westvahnhof — ein längeres Gesammtgastspiel begonnen, das
davon und verschnupfen
sich sehr interessant anläßt. Zwar sind nicht alle Blüthen¬
auf und athmen dann
träume gereift, in die man uns einzulullen gedachte. Josef Kainz
Hauptmann, mit den nör
und Else Lehmann sind nachträglich aus dem Rahmen
Russen. Auch mit Kainz
gesprungen, dessen Hauptinhalt sie ja wohl gebildet hätten.
sich nicht auf die erste Au
Man freute sich, hier auf Beide. Kainz ist, beroits ein
dem Abschlusse nahe und
Liebling, dem man alles Interessante zutraut; sein Name
gen Gbeschmack zu wunde
auf dem Zettel sieht immer wie roth gedruckt aus. Und er hätte
Im Berliner „Des
allerlei neue Sachen spielen sollen, sogar den Alving in den „Ge¬
Ton stark und hell anges
spenstern“. Für das Burgtheater, dem er ja in zwei Monaten ange¬
Schößlingsliteratur nach
hören wird, wäre das nicht angenehm gewesen, denn es will mit dem
das Eusemble, wenn auch
werthvollen Schmetterling auch den gesammten Blüthenstaub auf
haben. Sie bringen eine
dessen Flügeln eingefangen haben und nichts von diesem kostbaren
Mundart, in ihren Frem
Staube abwischen lassen, ehe es ihn an die (jedenfalls goldene) Nadel
keiten. Schauspielerisch
steckt. „Ganz“ will es ihn haben, wie Karl Moor den Franz. Auch
Zusammenspiel fließt un
Eise Lehmann vermißt man nicht gern. Ihr Einabendgastspiel in der
in einer Familie, so daß
Burg, vor einigen Wochen, als Hanne Schäl in „Fuhrmann Heuschel“,
fangen des Dialekts muß
war ein großer Erfolg, wenn auch vielleicht mehr innerlich, als
am ersten Abende wurde
äußerlich. Kainz ist es gerade so gegangen. Diese neue Veräner
genug verstehe. Wir hör
Kunst kommt aus einer schärferen Luft. Die Wiener sind seit unge¬
versichern, daß er dem Sy
zählten Jahren, und schon von ihrem Blute aus, sehr süß gewöhnt.
könne. Doch, das ist ein
In ihrer ganzen Kunst, die jetzt auf der einen Seite abstirbt,
kuliren so plastisch, währ
während sie auf der anderen nachtreibt, ist das Süße das
würdig verschleifen un
heerschende Prinzip gewesen, Jahrzehnte hindurch. Wie süß
Sonne des Südens, wis
ein Wiener sein kann, sah man soeben erst in Miethke's Galerie,
Worte und Sätze, daß
wo der Maler Schram eine ganze Gesammtausstellung seiner
Ohre stehen, während
Bilder ausgestellt hatte. Man trat hinein, wie in eine Bonbon¬
fabrik, Alles schwamm in einem Dolce dolcissimo von auserlesenen schleier mit ihren unend