4.5. Abschiedssouper
absenladsseager box 8/2
Der Einakter ist ebenso wienerisch wie sein Autor.
So urwienerisch, so gemütlich=frech, und doch so durch¬
drungen von alles bezwingender, tändelnder, lachender
liebenswürdigkeit, daß sich auch der strengste Moralphi¬
ster nicht über diesen Hohn auf die Treue in der Liebe
aufregen könnte. „Abschiedssouper“ ist hier noch nicht
aufgeführt worden. Es sei daher in ein paar Worten
der lustige Inhalt erzählt: Anatol will seiner
bisherigen Liebelei ein Ende machen. Er vergöttert seit
acht Tagen eine andere. Und die Annie ist eben lang¬
weilig und fad geworden. Heute beim Abschiedssouper
will er ihrs sagen. In Gegenwart seines Freundes. Da
kommt Annie. Direkt von der Oper. Sie ist nämlich
beim Ballett. Während sie Austern schlürft und Anatol
nach würdigen Worten sucht, erklärt die, eine Ueberraschung
mitteilen zu wollen. Bei jedem Bissen bekennt sie end¬
lich, sie habe die Liebschaft satt! Sie mache der Sache
ein Ende. Anatol braust auf. „Du willst dich wohl
gar verheiraten?“ Annie lacht schallend: „Das wäre
doch kein Grund zur Trennung!“ Nein, sie ist verliebt,
richtig verliebt. — Und sie will ihren neuen Schatz nicht
betrügen. Anatol fällt aus der Rolle und tobt. Er
renommiert. Und daher platzt er heraus mit der Ver¬
sicherung, er sei auch verliebt; in eine andere; mehr
non er habe bereits betrogen. Das ist der Annie zu
viel. Sie gerät in Rage. Und voll sittlicher Entrüstung
wirft sie ihrem Anatol seine „Roheit“ vor. Daß auch er sie
[betrogen habe, brauchte er ihr nicht zu sagen. Sie
shabe es ihm auch nicht gesagt.
Dann fiel der Vorhang! In Wirklichkeit fiel er
zu früh, denn die Szene war noch lange nicht aus.
Annie soll noch hinausstürmen, natürlich dem Nach¬
Nfolger in die Arme. Vorher nimmt sie noch, — wenn
ein paar Zigaretten dem sprachlosen
ich nicht irre,
Anatol fort. Mit der köstlichen Motivierung: „Für
ihn!.
Abschiedssouper.
Das alles fiel fort, denn der Vorhang war zu
früh gefallen und erschlug in seinem Fall die Haupt¬
Lustspiel in einem Akt von Arthur Scnißler.
pointe. Trotzdem hatte Frl. Weinberger wieder ein¬
Nach dem großen Genuß am Samstag gabs gestern
mal Gelegenheit gehabt, ihr liebenswürdiges Talent zu
abends einen kleinen Nachtisch. Man verzeihe das Wort.
zeigen. Sie sah entzückend aus und plauderte mit pri¬
Aber in Schnitzlers „Abschiedssouper“ wird wirk¬
ckelnder Charme. Allerliebst wußte sie einen heran¬
lich nur gegessen: Austern, Filet de Boeuf, Beilagen,
ziehenden Schwips zu markieren. Huttig war ihr
Backwerk, Obst= und Eiscreme. Dazu Bordeaux und Cham¬
ebenbürtiger Partner. Herr Kaiser schien sich als Anatol
pagner. Schließlich noch Zigaretten. Ort der appetit¬
mit dem Publikum einen schlechten Witz machen zu wollen.
erregenden Handlung: Ein kleiner, ebenso üppiger, als
Speisende Personen: Anatol, Es ist fast nicht denkbar, daß diese greifbare Unnatur,
diskreter Hotelsalon.
Max und Annie. — Während des Essens wird natürlich dieses hohle Poltern das Ergebnis eines ehrlichen Stre¬
geplaudert; selbstverständlich über die Liebe. Und zwar bens gewesen sein sollte. Frl. Weinberger und Herr
über die illegitime. — Aber nicht über die, welche mit Huttig teilten sich hingegen mit Recht in den durchschla¬
Rosenketten fesselt, sondern über jene, die zwischen alten genden äußeren Erfolg der im ganzen brillanten Auf¬,
Vertrauten eine Kluft aufreißen wird. Also keine Koserei, führung.
n.
sondern ein Abschied, gemildert durch die Freuden eines
OH
gut bedachten Abendtisches. Daher der Name der Plau¬
derei: „Abschieds=Souper.“
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Der Einakter ist ebenso wienerisch wie sein Autor.
