II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 102

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4. 5. Abschiedssouper
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Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 73
„OBSERYER“
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Ausschnitt aus: Berdeutscte digem. Zeitung, Berhin
vor: 73/8 7702
Theater und Musik.
G. Z. Im Falle Charlotte Wiehe hat die Reklame
seinmal wirk ich nicht übertrieben, so laut sie auch gearbeitet
hat: es ist in der That ein erlesener Genuß, die blonde Dänin
spielen zu sehen. So war denn auch ihre Aufnahme bei der
Eröffnung ihres Gastspiels am Lessing=Theater am
Dienstag sehr freundlich, und der Beifall ward von Szene zu
Szene stärker. Charlotte Wiehe, die Kopenhagenerin, in Paris¬
als Gattin eines ungarischen Komponisten lebend, wäre wohl
ein dankbares Problem für den Ethnographen. Die Kopen¬
hagener Kultur zeigt ja viel Verwandlschaft mit der pariseri¬
schen wie auch die Dänen, d. h. die Kopenhagener, in ihrer:
Für
feinfühligen, artistischen Art am meisten von allen europäischen
1 Nationen mit Frankreich verwandt sind. Die Dänin ins¬
besondere hat viel Französisches an sich, nur daß in ihrer ss¬
Anmuth für mein Empfinden ein gewisser herber Zug liegt, das

eine Erinnerung an germanische Tiefe, der sie von den
der französischen Oberflächlichkeit unterscheidet. Bei eingehendem
Abour Studium würde man sicher noch andere Unterscheidungsmerk¬
Abonl male finden. Genug, daß Charlotte Wiehe eine ausgezeichnete die
Vertreterin des graziösen, schmiegsamen Däninnentypus ist. en
Inha
Ihrem Wesen am nächsten scheint die kecke Schelmerei zu àe“)
liegen, die man am treffendsten durch das Pariser Wort sehe
wodu
Gaminerie wiedergiebt, jene spitzbübische Freude an tollen
Lebe:
Streichen, die auch das Niederträchtige noch mit dem Schimmer
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einer Liebenswürdigkeit umkleidet, der man nicht böse sein
kann. Auf diesen Ton hatte sie ihre Annie in Schnitzlers
„Abschiedssouper“ gestimmt, die einzige Rolle, in der sie
sich auch als Sprecherin zeigte, während sie in den anderen beiden
Stücken „Die Hand“ und „Der Mann mit den Puppen“.
von Bereny nur pantomimisch thätig ist. Soweit bei der
Gattung des „Mimodrama“ überhaupt von Natürlichkeit die
Rede sein kann, das heißt soweit sich Empfindung und
Ausdruck bei der auf starke Unterstreichungen bisweilen ange¬
wiesenen Pantomime decken können, ist Charlotte Wiehe natur¬
lich. Jedenfalls hat mich der — unverkennbare
— Einschlag
von Virtuosenthum in ihrem Spiel nicht gestört, weil er nie
aufdringlich wird, wie überhaupt seiner künstlerischer Takt
durchweg ihr Spiel charakterisirt. Ich glaube nicht, daß der
Umfang ihrer Ausdrucksmittel eben sehr groß ist, und
daß sie tiefer, erschütternder Wirkungen fähig ist, so
packend sie auch den Uebergang von heiterer Daseinsfreude zu
tödlicher Verzweiflung in dem ersten der beiden Mimodramen
darstellte. Wo es sich aber um Schelmerei und Grazie handelt,
da muß sie Jeden unmittelbar gefangen nehmen. Alles an
ihr ist graziös — wir bedürfen des Fremdworts in diesem
Falle —, vor Allem sieht man selten so graziöse Bewegungen
der Arme und Hände, wie sie sie z. B. in dem Tanze des
ersten Dramas hatte. Dann hat sie ein allerliebstes,
keckes Augenzwinkern, was besonders reizend in dem zweiten
Mimodrama zur Geltung kam. In diesem
übri¬
gens mehr als kindlichen bereits die Grenze des Läppi¬
schen streifenden — Stück hat sie eine Puppe darzustellen,
die allmälig zum Leben erwacht, d. h. keine wirkliche Puppe,
sondern eine liebende Dichtersgattin, die diese Rolle spielt,
weil ihr Herr Gemahl sich nur von Puppen inspiriren lassen
kann und sie stark vernachlässigt. Sie kleidet sich also wie
seine Lieblingspuppe und läßt sich in einer großen Kiste
ihm ins Haus tragen. Ihr Vorhaben gelingt, weil der Dichter
gerade in einer Art hypnotischen Dusels ist, in dem er die
Lieblingspuppe durch magnetische Striche versucht hat
lebendig zu machen, und nun glaubt, sein Werk sei
gelungen. Man sieht, der alte D