II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 105

Abschiedssoube
4.5. A box 8/2
dn seeeniten chetenet eneen
sich alle Operngläser der pikanten, eigenartigen Erscheinung
zugewendet, und sie hätte dann vielleicht Erfolge er¬
rungen, die begründeter wären, als diejenigen, die sie auf
der Bühne scheinbar einheimste. Scheinbar! Denn trotz all
des Beifallsjubels, der sehr von oben herab kam, trotz aller
entzückenden Blumenspenden kann man sich nicht verhehlen,
daß diese Ovationen einer sehr hübschen, anmuthigen Frau
galten, nicht einer großen Künstlerin. Berlin ist anfangs
der Saison immer in der Gebelaune. Deshalb rechtete
man mit der charmanten Gastin nicht, die nichts Neues,
nichts Amusantes, nichts Hervorragendes brachte und
leistete. Das haben wir alles schon viel besser, viel
künstlerisch =vertiefter, viel unterhaltender gesehen viel¬
leicht etwas weniger beweglich, dafür aber nicht so ober¬
flächlich. Frau Wiehe in Schnitzler's „Abschiedssouper“ mit
einer unserer großen, ja sogar nur mit einer unserer zünf igen
Schauspielerinnen vergleichen zu wollen, wäre geradezu ge¬
schmacklos. Frau Wiehe in den Mimodramen =La main¬
und -L'homme aux poupéese mit unseren Balletköniginnen
in einem Atem zu nennen — ich wage gar nicht an eine
del' Era zu denken — wäre beinahe noch unmöglicher. Frau
Charlotte Wiehe spielt Theater, tanzt und singt wie — nun
eben wie Frau Charlotte Wiehe. Sie hat eine kleine, reizende
Eigenart, aber sie ist keine jener Darstellerinnen, die
am Kuasthimmel leuchten und strahlen. In der Auswahl
ihrer Repertoris und ihrer Truppe war sie auch nicht sonder¬
lich glücklich. Der Abend wurde durch einen abgeschmackten,
albernen Einakter: -Le noeud de Cravatee eingeleitet, in
dem sie nicht mitwirkte, sondern irgend eine andere gleich¬
gültige Dame und ein ebenso gleichgültiger Herr. Dann
kam das sattsam bekannte: Mimodrama -Lahaine und
das gradezu abscheuliche: -Lhomme aux poupéest,
beide mit der sehr aufdringlichen Musik von Henni Berény
dem Gatten von Charlotte Wiehe, Schnitzler's „Abschieds¬
souper“ endlich, das seiner Wirkung immer sicher ist und
auch in französischer Uebersetzung sehr amüsant war. Das
inkeressanteste an dem Abend aber war doch, festzustellen,
was die Reklame vermag. Es gab ein ausverkauftes und
ein so distingirtes, elegantes, interessantes Haus, als ob
sich wirklich ein künstlerisches Ereigniß vollziehen sollte.
ar. Das Zusammenarheiten von Künstlern nus
Künstlerinnen wieder gestattet. Das polizeiliche Verböt¬
des Zusammenarbeitens von Künstlern und Künstlerinnen
vor dem Akt, das im vergangenen Jahre in der Berliner
Künstlerschaft tiefe Erregung hervorrief, ist, wie wir jetzt
erfahren, inzwischen zurückgenommen worden. Herr Bild¬
hauer Lewin=Funcke hatte Berufung eingelegt, die nach
langen Verhandlungen und nach einem Gutachten des