So urwienerisch, so gemütlich=frech, und doch so durch¬
drungen von alles bezwingender, tändelnder, lachender
liebenswürdigkeit, daß sich auch der strengste Moralphi¬
ster nicht über diesen Hohn auf die Treue in der Liebe
aufregen könnte. „Abschiedssouper“ ist hier noch nicht
aufgeführt worden. Es sei daher in ein paar Worten
der lustige Inhalt erzählt: Anatol will seiner
bisherigen Liebelei ein Ende machen. Er vergöttert seit
acht Tagen eine andere. Und die Annie ist eben lang¬
weilig und fad geworden. Heute beim Abschiedssouper
will er ihrs sagen. In Gegenwart seines Freundes. Da
kommt Annie. Direkt von der Oper. Sie ist nämlich
beim Ballett. Während sie Austern schlürft und Anatol
nach würdigen Worten sucht, erklärt die, eine Ueberraschung
mitteilen zu wollen. Bei jedem Bissen bekennt sie end¬
lich, sie habe die Liebschaft satt! Sie mache der Sache
ein Ende. Anatol braust auf. „Du willst dich wohl
gar verheiraten?“ Annie lacht schallend: „Das wäre
doch kein Grund zur Trennung!“ Nein, sie ist verliebt,
richtig verliebt. — Und sie will ihren neuen Schatz nicht
betrügen. Anatol fällt aus der Rolle und tobt. Er
renommiert. Und daher platzt er heraus mit der Ver¬
sicherung, er sei auch verliebt; in eine andere; mehr
non er habe bereits betrogen. Das ist der Annie zu
viel. Sie gerät in Rage. Und voll sittlicher Entrüstung
wirft sie ihrem Anatol seine „Roheit“ vor. Daß auch er sie
[betrogen habe, brauchte er ihr nicht zu sagen. Sie
shabe es ihm auch nicht gesagt.
Dann fiel der Vorhang! In Wirklichkeit fiel er
zu früh, denn die Szene war noch lange nicht aus.
Annie soll noch hinausstürmen, natürlich dem Nach¬
Nfolger in die Arme. Vorher nimmt sie noch, — wenn
ein paar Zigaretten dem sprachlosen
ich nicht irre,
Anatol fort. Mit der köstlichen Motivierung: „Für
ihn!.
Abschiedssouper.
Das alles fiel fort, denn der Vorhang war zu
früh gefallen und erschlug in seinem Fall die Haupt¬
Lustspiel in einem Akt von Arthur Scnißler.
pointe. Trotzdem hatte Frl. Weinberger wieder ein¬
Nach dem großen Genuß am Samstag gabs gestern
mal Gelegenheit gehabt, ihr liebenswürdiges Talent zu
abends einen kleinen Nachtisch. Man verzeihe das Wort.
zeigen. Sie sah entzückend aus und plauderte mit pri¬
Aber in Schnitzlers „Abschiedssouper“ wird wirk¬
ckelnder Charme. Allerliebst wußte sie einen heran¬
lich nur gegessen: Austern, Filet de Boeuf, Beilagen,
ziehenden Schwips zu markieren. Huttig war ihr
Backwerk, Obst= und Eiscreme. Dazu Bordeaux und Cham¬
ebenbürtiger Partner. Herr Kaiser schien sich als Anatol
pagner. Schließlich noch Zigaretten. Ort der appetit¬
mit dem Publikum einen schlechten Witz machen zu wollen.
erregenden Handlung: Ein kleiner, ebenso üppiger, als
Speisende Personen: Anatol, Es ist fast nicht denkbar, daß diese greifbare Unnatur,
diskreter Hotelsalon.
Max und Annie. — Während des Essens wird natürlich dieses hohle Poltern das Ergebnis eines ehrlichen Stre¬
geplaudert; selbstverständlich über die Liebe. Und zwar bens gewesen sein sollte. Frl. Weinberger und Herr
über die illegitime. — Aber nicht über die, welche mit Huttig teilten sich hingegen mit Recht in den durchschla¬
Rosenketten fesselt, sondern über jene, die zwischen alten genden äußeren Erfolg der im ganzen brillanten Auf¬,
Vertrauten eine Kluft aufreißen wird. Also keine Koserei, führung.
n.
sondern ein Abschied, gemildert durch die Freuden eines
OH
gut bedachten Abendtisches. Daher der Name der Plau¬
derei: „Abschieds=Souper.“